Rechte der Maori
Kulturkampf in Neuseeland eskaliert
Nachdem die neuseeländische Regierung etliche für die Maori positive Richtlinien wieder rückgängig gemacht hatte, demonstrierten tausende Maori vor dem neuseeländischen Parlament. Nun wenden sich 80 Stämme mit einem Appell an König Charles.
Von Barkhausen
Es ist ein seltener Appell, den die neuseeländischen Indigenen an ihren König richten – Großbritanniens Charles III., der auch Neuseelands Staatsoberhaupt ist. Vertreterinnen und Vertreter von mehr als 80 Maori-Stämmen bitten ihn um eine königliche Intervention in der neuseeländischen Politik. Hintergrund sind die wachsenden Spannungen zwischen den indigenen Völkern und der neuseeländischen Regierung.
In einem Brief, den der britische „Guardian“ veröffentlicht hat, schreibt das National Iwi Chairs Forum, ein Kollektiv von Stammesführern, dass sie sicherstellen wollten, „dass die [neuseeländische] Regierung die Ehre der Krone nicht schmälert“. Ihrer Meinung nach kommt es derzeit immer wieder zu Verstößen gegen das Versprechen, das die britische Krone den Maori im Vertrag von Waitangi, dem Gründungsdokument Neuseelands, gegeben hat.
Haka im Parlament
Bereits im November waren rund 42 000, vor allem indigene Demonstranten zum Parlament in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington marschiert. Dabei ging es in erster Linie um einen Gesetzentwurf, der genau diesen Vertrag aus dem Jahr 1840 neu interpretieren will. Zuvor hatten indigene Politikerinnen und Politiker – angeführt von der Abgeordneten Hana-Rawhiti Maipi-Clarke – auch im Parlament ein Zeichen gegen das Vorhaben gesetzt: So zerriss Maipi-Clarke eine Kopie des Gesetzentwurfs und führte gemeinsam mit ihren Kollegen lautstark den bekannten kriegerischen Haka-Tanz auf. Das neuseeländische Parlament musste vorübergehend suspendiert werden. Ein Video des medienwirksamen Auftritts ging um die Welt und wurde millionenfach geklickt.
Der Kulturkampf zwischen den Indigenen und der Regierung begann jedoch noch deutlich früher: Er brodelt bereits seit über einem Jahr, als sich Neuseelands Wahlsieger, die konservative National Party, auf eine Regierungskoalition mit zwei rechtspopulistischen Parteien, der New Zealand First-Partei sowie der ACT-Partei, einließ. Deren Vorsitzender, David Seymour, hatte den Gesetzentwurf namens „Treaty Principles Bill“ als Bedingung mit in die Koalitionsverhandlungen gebracht.
Indigene nach wie vor benachteiligt
Obwohl der umstrittene Gesetzentwurf wenig Unterstützung findet und kaum Chancen hat, tatsächlich Gesetz zu werden, hat die Regierung in den vergangenen Monaten doch etliche für die Maori positive Richtlinien wieder rückgängig gemacht. Beispielsweise kippte Neuseelands Premierminister Christopher Luxon ein weltweit bisher recht einzigartiges Gesetz der Vorgängerregierung, das vorsah, künftigen Generationen von Neuseeländerinnen und Neuseeländern den Kauf von Tabak zu verbieten. Durch das Gesetz sollte vor allem die Gesundheit der Indigenen verbessert werden, von denen ein höherer Anteil an Lungenkrebs stirbt. Außerdem löste Luxon den für die Maori geschaffenen Gesundheitsdienst wieder auf und minimierte die Verwendung der Maori-Sprache im öffentlichen Dienst.
Die Indigenen, die rund ein Fünftel der 5,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Neuseelands ausmachen, sind nach wie vor benachteiligt: Sie haben eine niedrigere Lebenserwartung als Nicht-Maori und ein niedrigeres Durchschnittseinkommen.
Briten brachten schwere Zeiten
Seitdem die Briten auf die Inseln kamen und Neuseeland 1840 eine britische Kolonie wurde, hat die indigene Bevölkerung etliches Leid über sich ergehen lassen müssen. Von geschätzt einer Viertelmillion Menschen fielen die Bevölkerungszahlen auf nur noch knapp über 40 000 in den 1890er Jahren. Die Schuld daran trugen weitgehend die Neuankömmlinge, die Krankheiten einschleppten, den Maori Land wegnahmen und sie damit in die Armut stürzten.
Tausende Ureinwohner kamen Anfang des 19. Jahrhunderts aber auch bei Stammeskämpfen – den sogenannten Musketenkriegen – ums Leben. Aufgrund der Waffen, die die Europäer mit ins Land gebracht hatten, endeten die Dispute, die die Indigenen untereinander ausfochten, deutlich häufiger tödlich. Später kam es zudem zu Konflikten mit den europäischen Siedlern, die ins Land drängten.
Maoris haben „ihre Stimme gefunden“
„Als meine Mutter in den 1950er Jahren in Neuseeland aufwuchs, galt es immer noch als etwas Negatives, von Maori-Abstammung zu sein“, berichtet die Maori-Frau Jackie Fowke in einem Telefoninterview. Ihrer Mutter sei immer gesagt worden, möglichst nicht über ihre Herkunft zu sprechen. „Ihre Kindheit war ziemlich ärmlich und sie waren nicht auf Erfolg im Leben ausgerichtet.“ Heute dagegen werde die indigene Kultur deutlich mehr „gefeiert“. „Meine Cousins und Cousinen und ihre Kinder lernen zum Beispiel alle die Maori-Sprache“, sagt Fowke.
Vor allem die jüngere Altersgruppe sei sehr involviert und interessiert daran, über ihre Herkunft und Traditionen wie zum Beispiel den Haka zu lernen. Viele würden inzwischen regelmäßig zu den Versammlungsstätten – den sogenannten „Maraes“ – kommen, um Fragen zu stellen und mit den Ältesten zu sprechen. „Viele haben wirklich ihre Stimme gefunden und treten für ihre Rechte ein.“ Letzteres tun die Indigenen nach ihren medienwirksamen Protesten im vergangenen Monat nun erneut mit ihrem Brief an König Charles.