Leidgeprüfte Anhänger bleiben dem VfB treu
Die Vertreter von Fanclubs und der Wirt einer Fankneipe gewähren Einblicke in ihre Gefühlswelt nach dem Bundesliga-Abstieg
Bitter enttäuscht waren sie schon, als der erneute Abstieg des VfB Stuttgart besiegelt war. Bald fanden die leidgeprüften Fans des taumelnden schwäbischen Fußballriesen ihre Fassung aber wieder, was auf gewisse Gewöhnungseffekte hindeutet. Was ist zu tun, um wie 2017 den direkten Wiederaufstieg zu packen? Gehen die Zuschauer den Weg ein zweites Mal mit? Unsere Zeitung hat Fanclub-Vertreter und andere treue Anhänger befragt.

Auf die Unterstützung seiner Fans – auch aus Backnang – konnte sich der VfB beim Relegationsspiel in Berlin erneut verlassen. Foto: M. Hägele
Von Steffen Grün
BACKNANG. Zu denen, die den Brustring praktisch eintätowiert haben, zählt Frank Mayer. Der Vorsitzende des 1988 gegründeten VfB-Fanclubs Schwabenfront Backnang hat mit seinem Herzensverein schon viele Erfolge und Enttäuschungen erlebt. Den zweiten Abstieg in die Zweite Bundesliga binnen drei Jahren nahm er relativ gefasst zur Kenntnis. „Man stumpft etwas ab“, erklärt der Familienvater aus Unterweissach: „Für mich war der Abstieg 2016 schlimmer.“ Dieses Mal habe es sich frühzeitig angedeutet und mit 28 Punkten aus 34 Saisonspielen „hat man im Oberhaus eigentlich ohnehin nichts zu suchen“.
Immerhin reichte es für die Relegation, doch in den Duellen mit Union Berlin bewiesen Stuttgarts schwächelnde Stars erneut, wie weit ihre Ansprüche und die Realität auseinanderklaffen. „Sie waren bemüht, aber es war zu wenig“, sagt Frank Mayer: „Der Aufstieg für Berlin ist verdient.“ Der 48-Jährige verlangt Konsequenzen: „Der Verein muss auf den Kopf gestellt und jede Position hinterfragt werden – angefangen beim Präsidenten.“ Zwei Funktionärskollegen von Wolfgang Dietrich haben dagegen sein volles Vertrauen: „Ich hoffe sehr, dass Thomas Hitzlsperger und Sven Mislintat diesen Scherbenhaufen zusammenkehren können, damit wir die Kurve kriegen und wieder aufsteigen, aber es wird schwierig.“ Er nennt Nürnberg, Hannover, Hamburg und Heidenheim als Rivalen.
Den HSV sieht Johannes Hermann vom Fanclub Weiß-Rote Schwoba Leutenbach als „warnendes Beispiel“ für Träumer, die den sofortigen Wiederaufstieg als Selbstläufer wahrnehmen. Anders als nach dem Abstieg vor drei Jahren, als der VfB plötzlich ohne Präsident, Trainer und Sportdirektor dastand und sich komplett runderneuern musste, seien die Strukturen jetzt allerdings vorhanden, erkennt der 49-Jährige einen wichtigen Unterschied zu damals und macht damit zugleich klar, dass er von der beliebten Suche nach Sündenböcken ziemlich wenig hält. Der Abstieg werfe den Verein zwar wieder richtig weit zurück, aber es sei in den letzten Jahren „nicht alles falsch gemacht“ worden. Der VfB sei finanziell gut aufgestellt, weshalb Hermann auch zwei „Vorbilder“ hat, wie es selbst nach mehreren Abstiegen rasch wieder steil bergauf gehen kann: „Gladbach und Frankfurt, vor allem Gladbach.“
Siegfried Riese empfiehlt den Machern auf dem Cannstatter Wasen, „gute und hungrige Spieler zu holen und das Team mental auf die Herausforderung Zweite Bundesliga einzustellen“. Der Vorsitzende des VfB-Fanclubs Feuer & Flamme Backnang erwartet einen „überschaubaren Umbruch“ im Kader, der die Defizite beheben sollte, die ihm in dieser Saison sauer aufgestoßen sind. „Da war teilweise kein Kampf, kein Zusammenhalt, gar nix“, ärgert sich Riese, „die Leistung muss um 150 Prozent steigen, sonst klappt es nicht mit dem Wiederaufstieg“. Auf der Führungsebene rechnet der 52-Jährige dagegen nicht mit personellen Konsequenzen.
Anders als Michael Hägele, der Wirt der Fankneipe Kick and Rush, der mit einer über 30-köpfigen Gruppe auch beim Relegationsrückspiel in Berlin live dabei war. „Ich denke, dass der Präsident zurücktreten muss, um eine Aufbruchstimmung zu erzeugen“, sagt der 51-Jährige, der seit 35 Jahren Mitglied ist: „Ich persönlich habe nichts gegen ihn, aber es muss Ruhe reinkommen ins Verhältnis zwischen dem Verein und den Fans.“ Er glaube an den direkten Wiederaufstieg, weil der VfB über die nötigen Finanzen verfüge und auf die Unterstützung der Fans bauen könne. Als sich bei ihm selbst die erste Enttäuschung über den abermaligen Abstieg gelegt hatte, „war es okay – im Wissen, wie schön es in Liga zwei wegen der vermehrten Siege und den ungewohnten Auswärtsspielen in stimmungsvollen Stadien sein kann“.
Ein Aspekt, den auch Mayer untermauert: „Ich freue mich auf die Derbys gegen Heidenheim und Karlsruhe und auf das Spiel in Aue, weil wir da eine Fanfreundschaft haben.“ Der Schwabenfront-Chef rechnet zwar nicht mit einer Euphorie wie nach dem ersten Abstieg, „weil im ganzen Verein eine schlechte Grundstimmung herrscht, aber ich habe immer eine Dauerkarte, auch in der Zweiten Bundesliga“. Die Rückmeldungen der anderen Mitglieder seien ähnlich, dasselbe berichtet auch Riese. Auf seine Fans scheint sich der VfB Stuttgart erneut verlassen zu können.

© Sportfotografie Alexander Becher
Siegfried Riese

Frank Mayer

© Tobias Sellmaier
Michael Hägele