Land will Stadtjäger etablieren
Probleme mit Wildtieren in Städten nehmen zu – Jäger sollen in der Stadt schießen dürfen
Idee - Landwirtschaftsminister Peter Hauk will die rechtlichen Grundlagen für Stadtjäger schaffen. Er sieht einen großen Bedarf für die Zusatzausbildung, da es immer häufiger zu Problemen mit Wildtieren in bebauten Gebieten komme.
Stuttgart Füchse, die im Garten nach Futter suchen, Waschbären, die Dachisolierungen zerfetzen, Wildschweine, die die Obstwiese vor dem Haus durchwühlen oder Nilgänse, die Liegewiesen in Freibädern mit ihrem Kot verunreinigen: Viele Wildtiere haben längstStädte und Gemeindenals ihr Revier entdeckt. Das zuständige Ministerium sieht Handlungsbedarf: „Dass Wildtiere in die Siedlungsbereiche des Menschen vordringen, ist kein neues Phänomen. Neu sind hingegen Form und Umfang der durch Wildtiere in Siedlungsbereichen ausgelösten Konflikte“, sagt Peter Hauk (CDU), Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz auf Anfrage.
Zahlen liegen dem Ministerium nicht vor. Häufiger würden jedoch Probleme mit Schwarzwild, aber auch Füchsen, Mardern und Gänsen auftreten. Das Problem dabei: Dort, wo Menschen wohnen, im Fachjargon befriedeter Bezirk genannt, ist das Jagen untersagt. Dies gilt beispielsweise auch für Hausgärten und Friedhöfe. Wenn überhaupt, ist dies nur mit einer Ausnahmegenehmigung nötig. „Dies bedeutet, dass eine Abhilfe durch einen Jäger nicht ohne Weiteres möglich ist“, sagt Hauk. Im aktuellenWildtierbericht 2018wird daher empfohlen, das Institut eines Stadtjägers oder einer Stadtjägerin einzuführen. Dafür ist freilich eine Anpassung der Rechtslage nötig. Daran arbeitet das Ministerium gerade. Ziel ist es laut Hauk, dass Jäger mit einer vorgeschriebenen Zusatzausbildung von den Städten und Gemeinden beauftragt werden können, in bestimmten Fällen auch in Siedlungen Wildtiere zu erlegen.
Stadtjäger werden bereits ausgebildet. Zuständig ist der Jagd-Natur- und Wildtierschützerverband. Der stößt damit in eine Lücke, den bislang ist nicht klar geregelt, wer sich um die Wildtiere kümmert, wenn sie die Nähe der Menschen suchen. Der Name Stadtjäger ist zwar plakativ, Ausbildungsleiter Hans-Ulrich Endreß tritt aber gleich einem Vorurteil entgegen: „Das heißt jetzt nicht, weil im Wald und auf der Wiese zu wenig zu holen ist, müssen die Jäger nun in der Stadt schießen.“ Die Schussabgabe sei im Wohngebiet ohnehin nur das letzte Mittel. Der Stadtjäger werde eher auf Fallen und auf die Vergrämung der Tiere setzen. So betreue beispielsweise ein ihm bekannter Stadtjäger 30 bis 40 Fallen in München. Er sehe die Stadtjäger vielmehr als Dienstleister im Auftrag der Kommune.
Endreß spricht daher eigentlich lieber vom Wildtiermanager im Siedlungsraum. Seit zwei Jahren gibt es die Ausbildung, die sich an Jäger richtet, die bereits einen Wildtierschützerkurs (eine Kompaktwoche) absolviert haben. Laut Endreß gibt es bereits 40 geprüfte Stadtjäger, aktuell laufe gerade ein neuer Kurs mit 20 Teilnehmern. Acht Module mit 64 Stunden und anschließender Prüfung sind zu absolvieren. Wildtiere in Siedlungsräumen, Wildtierkrankheiten, Fallensachkunde aber auch Recht und Öffentlichkeitsarbeit sind die Themen, die behandelt werden. Mit im Boot ist unter anderem das Institut für Wildtierökologie der Universität Freiburg.
Eigentlich kann jeder Privatmann einen Jäger beauftragen, wenn auf seinem Grundstück Marder und Fuchs für Unruhe sorgen. Er könnte sogar selbst eine Falle aufstellen, wenn er den nötigen Sachkundenachweis besitzt. „Das ist aber eine riesige Grauzone“, sagt Endreß. Wer nicht das nötige Wissen habe, übersehe rechtliche Vorgaben. Beispielsweise dürfe man einen in einer Falle gefangenen Waschbären nicht einfach an anderer Stelle wieder aussetzen: Das ist strikt verboten. Es brauche natürlich auch jemanden, der sich um die Flächen im städtischen Eigentum kümmere.
Wie hoch der Bedarf an Stadtjägern ist, kann der Revierhegemeister nicht sagen. Klar ist, die rechtlichen Grundlagen müssen noch gelegt werden, noch handelt es sich beim Stadtjäger um keine offizielle Ausbildung. Auch im Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) taucht der Begriff nicht auf. Man sei im Austausch mit dem Ministerium, sagt Endreß und ergänzt: „Da liegt noch einiges vor uns.“ Auch wenn es schon geprüfte Stadtjäger gibt – bei der Stadt Stuttgart sind sie noch nicht im Einsatz, wie Stadtsprecher Martin Thronberens bestätigt. Die Landeshauptstadt verfüge aber über neun Mitarbeiter beim städtischen Vollzugsdienst, die einen Jagdschein haben.