Laienschauspieler mit viel Lust am Spielen

Bürgerpreis 2023 Die Aktiven der Backnanger Bürgerbühne haben keine Angst vor großen Namen und präsentieren seit zehn Jahren im Bandhaus-Theater mit großem Erfolg Stücke von Shakespeare bis Brecht. Die Darsteller sind mit viel Engagement und Herzblut dabei.

Tim Fiechtner, Ralf Kleinpeter, Leonie Bernhardt und Volker Seifert (von links) standen 2022 in Fontanes Klassiker der goldene Topf als Student Anselmus, Konrektor Paulmann, Fräulein Veronika und Archivarius Lindhorst auf der Bühne. Dieses Jahr spielt die Bürgerbühne Romeo und Julia. Nach der Sommerpause gibt es noch acht Aufführungen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Tim Fiechtner, Ralf Kleinpeter, Leonie Bernhardt und Volker Seifert (von links) standen 2022 in Fontanes Klassiker der goldene Topf als Student Anselmus, Konrektor Paulmann, Fräulein Veronika und Archivarius Lindhorst auf der Bühne. Dieses Jahr spielt die Bürgerbühne Romeo und Julia. Nach der Sommerpause gibt es noch acht Aufführungen. Foto: Alexander Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Das Motto des diesjährigen Bürgerpreises ist gewissermaßen ein doppeltes, es lautet: „Kultur fördern und Miteinander stärken.“ Die Backnanger Bürgerbühne entspricht diesem Anforderungsprofil perfekt. Denn einerseits werden mit den Aufführungen seit zehn Jahren Klassiker wie Romeo und Julia, die Dreigroschenoper oder der goldene Topf aufgeführt, andererseits wird bei den Aktiven und Zuschauern gleichermaßen das Miteinander gestärkt. Bei den Aktiven deshalb, weil es sich durchweg um Laiendarsteller handelt, die mit viel Fleiß, Herzblut und Engagement den Werken von William Shakespeare, Theodor Fontane oder Bertolt Brecht wirkliches Leben einatmen. Das gemeinsame Üben über viele Wochen hinweg und das halbe oder gar ganze Dutzend an Aufführungen jedes Jahr sowie natürlich auch das Feiern nach den gelungenen Darbietungen macht aus der einst bunt zusammengewürfelten Gruppe eine eingeschworene Gemeinschaft.

Einer der eifrigsten Schauspieler ist Ralf Kleinpeter, der ebenso wie Sylvia Kappel bereits in neun Produktionen eine tragende Rolle gespielt hat. In diesem Jahr jedoch – Romeo und Julia steht auf dem Spielplan – macht er Pause. Ob das vielleicht daran liegen mag, dass ihm nicht die Rolle des Romeo angetragen wurde? Kleinpeter lacht und erklärt, dass schon seit Langem feststand, dass er dieses Jahr an drei Terminen aus privaten Gründen nicht in Backnang sein kann. Und seine Frau Pia Täpsi-Kleinpeter ergänzt: „Wir konnten in den vergangenen zehn Jahren nirgendwo hin, in keinen Skiurlaub oder so, weil überall die Bürgerbühne im Kalender stand.“

Selbstverständlich ist Romeo und Julia auch so ein Erfolg, denn das Team vom Bandhaus besetzt die Rollen immer passend. Vor jeder neuen Produktion gibt es frühzeitig ein großes Treffen, bei dem Juliane Putzmann und Jasmin Meindl vom Bandhaus-Theater die nächste literarische Vorlage samt möglicher Rollenbesetzung vorschlagen. Die Laienschauspieler qualifizieren sich durch die Lust am Spielen und den Mut, sich in den Prozess einer Theaterproduktion zu begeben. Sie werden dabei so gut es geht unterstützt, erhalten Gesangsunterricht von Gesangslehrerin Catrin Müller oder Sprechtraining mit Zungenübungen. Der Zeitaufwand ist immens. Vor der Premiere gilt es, mindestens sechs Wochen Proben einzuplanen, zum Teil montags bis freitags jeweils vier Stunden. Anfangs müssen nicht alle Akteure an jedem Probetag vor Ort sein, aber das ändert sich immer mehr, je näher die Premiere rückt. In der Woche davor herrscht Anwesenheitspflicht.

Diese gewaltige Anstrengung verbindet und fördert den Zusammenhalt der Theatergruppe. Zumal die Ehrenamtlichen nicht nur proben und aufführen, sondern auch in vielfältiger Weise vor, hinter und neben der Kulisse mithelfen. Etwa beim Bühnenauf- und -abbau, was bei einigen Produktionen wie etwa beim goldenen Topf viel Arbeit bedeutet. So wundert es auch nicht, dass sich die Akteure gegenseitig schminken und überall helfen, wo immer es geht. Nur eines gibt es nicht: Eine Souffleuse. Aber selbst wenn einer der Schauspieler einmal einen Hänger hat und ihm der Text nicht einfällt, so kann sich jeder auf seinen Mitspieler verlassen, die keine langen Pausen zulassen. Einige Hänger haben laut Kleinpeter schon zu prächtigen Spontan-Textinterpretationen geführt, von denen das Publikum meist nichts mitbekommen hat. Auch gibt es keine Zweitbesetzung, sollte einer einmal ausfallen. Aber bislang ist alles gut gegangen.

Neben dem Ensemble, das zurzeit knapp 20 Köpfe zählt, kann sich der 2016 gegründete Verein Bürgerbühne auch auf etwa 50 Mitglieder verlassen. Einige Helfer übernehmen zum Beispiel bei den Vorstellungen den Thekendienst, andere einige der vielen weiteren Aufgaben auch außerhalb des Theaters. Die Bürgerbühne ist etwa beim Straßenfest präsent, am Bandhaus-Theater-Infostand beim Neubürgerempfang oder bei Stadtfesten. Oder auch im künstlerischen Betriebsbüro des Bandhaus-Theaters. Monatlich können so zwischen drei und 30 Stunden ehrenamtliche Arbeit zusammenkommen.

Nahezu sämtlicheAufführungen waren bislang ausverkauft

Andere wie etwa Sylvie Bollinger und Gaby Miletic stehen nicht nur auf der Bühne, sondern sie kümmern sich auch um Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. So flaniert das Duo zum Beispiel vor den Aufführungen im jeweiligen Bühnenoutfit über den Wochenmarkt und macht Lust auf einen Besuch des Theaters, ebenso beim Gänsemarkt oder dem Tulpenfrühling. All das führt dazu, dass sämtliche Produktionen seit der Premiere 2013 sehr erfolgreich waren. So erfolgreich, dass immer im Herbst weitere Aufführungen angeboten wurden, um das Interesse der Backnanger Bürger decken zu können. Die Dreigroschenoper etwa musste 13-mal aufgeführt werden. Und das Stück Pension Schöller von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs unter der Regie von Christian Schidlowsky war so begehrt, dass es an einem Tag sogar zweimal gespielt werden musste, um alle Theaterfreunde beglücken zu können. Ralf Kleinpeter denkt mit Respekt daran zurück: „Da bin ich abends auf dem Zahnfleisch gegangen, das war sehr anstrengend.“

Mit ein wenig Stolz blicken die Laienschauspieler auf ihre Erfolge zurück, zu denen auch gehört, dass sie bei den großen Produktionen des Bandhaus-Theaters wie etwa Judith von Backnang oder der Gänsekrieg an der Seite von Profis mitgespielt haben. Aber vor allem die Liste des eigenen Schaffens hat es in sich. Bei der ersten Produktion der Bürgerbühne, Ein Fußballabend – Das Spiel dauert 90 Minuten, führte Boris C. Motzki Regie. 2014 nahm sich die Bürgerbühne unter der Regie von Isolde Alber dem Stück Was Ihr wollt von William Shakespeare an. Pia Täpsi-Kleinpeter erinnert sich noch gut an ihre erste Reaktion, als sie davon hörte: „Ich dachte mir: Oh Gott, an was trauen sie sich da ran.“

Doch der Erfolg gab dem Ensemble recht. Die 110 Plätze im Theater waren meist ausverkauft. In der darauffolgenden Spielzeit war das Stück Pension Schöller ein wahrer Publikumsrenner. Nach dem Stück Die Dreigroschenoper im Jahr 2017 konnte die Bürgerbühne zum fünfjährigen Bestehen des Bandhaus-Theaters und der Backnanger Bürgerbühne wieder Motzki als Regisseur beim Stück Arsen und Spitzenhäubchen gewinnen. 2019 zeigte die Junge Bürgerbühne, ein Ensemble bestehend aus hauptsächlich jugendlichen Darstellern, die Reise nach Oz unter Regie von Juliane Putzmann. Im gleichen Jahr präsentierte die Bürgerbühne unter der Regie von Christian Schidlowsky die Komödie Mirandolina von Carlo Goldoni.

Die Bürgerbühne ist Mitglied im Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg. Die Mitgliedsbühnen profitieren von dessen Serviceleistungen, dem Fortbildungsangebot sowie der Chance, Netzwerke und Freundschaften in der Region zu knüpfen.

Leserpreis In einer Serie stellen wir die zehn Kandidaten aus unserem Verbreitungsgebiet vor, die beim Bürgerpreis Rems-Murr für den Leserpreis der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung nominiert sind. Abstimmen für den eigenen Favoriten kann man vom 8. bis 17. September auf www.bkz.de.
Laienschauspieler mit viel Lust am Spielen

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Erstellt:
4. September 2023, 14:26 Uhr

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