Lebenslänglich für 37-Jährigen
Der Industriemechaniker aus Mundelsheim wurde vom Stuttgarter Landgericht schuldig gesprochen für die Morde an einer 41-jährigen Allmersbacherin und deren neunjährige Tochter. Sein Verteidiger hat angekündigt, in Revision zu gehen.

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Durch die festgestellte Schwere der Schuld käme eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung des Mundelsheimers nicht in Frage. Da sich seinem Mandaten damit keinerlei Perspektive auf eine Rückkehr ins normale Leben biete, will sein Verteidiger in Revision gehen. Archivfoto: A. Becher
Von Bernhard Romanowski
ALLMERSBACH IM TAL/STUTTGART. Wegen Mordes in zwei Fällen sowie wegen Sachbeschädigung muss der 37-jährige Industriemechaniker nun eine lebenslängliche Haftstrafe antreten. Bei der Urteilsverkündung macht Norbert Winkelmann, der vorsitzende Richter der 19. Großen Strafkammer am Stuttgarter Landgericht, die besondere Schwere der Schuld geltend, die der Mundelsheimer auf sich geladen hat, als er im Juni vergangenen Jahres seine 41-jährige Ex-Partnerin und deren neunjährige Tochter in deren Wohnung in Allmersbach im Tal auf brutalste Weise ums Leben brachte.
Der Verurteilte trägt zudem die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Nebenkläger und muss für eine in Gaildorf begangene Sachbeschädigung 30 Tagessätze à zehn Euro, also 300 Euro bezahlen. „Die Unbegreiflichkeit der Taten macht fassungslos, dennoch kommt es zu einer Bewertung und Aburteilung. Die Angehörigen sind Opfer. Sie tragen keine Verantwortung. Das ist das Mindeste, was das Schwurgericht ihnen abnehmen konnte“, so Richter Winkelmann, bevor er das Tatgeschehen auf der Basis der Beweisaufnahme rekapitulierte und die Urteilsbegründung vortrug.
Der 37-Jährige habe in den Jahren zuvor ein normales Leben geführt. Auffällig sei er nur in seinen Beziehungen zu Frauen geworden, in denen er sich „grenzverletzend und übergriffig“ gezeigt habe, so der Richter. Die Besonderheiten seines Lebens – etwa Dinge von der Straße aufzuheben und womögliche Reste daraus zu essen oder Tierschädel zu sammeln – hätten bei der Beurteilung keine Rolle gespielt, erklärte Winkelmann. In der 41-jährigen Allmersbacherin dachte der Mundelsheimer seine Traumfrau gefunden zu haben, wie er das laut Richter bereits öfter gedacht hatte. Er habe seine Freundin in Heilbronn für die Allmersbacherin quasi abserviert und die Wohnung des späteren Opfers zu seinem neuen Lebensmittelpunkt gemacht, so die Auffassung des Gerichts. Auch die Familie der 41-Jährigen, insbesondere deren Bruder und dessen Frau, nahmen den 37-Jährigen gut in ihrem Kreis auf. Doch dessen Persönlichkeitsakzentuierung sorgte bei seiner Partnerin immer häufiger für Unmut und wenig später dann für Streit. Der Mann fühlte sich gegenüber der Tochter seiner Partnerin zurückgesetzt, wollte sich häufiger in deren Erziehung einmischen und die alltäglichen Dinge bestimmen.
Mutter und Tochter wollten daraufhin mehr Freiraum, so Winkelmann weiter. „Ich muss die Reißleine ziehen, um meine Tochter zu schützen“, zitierten demnach Angehörige die 41-jährige Allmersbacherin. Sie konnte sich zwar weiter einen rein freundschaftlichen Kontakt mit dem Mundelsheimer vorstellen. Eine sexuelle Komponente schloss sie aber definitiv aus, auch wenn der damals 36-Jährige von möglichen Sextreffen fantasierte und ein solches auch als Grund angegeben hatte, warum er überhaupt an jenem Juniabend nach Allmersbach gefahren war, obwohl der 41-Jährigen das gar nicht recht war. Diesen Punkt betreffend ließ das Gericht keinen Zweifel daran, dass es den Angaben des Mundelsheimers keinen Glauben schenkte. Vielmehr habe es ihm nicht in den Kram gepasst, dass seine Ex-Freundin an jenem Abend mit einem Bekannten auf der Terrasse Wein trank, so das Gericht. Was passierte, nachdem der Bekannte gegangen und der Mundelsheimer wieder bei der 41-Jährigen aufgetaucht war, rekonstruierte das Schwurgericht anhand des medizinischen Gutachtens.
Sie wollten Menschenleben vernichten. Es kam einer Hinrichtung gleich.
Wie bereits von einer Medizinerin in einer vorigen Sitzung dargelegt, nutzte der Täter offenbar nach einem vorhergehenden Streitgespräch ein Kantholz sowie ein Messer, um die 41-jährige Frau zu töten. Diese versuchte noch, sich nach Kräften zu wehren, hatte jedoch keine Chance. Erst recht nicht ihre neunjährige Tochter, die schlafend im Bett lag, als ihr Schädel mit dem Kantholz zertrümmert und ihr Hals durchschnitten wurde.
„Bewusste Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit in tödlicher Absicht“, so die juristische Formulierung in der gestrigen Urteilsbegründung, die damit ein Mordmerkmal definiert. Neben Heimtücke sieht das Gericht auch das Merkmal „niedrige Beweggründe“ als gegeben an. Ebenso sei nicht zu bezweifeln, dass der Mundelsheimer anschließend versucht habe, in Gaildorf in die Wohnung seiner in Trennung von ihm lebenden Frau zu gelangen, wo er gemäß Polizeiangaben die Tür beschädigte. Das Gericht folgte den Aussagen des psychiatrischen Gutachters, wonach bei dem 37-Jährigen weder eine alkohol- oder drogenbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, noch eine depressive Episode vorgelegen habe. Auch die Sprachnachrichten jenes Abends ließen davon nichts erkennen, so Winkelmann weiter.
Von einer Affekthandlung könne indessen auch keine Rede sein, der spezifische Auslösereiz dafür habe gefehlt. Es habe Zäsuren, also Einschnitte zwischen den einzelnen Handlungsschritten gegeben. Der Täter habe immer Gelegenheit gehabt, sich anders zu entschließen. „Sie gehen zum Auto. Zäsur. Sie nehmen das Kantholz heraus. Zäsur. Sie gehen zurück in die Wohnung des Opfers. Zäsur“, führte Richter Winkelmann diesen Punkt aus. Das Ganze sei zwar nicht von langer Hand geplant gewesen und aus nichtigem Anlass geschehen, dennoch habe es sich ganz klar um ein planvolles Vorgehen und nicht um ein Augenblicksgeschehen gehandelt, so der Vorsitzende: „Sie wollten Menschenleben vernichten. Es kam einer Hinrichtung gleich.“
Positiv für den 37-Jährigen sei zu werten, dass er keine Vorstrafen habe, vorher ein geregeltes Leben führte, durch den genossenen Alkohol leicht enthemmt war, ein Geständnis ablieferte, kurzfristige Tatentschlüsse traf und in seinem Schlusswort „wenigstens einigermaßen entschuldigende Worte“ fand, so Winkelmann. Negativ sei hingegen unter anderem, die Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Taten, dass es mehrere Opfer gegeben habe, und das Leid der Familie durch den Verlust der Lieben. Ein Ansatzpunkt für eine Unterbringung des Mundelsheimers in einer psychiatrischen Hafteinrichtung sei nicht gegeben, so Winkelmann abschließend.
Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld macht eine vorzeitige Haftentlassung des 37-Jährigen auf Bewährung unwahrscheinlich. Dessen Verteidiger, der Stuttgarter Rechtsanwalt Boris Müller, hatte darauf plädiert, die Taten als eine zu bewerten und von der besonderen Schwere der Schuld abzusehen, um seinem Mandanten eine Perspektive für die Zukunft zu lassen. Müller hat gegenüber unserer Zeitung angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, wird dann vom Oberlandesgericht rein auf Rechtsfehler überprüft, ohne den Fall noch einmal inhaltlich aufzurollen.
Jens Rabe aus Waiblingen, der die Angehörigen der Opfer als Nebenkläger vertritt, nannte das Urteil „wohltuend für die Nebenklage“ und sprach von einer „wuchtigen Urteilsbegründung, in der die Situation der Angehörigen gesehen und gewürdigt wurde“. Die Mutter respektive Großmutter der beiden Mordopfer, die bei der erneuten Schilderung des Tathergangs eine Kreislaufschwäche erlitten hatte, sagte zum Prozessende: „Die Leere und das Vermissen bleibt.“