„Ortstermin“ unserer Zeitung im Opernhaus
Leserinnen und Leser nah dran am Stuttgarter Ballett
Beim „Ortstermin“ unserer Zeitung teilte Ballettlegende Marcia Haydée persönliche Erinnerungen mit Leserinnen und Lesern. Eine perfekte Einstimmung auf die folgende Generalprobe von „Mahler x 3 Meister“.
Von Andrea Kachelrieß
Viele wollten bei diesem „Ortstermin“ unserer Zeitung dabeisein, doch die Plätze im Oberen Foyer des Opernhauses sind begrenzt. Umso glücklicher waren die hundert Leserinnen und Leser, die teilnehmen konnten, als hier am Vorabend der Premiere „Mahler x 3 Meister“ Ballettgeschichte greifbar wurde. Denn mit Marcia Haydée saß ihnen am Dienstag eine Zeitzeugin gegenüber, die persönliche Erinnerungen mit allen drei Stücken verbindet. Und die, unterstützt von Tamas Detrich, Intendant des Stuttgarter Balletts, und befragt von Nikolai B. Forstbauer, Autor dieser Zeitung, sehr emotional in die bevorstehende Generalprobe einführen konnte.
Mahlers Musik verbindet MacMillan, Béjart und Cranko. „Sie ist eine Herausforderung, um in der Gruppe zu tanzen!“, erinnerte sich Tamas Detrich an seine erste Begegnung mit dem „Lied von der Erde ; sich zählend im Rhythmus zurechtfinden, wie es Tänzer tun, war schwierig. „Ich musste für jemand Verletztes einspringen und schnell verstehen, wie diese Musik atmet und schwebt, wie sie hin- und herschwenkt wie das Leben selbst.“
Wie der Tanz lebt auch die Musik. „Sie wird anders gespielt als vor dreißig Jahren“, hat Detrich festgestellt, als seine Kompanie am Dienstagmorgen erstmals mit der Aufnahme einer Orchesterprobe arbeitete. Und es wird anders getanzt, wie Marcia Haydée erläuterte: „Körperlich und technisch bringen die Tänzer heute ganz andere Qualitäten mit.“
Marcia Haydées Wissen ist immer noch wichtig
Auch die Übernahme von MacMillans 1965 in Stuttgart entstandenem Meisterwerk durch das Royal Ballet hatte „Das Lied von der Erde“ verändert, wie Tamas Detrich andeutete. Für die Einstudierung der Ur-Fassung sei Marcia Haydée deshalb unerlässlich gewesen, so Detrich. Und die Ballettlegende bleibt auch mit 87 Jahren begeistert: „Ich bin immer froh in Stuttgart zu sein.“
Um die Frage, wie man ein Ballett am besten zurück auf die Bühne bringt, ging es auch bei Crankos „Spuren“. Zum 50. Todestag des Choreografen 2023 fand Tamas Detrich die Zeit reif, wie er schilderte, um einen neuen Blick auf sein letztes Werk zu werfen. Wegen mangelnder Dokumentation konnte zwar nur ein Auszug rekonstruiert werden. Dessen Präsentation bei einer Gala fand aber viel Nachhall. „Ich wurde auf der Straße darauf angesprochen“, sagte Detrich. Und so holte er „Spuren“ zurück.
Als „hochaktuell in der gesellschafts- und weltpolitischen Lage“, beschrieb Nikolai B. Forstbauer „Spuren“. Cranko sei sich der Wucht des Balletts, bei der Premiere als „KZ-Stück“ abgetan, bewusst gewesen, so Marcia Haydée: „,Was habe ich da gemacht?, fragte er mich, als alles fertig war.“ Seine Reaktion auf ein buhendes Publikum bewegt sie bis heute: „Er war so bestürzt, dass wir drei Solisten nach vorn gingen, um uns zu ihm zu stellen.“ Umso versöhnlicher empfand sie dann den Erfolg von „Spuren“ bei der USA-Tournee.
Blick in die Zukunft
Versöhnliche Töne strebt auch Tamas Detrich mit „Mahler x 3 Meister“ an. „Hoffnung, das ist für mich die Botschaft des ganzen Abends“, sagte er. „Tanz hat Flügel, die uns in die Zukunft tragen.“ Die präsentiert sich bestens für seine Kompanie, wie er dem Ortstermin-Publikum verrät, bevor er es gut vorbereitet in die Generalprobe entlässt. Eine USA-Tournee stehe an, auch der „Cranko“-Film soll mitreisen. Zudem bereiteten zwei Filmemacher aus New York eine Dokumentation über das Stuttgarter Ballett vor. Dessen Erfolgsgeschichte sei einmalig; da gibt auch der Ortstermin-Applaus Marcia Haydée recht.