Lebensgefährlich verletzte Frau gibt sich einsilbig
Zweiter Verhandlungstag vor dem Landgericht: Nur zögerlich gibt das Opfer Einzelheiten der Tatnacht in Aspach preis
Von Hans-Christoph Werner
ASPACH/STUTTGART. Den ganzen zweiten Verhandlungstag über sitzt der 67-jährige Rentner, der seine Frau mit dem Hammer geschlagen haben soll, zusammengesunken zwischen Dolmetscher und seinem Verteidiger. Der Sohn, der Bruder sagen als Zeugen aus.
Ob ihn das irgendwie berührt oder fordert, ist nicht auszumachen. Der Nachbar der Geschädigten, bei dem diese blutüberströmt klingelte, setzte in der Tatnacht den Notruf ab. Stammelnd hatte die Verletzte ihm gesagt: „Mir geht es schlecht. Hilfe...sterben...Ambulanz“. Was vorgefallen war, erzählte sie nicht, vermutete ihren Mann im Keller. Ob denn zuvor, will der Richter wissen, Streit zwischen den Eheleuten zu beobachten war? Der Nachbar kann dazu nichts sagen, man kannte sich nur flüchtig von Begegnungen im Treppenhaus.
Der Sohn des Angeklagten kommt in den Zeugenstand. Es geht noch einmal um den Ablauf der Tatnacht. Der Vater, so gibt der Sohn an, sei bei ihm, der eine kleine Gastwirtschaft besitzt, gegen 16 Uhr eingekehrt. Seit Antritt seines Ruhestandes habe sich der Vater stark zurückgezogen und mehr als zuvor getrunken. Ihm, dem Sohn, ja der ganzen Familie habe das nicht gefallen. Sieben bis zehn Bier, dazu diverse Schnäpse, seien üblich gewesen. Auch im vergangenen Jahr habe es einen erneuten Alkohol-Therapieversuch gegeben. Aber schon nach einem Tag habe der Vater dies abgebrochen. Gegen 1.30 Uhr habe der Sohn sein Lokal verlassen, noch angeboten, den Vater nach Hause zu fahren. Der lehnte ab. Durch Onkel und Schwager habe er dann noch in der Nacht von dem Vorgefallenen erfahren.
Der Richter will wissen, was die Geschädigte, die Mutter, ihrem Sohn über den Hergang erzählt hat. Erst will sie nicht so recht erzählen, gibt dann aber doch gegenüber dem Sohn einige Einzelheiten preis. Durch das laute Schließen der Tür sei sie in der Tatnacht aufgewacht, habe sich beschwert. Ihr Ehemann, der Angeklagte, habe zurückgegeben, sie solle nicht so bellen. Darauf sie: „Du bist der Hund.“ Beim Versuch, das Wohnzimmer zu verlassen, sei sie auf den Hinterkopf geschlagen worden.
Als sie wieder zu sich kam, stand ihr Ehemann noch da, offenbar selbst schockiert. Sie habe ihn gebeten, einen Krankenwagen zu rufen. Er ging, aber nicht, um den Krankenwagen zu rufen, sondern zur Polizei. Wie denn der Vater früher gewesen sei, will der Richter wissen. Nein, keines seiner fünf Kinder habe er je geschlagen. Wie denn jetzt das Verhältnis der Familie zu dem einsitzenden Vater sei, interessiert den Richter. Die Familie sei sehr enttäuscht von ihm, vermisse ihn aber andererseits. Und die Mutter? Sie sei seelisch verletzt, aber liebe ihren Mann. Und das mit dem Fremdgehen der Mutter, was der Ehemann seiner Frau unterstellte? Der Sohn hält das für eine Alkoholfantasie.
Würgemale am Hals sind der Polizistin aufgefallen
Als der Bruder des Angeklagten als Zeuge aussagt, schaltet sich der psychiatrische Gutachter ein. Wie denn ihr gemeinsamer Vater gewesen sei? Streng gibt der Bruder des Angeklagten an. Mehr nicht? Der Psychiater hält dagegen, dass der Angeklagten im Gespräch mit ihm angegeben habe, der Vater sei böse gewesen. Auch das Rätsel der erneuten Eheschließung in Abwesenheit mit der Frau, von der der Angeklagte vor Jahren geschieden wurde und die nun zum Opfer wurde, kann der Bruder des Angeklagten nicht erklären. Bei einer Eheschließung müsse man doch zugegen sein. Eine Polizistin, der Muttersprache der Geschädigten mächtig, war auch bei den Vernehmungen involviert. Gerade zu ängstlich reagierte die im Krankenhaus Befindliche, wenn sie zum Vorfall befragt werden sollte, äußerte mehrfach, dass sie nichts sagen möchte. Die Spurensicherung an ihr lässt sie dann aber doch geschehen. Würgemale am Hals sind der Polizistin aufgefallen. Ob denn die Geschädigte, so will der Verteidiger des Angeklagten wissen, immer korrekt auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht worden sei. In der Form, in der das der Rechtsanwalt wünscht, ist es nicht geschehen. Aber die Polizistin hat bei allem, was mit der Geschädigten gemacht wurde, zuvor gefragt: „Ist das o.k.?“ Ein Rettungsassistent sowie zwei behandelnde Ärzte werden vom Gericht über die Verletzungen der Geschädigten befragt. Eine Fraktur des Schädelknochens und unzählige Platzwunden am Kopf wurden bei der Erstversorgung im Krankenhaus entdeckt. Weil man die Verletzungen als lebensgefährlich einstufte, kam die Patientin auf die Intensivstation. Prellungen am Oberkörper hatte sie davongetragen, die sich nach der Gestalt des Hammers viereckig abzeichneten.
Nach Krankenhaus- und Reha-Aufenthalt habe sich die Geschädigte, so der Sohn, schnell erholt. Ihr gehe es heute gut. Es seien auch keine Schäden zurückgeblieben. Und immerhin seien sein Vater und seine Mutter mittlerweile 46 Jahre verheiratet. Es ist nicht ganz klar, wie er auf diese Zahl kommt. Schließlich war sein Vater acht Jahre lang mit einer deutschen Frau verheiratet. Die Verhandlung wird im April fortgesetzt.