Kurzzeitvermieter werden nun überwacht
Die Stadt Stuttgart tut sich schwer, das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum zu kontrollieren. Hilfe kommt nun aber von der EU und vom Verwaltungsgerichtshof: Onlineportale müssen ihre Kundendaten herausgeben, und auch sehr langer Leerstand ist nun strafbar.
Von Jörg Nauke
Stuttgart - Anbieter von Ferienwohnungen sollten sich den 20. Mai 2026 dick im Kalender anstreichen. Danach ist es nicht mehr möglich, den Behörden eine lange Nase zu drehen und die kurzzeitige Vermietung über die gesetzliche Dauer hinaus vorzunehmen. Der Bund muss die im Mai in Kraft getretene EU-Verordnung über die „Erhebung und den Austausch von Daten im Zusammenhang mit Dienstleistungen im Bereich der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften“ in nationales Recht umsetzen. Dann kann auch die Stadt Stuttgart die Einhaltung des Zweckentfremdungsverbots wirksamer kontrollieren.
Nach der Verordnung muss eine einheitliche digitale Zugangsstelle eingerichtet werden, die dem elektronischen Austausch von Daten zwischen den Plattformen und den zuständigen Behörden dient. Im Klartext: Darüber erhält dann etwa auch das bisher aus fünf Kontrolleuren bestehende Team im Baurechtsamt Zugriff auf die Buchungsdaten, die ihnen heute vor allem die Branchenriesen vorenthalten, um die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Angebote zu unterbinden. Über dieses scharfe Schwert im Kampf gegen die mit bis zu 50 000 Euro Strafe zu ahndende Zweckentfremdung von Wohnraum hat der stellvertretende Amtsleiter Rainer Grund am Dienstag im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik berichtet.
Zwei Probleme erschweren dem Baurechtsamt, die Einhaltung des seit 2016 geltenden Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum durch kurzzeitige Vermietungen zu überwachen: Es mangelt an belastbaren Daten zu den Vermietungsaktivitäten, weil die Onlineplattformen diese oft nicht weitergeben, wofür sie meist datenschutzrechtliche Bedenken anführen. Außerdem fehlen Prüfungen der Vermietungsangebote durch die Onlineplattformen selbst, weshalb es städtischen Personals bedarf, das das Internet nach illegalen Angeboten durchforstet.
Herzstück der Infrastruktur ist eine einheitliche digitale Zugangsstelle, die auf Ebene der Mitgliedstaaten eingerichtet wird. Sie dient als Zugangstor, über das Behörden auf Buchungsdaten der Portale zugreifen und sich über die Zahl der Nächte und der Gäste schlau machen. Das zweite zentrale Element sind die Registrierungsnummern, deren Verteilung in Stuttgart schon länger erfolgt, aber eben nicht alle Vermieter interessiert.
Unter das Zweckentfremdungsverbot fällt bekanntlich auch, Wohnungen über einen längeren Zeitraum leer stehen zu lassen. Grund hat auch hier gute Nachrichten verkündet: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheit hat nun entschieden, dass auch eine Wohnung, die schon vor Inkrafttreten der Satzung 2016 leer gestanden hat – und immer noch leer steht –, gegen das Verbot verstößt. Der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann freut sich, „denn die Landesregierung sah das bisher anders“. Er hielt es schon immer für abwegig, dass achtmonatiger Leerstand bestraft werden könnte, ein seit acht Jahren währender dagegen nicht.
Die Stadt hat seit 2016 insgesamt 2257 Verfahren gegen Vermieter eingeleitet, in 389 Fällen seien „nachweislich“ zweckentfremdete Wohnungen zurückgewonnen worden. Die Zahl ist nach Ansicht der Ausschussmitglieder so überschaubar wie die rund 30 000 Euro Bußgeld. Rainer Grund versuchte im Ausschuss deutlich zu machen, dass Ziel seines Teams nicht Schikane sei, sondern die Vermieter im Informationsgespräch zu überzeugen, ihre Wohnungen wieder zu belegen. Gelinge dies, fließe das nicht in die Erfolgsbilanz ein.
Von einem „Erfolg“ wollte Luigi Pantisano, anders als die Vertreter der meisten anderen Fraktionen, nicht sprechen. Der Linke-Stadtrat verwies auf die im Zensus ermittelte Zahl von 11 000 leer stehenden Wohnungen in Stuttgart – eine Zahl, die sich seit der letzten Volkszählung nicht verändert hat und fünfmal so hoch ist wie das Neubauziel der Stadtverwaltung, das sie derzeit auch noch verfehlt. Ein Wert von rund 3,5 Prozent des Wohnungsbestands lässt sich nach Ansicht des Pestel-Instituts schon deshalb nicht mit der von Michael Schrade (Freien Wählern) angeführten Fluktuationsreserve für aktuelle Umzüge und Sanierungen begründen, weil es in einer Studie ermittelte, dass 4200 Wohnungen länger als ein Jahr leer stehen. Sie würden dem Markt definitiv nicht mehr zur Verfügung stehen.
Während sich CDU, Freie Wähler und FDP dagegen verwahrten, Wohnungsbesitzer unter Generalverdacht zu stellen, verbotenen Leerstand zu produzieren, hat sich bei den Fraktionen des ökosozialen Bündnisses der Eindruck verfestigt, das Baurechtsamt müsste mehr Motivation an den Tag legen, um die Erfolgsquote zu erhöhen. Die Bezirksvorsteherin von Mitte, Veronika Kienzle (Grüne), die weiß, wie der Zusammenhalt in Gebäuden bröckelt, wo jede dritte Wohnung leer steht, plädiert für eine Kampagne gegen Leerstand. Und sie meint damit nicht noch einen Aufruf, unvermietete Wohnungen und Häuser zu melden, sondern eine Aktion, die positiv an das Verantwortungsgefühl von Hauseigentümern appelliert. Sie hofft, dass die Baurechtsbehörde nun nicht bis Mai 2026 wartet, um in die Gänge zu kommen.