„Von Thekenperlen und anderen Leckerbissen“ im Studio-Theater

Loblied auf die kleine Kneipe

Oliver Köhler und Christopher Wittkopp feiern im Studio-Theater in Stuttgart die untergegangene Kultur der kleinen Kneipen und Spelunken – und vor allem einen speziellen Leckerbissen.

Die Kneipe als Kulturgut: Oliver Köhler und Christopher Wittkopp

© Benjamin Wendel

Die Kneipe als Kulturgut: Oliver Köhler und Christopher Wittkopp

Von Thomas Morawitzky

Da stehen sie, in Uniformen der Heilsarmee, und loben das Ei. Genauer: das Solei. Was ein Solei ist und wie es hergestellt wird, das erfährt das Publikum im Studio Theater, beim Kneipen-Theater-Abend „Von Thekenperlen und anderen Leckerbissen“, der nun Premiere feierte. Oliver Köhler und Christopher Wittkopp haben diesen ungemein skurrilen Abend zusammengestellt als eine Hommage an eine untergegangene Kultur – die der kleinen Kneipen und Spelunken, in denen sich einst alle Welt traf, ob nun Chefarzt oder Bauarbeiter, um dort ein frühes oder spätes Bier zu schlürfen.

Das Solei, nach Rezept von Oma Gerda, war ein wichtiger Bestandteil dieser Welt, durfte nicht fehlen im Hungerturm, der mehrstöckigen Vitrine, die, vornehmlich im Ruhrpott oder in Berlin, auf den Theken stand und Nahrungsmittel für Kneipengänger bereithielt. Gesetze, die den Verkauf von Speisen reglementieren, machten der Kneipenkultur den Garaus, so die These.

Pils-Gerd und Malteser-Olsen

Oliver Köhler und Christopher Wittkopp begegneten sich zuerst im Studio-Theater, wirken mit beim Kinderstück „Momo“. Ihr Kneipenprogramm entwickelten sie in den Wagenhallen, präsentierten es dort zuerst. Nadine Klante, Co-Intendantin am Studio- Theater, sorgte für die szenische Einrichtung – und nun entfaltet sich ebendort die seltsam schöne Welt, die Wittkopp als Texter, Köhler als Puppenspieler und Bastler kreierten. Beide treten auf als Pils-Gerd und Malteser-Olsen, einzige Mitglieder des Vereins zur Erhaltung des Soleis als Kulturgut. Sie sitzen beisammen, halten ihre Jahreshauptversammlung ab, gedenken ihrer verstorbenen Mitglieder, zitieren Borchert, Mörike, Erich Fried und Heinz Ehrhard, tauchen ein in ein Milieu, wie gezeichnet von Heinrich Zille, stimmen „Bella Ciao“ an oder einen Hit von Matthias Reim, lauschen dem Ave Maria oder der Berliner Kneipen-Chanteuse Claire Waldoff, die knisternd singt „Wer schmeißt denn da mit Lehm“.

Launige Dialoge und Improvisationen

Sie philosophieren, erzählen, lassen Originale auftreten. Sie blicken, mit Puppenspiel, Rezitation, launigen Dialogen und Improvisationen in schummrige Ecken, in denen Menschen sich begegneten und das Leben weiterging. Sie möchten ihr Programm künftig nicht nur am Theater spielen, sondern auch an echten „Unorten“, Kneipen beispielsweise. Zuletzt blasen sie gemächlich ein riesenhaftes Ei auf und verabschieden sich, ganz beiläufig.

Von Thekenperlen und anderen Leckerbissen: wieder am 8. und 9. Mai, 20 Uhr, Studio-Theater

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Erstellt:
16. März 2025, 16:16 Uhr

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