Kultusministerin steht Rede und Antwort in vier Schulen
Theresa Schopper besucht eine Naturparkschule in Kaisersbach und spricht dann mit Schülern, Pädagogen und Eltern. Erst am Bildungszentrum Weissacher Tal, dann in der Schickhardt-Realschule, der Mörikeschule sowie in der Max-Eyth-Realschule in Backnang. Die 62-Jährige nimmt viele Anregungen und Fragen mit nach Stuttgart.
Von Florian Muhl
Backnang/Weissach im Tal. Bildungsgespräche stehen auf der Agenda. Am Ende ist’s ein „langer und intensiver Tag und ein sehr tiefes Eintauchen in die Bildungslandschaft im Raum Backnang“, zieht Ralf Nentwich gestern am späten Nachmittag ein erstes Fazit des Besuchs von Theresa Schopper. Die Kultusministerin war auf Einladung des Landtagsabgeordneten in den nördlichen Rems-Murr-Kreis gekommen, um vor Ort zu hören, wo Pädagogen, Schülern und Eltern der Schuh drückt.
Zunächst weist die Diplomsoziologin darauf hin, dass es ein schwieriger Tag für das Kultusministerium gewesen ist, weil es an sechs Schulen in Baden-Württemberg Bombendrohungen gab. „Ich hab’ das Gefühl das ist eine systematische, neue Art der Kriegsführung auf unserem Boden, mit der man versucht, die Sicherheit an Schulen zu stören.“ Den Kindern an Schulen Sicherheit und Geborgenheit zu geben, sei elementar und immens wichtig. Sie werde nicht dulden, dass man das in den Grundfesten erschüttere. „Da werden wir mit aller Härte vorgehen“, so Schopper wörtlich.
Schule soll Orientierung geben und Werte vermitteln
Dann zum Tagesthema kommend betont die Ministerin, „dass alle junge Menschen in unserem Land eine wirklich gute Chance haben sollen auf eine gute Bildung“. Aber nicht nur im Sinn von einer erfolgreichen Bildungsbiografie. „Schule ist natürlich auch, wo wir den Kindern viel, viel mehr auf den Weg geben. Wir sind auch prägend, dass wir Orientierung und Werte vermitteln, dass wir sie zu guten Demokratinnen und Demokraten machen. Das ist unser Anspruch“, sagt die 62-Jährige. Und: „Wir müssen die jungen Menschen viel mehr darauf vorbereiten, wie sie erkennen, was ist eigentlich ein richtige Nachricht, was ist eine falsche Nachricht. Und wo bekomme ich das Wissen überhaupt her zu erkennen, ob das stimmt oder nicht.“
In der Fragerunde hakt Melina Bendschus, Schülersprecherin der Max-Eyth-Realschule, nach: „Wir Schüler sind der Meinung, dass wenn wir von der Schule gehen, sehr wenig über das wirkliche Leben wissen.“ Fragen wie: welche Versicherung brauch ich, welche Steuern hab ich, wie leg’ ich mein Geld richtig an, all’ diese Dinge werden in der Schule nicht gelehrt, so die 15-Jährige, die noch einen zweiten Aspekt vorbringt: „In vielen Fächern arbeiten wir mit Büchern, die teilweise älter sind als ich.“ Statistiken und Diagramme seien veraltet und auf Karten würden Länder fehlen, die es heute gebe. „Tut mir leid, aber die Welt hat sich seitdem sehr stark geändert“, resümiert die Schülersprecherin.
Anmerkungen sollen mit in die Kultusministerkonferenz
Den Vorwurf, Schulen sind nicht alltagstauglich, hört sie ganz oft, bekennt Theresa Schopper. Sie wolle nicht ausschließen, dass im Fach Wirtschaft diese Themen zu wenig behandelt werden würden. „Da müssen wir noch mal ran.“ Auch das Thema „Formelsammlung“ will die Soziologin mit in die Kultusministerkonferenz (KMK) mitnehmen. Dennis Löblich hatte diesen Aspekt vorgebracht. Der Diplomingenieur unterrichtet an der Gewerblichen Schule Backnang Mathematik. Im Rahmen der Bildungsplanänderung 2021 habe es eine neue Merkhilfe gegeben. „Früher sagte man Formelsammlung dazu“, so Löblich. Jetzt habe er gelesen, dass sich diese Merkhilfe 2025 wieder ändere, in die IQB-Forrmelsammlung, „die statt 14 Seiten nur noch 6 Seiten hat“, so der Pädagoge. „Warum muss man nach einem Jahr so was wieder ändern?“
Als Appell in Sachen Entbürokratisierung bringt Sonja Conrad folgendes Anliegen vor: Nach fünf Jahren sollten die Schüler doch im Sinne von Nachhaltigkeit die Möglichkeit haben, abgeschriebene I-Pads zu erwerben, so die Schulleiterin des Max-Born-Gymnasiums. Das scheitere aber daran, dass die Geräte im Zuge des Digitalisierungspakts finanziert worden seien. Beim Verkauf müsse sie für jedes Gerät Einzelnachweise liefern. „Das sind Kleinigkeiten, die es einem echt schwer machen“, sagt Conrad. Auch diese Anregung will die Ministerin mit nach Stuttgart nehmen.
Vorbereitungsklassen sind am Limit
Bereits am Vormittag traf sich im Bildungszentrum Weissacher Tal eine große Gruppe mit Bize-Schulleitern, Bürgermeistern und Elternvertretern mit der Ministerin zum Bildungsgespräch. Auch Schülervertreter kamen zu Wort. So „Wie ist ihre Meinung zu Handyregelungen?“ fragte beispielsweise Leonie Kleber. „Bei uns ist das ziemlich streng. Ab 7.25 darf man die innen nicht mehr benutzen und außerhalb erst wieder ab 12.35 Uhr“, so die Schülersprecherin der Gemeinschaftsschule weiter. Theresa Schopper bekennt, dass sie vom alten Schlag ist und ohne Handy aufgewachsen ist. Da sei es auch ohne gegangen. Aber die Zeiten haben sich geändert. „Manche integrieren es in den Unterricht, da kann man kein Handyverbot aussprechen.“ Letztlich müsste das jede Schule für sich regeln. „Und am besten in Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern“, fügt die Ministerin noch an.
Von den Elternbeiräten meldet sich Sabine Elser zu Wort: „Unser wichtigstes Anliegen, das wir Ihnen auf den Weg mitgeben wollen, sind die VKL-Klassen, die aus allen Nähten platzen.“ Die Vorbereitungsklassen (VKL) besuchen Kinder und Jugendliche, die noch wenig oder kein Deutsch sprechen. Vorrangiges Ziel ist, dass nach einer individuellen Förderphase alle Kinder und Jugendlichen am Regelunterricht erfolgreich teilnehmen können. „Die beanspruchen auch die Ressourcen von unseren Schülern, wo wir ja eh schon Lehrermangel haben“, so Sabine Elser weiter. Dazu die Ministerin: „Wir sind da an der Grenze. Wir haben 53000 Kinder in den Schulen in Baden-Württemberg mit einem Fluchthintergrund, vor allen Dingen aus der Ukraine.“ Lange habe sie dafür plädiert, ob sie nicht in ihren Online-Klassen bleiben könnten. Viele Lehrer seien akquiriert worden, viele Pensionäre. Aber weil bei einigen Schülern gar keine Schulkenntnisse vorhanden seien, müsse man nach neuen Wegen suchen.