Laserstrahl schickt Daten durchs Weltall
Tesat fiebert dem Start eines in Backnang mitentwickelten Satelliten entgegen – Technik hilft bei der Erdbeobachtung
Auf diesen Tag hat man bei Tesat mit Spannung gewartet: Heute Abend um 21.30 Uhr soll vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana eine Ariane-Rakete starten. An Bord hat sie einen Satelliten namens EDRS-C, der zu großen Teilen in Backnang gebaut wurde. Rund 200 Mitarbeiter haben mehrere Jahre an diesem Projekt gearbeitet.
Von Kornelius Fritz
„Ein Kribbeln ist schon da“, gibt Projektleiter Andreas Käse zu. Zwar haben die Experten die Technik, die jetzt ins All geschossen wird, wieder und wieder getestet, doch letzte Gewissheit, dass alles funktioniert, gibt es erst, wenn der Satellit seine endgültige Position in 36000 Kilometer Höhe erreicht hat. Zuerst muss aber der Start gelingen. Vor vier Wochen ist eine Vega-Rakete mit einem Spionagesatelliten an Bord kurz nach dem Start in Kourou ins Meer gestürzt. Die größere Ariane-Rakete gilt zwar als zuverlässig, doch ein Restrisiko bleibt. Bei Tesats „Launch-Party“ in Backnang werden deshalb sicher die Korken knallen, wenn alles gut gegangen ist.
Nun ist es an sich nichts Ungewöhnliches, dass Tesat-Produkte ins All fliegen. Aktuell kreisen rund 500 Satelliten mit Technik aus Backnang um die Erde. Trotzdem ist dieser Start etwas Besonderes. „In diesem Projekt steckt unsere gesamte Kompetenz“, erklärt Matthias Motzigemba, Bereichsleiter für Kommunikationssysteme. Anders als sonst hat Tesat nicht nur einzelne Komponenten geliefert, sondern die komplette Nutzlast, also alle technischen Geräte, mit denen der Satellit Daten empfangen und senden kann. „Wir haben das System sozusagen schlüsselfertig übergeben“, sagt Andreas Käse. In Bremen wurde es dann nur noch auf den Satelliten montiert. Auch um die anschließenden Tests kümmerte sich ein Team von Tesat.
In Lichtgeschwindigkeit über 45000 Kilometer
Der EDRS-C ist der zweite von insgesamt vier Satelliten für das neue Europäische Datenrelaissystem (siehe Infobox). Ihre Aufgabe ist es, Daten von wesentlich kleineren Erdbeobachtungssatelliten zu empfangen und an die Bodenstation weiterzuschicken. Dieser Umweg ist nötig, weil die kleinen Satelliten die Erde in einer vergleichsweise niedrigen Höhe von 700 Kilometern umkreisen. Für eine Erdumrundung brauchen sie rund 90 Minuten. In dieser Zeit haben sie aber nur etwa zehn Minuten Kontakt zur Bodenstation. Das reicht nicht, um alle gesammelten Daten zu übertragen. Außerdem kommen die Informationen erst mit Verzögerung am Boden an.
Die EDRS-Satelliten schweben hingegen in einer Höhe, in der ihre Umlaufgeschwindigkeit der Erddrehung entspricht. Dadurch stehen sie immer über derselben Stelle und haben ständigen Kontakt zur Bodenstation. Daten können so beinahe in Echtzeit übertragen werden.
Matthias Motzigemba nennt ein Beispiel, wo das von Bedeutung ist: „Ein Erdbeobachtungssatellit kann erkennen, wenn ein Schiff im Meer Öl verklappt.“ Wenn diese Information allerdings erst eine Stunde später auf der Erde ankommt, ist es zu spät, um den Umweltsünder aufzuspüren. Auch die Seenotrettung könne aus dem All unterstützt werden. „Wenn ein Satellit ein Boot in Seenot ortet, kann die Küstenwache sofort alarmiert werden“, erklärt Motzigemba.
Der Datenaustausch zwischen den kleinen und großen Satelliten erfolgt per Laserstrahl – eine Technik, auf die die Backnanger Airbus-Tochter spezialisiert ist. Über eine Entfernung von bis zu 45000 Kilometern können Daten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1,8 Gigabit pro Sekunde verschickt werden.
Mit dem ersten Satelliten, der 2016 ins All geschossen wurde, werden auf diese Weise bereits rund 1000-mal im Monat Informationen übertragen. Mit dem zweiten Satelliten verdoppeln sich jetzt die Kapazitäten. Die Satelliten Nummer drei und vier sollen schließlich bis 2025 über dem Pazifik und über Amerika platziert werden und aus dem europäischen Projekt eine weltumspannende Datenautobahn im All machen.
Türöffner für die Laserkommunikation
Für Tesat ist der Großauftrag auch deshalb so wichtig, weil man bei diesem Projekt die Leistungsfähigkeit der noch relativ neuen Laserkommunikation unter Beweis stellen kann. „Das Projekt ist ein ganz wichtiger Türöffner für diese Technologie“, sagt Andreas Käse. Sollte die Laserkommunikation die bisher üblichen Funkverbindungen verdrängen, wäre das ein enormer Wettbewerbsvorteil für Tesat. „Wir sind nämlich bisher der einzige Anbieter, der ein funktionierendes System im All hat“, erklärt Motzigemba.
Nach dem Start wird es etwa drei bis vier Wochen dauern, bis EDRS-C seine endgültige Position über dem Äquator eingenommen hat, anschließend werden die Tesat-Experten den Satelliten noch mehrere Wochen ausgiebig testen, ehe er dann voraussichtlich im Oktober in Betrieb geht. Mindestens 15 Jahre lang soll EDRS-C dann Daten empfangen und quer durchs All auf die Erde schicken – mit Technik made in Backnang.
Das Europäische Datenrelaissystem (EDRS) ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen der European Space Agency (ESA) und dem Airbus-Konzern. Der Vertrag wurde im Oktober 2011 unterzeichnet. EDRS ist die erste kommerzielle Anwendung optischer Satellitenkommunikation im Weltraum.
Das Programm hat bislang rund 520 Millionen Euro verschlungen, 385 Millionen davon stammen von den 14 beteiligten Staaten, Deutschland trägt mit rund 235 Millionen den Löwenanteil.
Erster Nutzer von EDRS ist das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der Europäischen Union. Mehrere Satelliten vom Typ Sentinel liefern Erdbeobachtungsdaten für den Umweltschutz, zur Klimaüberwachung, zur Einschätzung von Naturkatastrophen und für andere gesellschaftliche Aufgaben.
Die Dienste des EDRS sollen künftig auch anderen Kunden aus aller Welt zur Verfügung gestellt werden.