Luftfilter für Schulen: Engpässe bei Geräten möglich

dpa/lsw Stuttgart/Ludwigsburg. Schulen in ganz Deutschland sollen im Kampf gegen Corona mit Luftfiltergeräten ausgerüstet werden. Ob der große Bedarf überhaupt schnell gedeckt werden kann? Riesige Nachfrage bei ungünstigen wirtschaftliche Rahmenbedingungen lässt das fraglich erscheinen.

Ein mobiles Luftfiltergerät steht in einem Klassenzimmer. Foto: Henning Otte/dpa/Archivbild

Ein mobiles Luftfiltergerät steht in einem Klassenzimmer. Foto: Henning Otte/dpa/Archivbild

Die Ausstattung der Schulen in Deutschland mit mobilen Luftfiltergeräten für den Coronaschutz wird nach Einschätzung eines der führenden Hersteller weit ins kommende Schuljahr reichen. „Es wird nicht funktionieren, dass alle Klassenräume schnell versorgt werden“, sagte Jan-Eric Raschke, Direktor für Luftfilter-Systeme bei Mann+Hummel. „Ein Vorlauf ist nötig.“ Der Filterspezialist aus Ludwigsburg hat „einige Tausend“ Geräte für Schulen auf Lager. Aufgrund des seit einigen Wochen sprunghaft gestiegenen Interesses werde die weltweite Geräteproduktion hochgezogen. Es existieren allerdings noch weitere Wettbewerber im Markt.

Aktuell könne das Familienunternehmen mit den Schwerpunkten saubere Mobilität, saubere Luft und sauberes Wasser die Nachfrage bedienen, sagte Raschke. „Sollten jedoch auf einen Schlag ein Großteil der Schulen in Deutschland mit mobilen Geräten ausgestattet werden, dann wird es bei hochwertigen Geräten zu Lieferengpässen kommen.“ Bereits jetzt meldeten einige namhafte Zulieferer Probleme. Sie rechneten mit mehreren Monaten Lieferzeiten für ihre Komponenten wie Steuereinheiten oder Lüfter. Raschke: „Hier wird ein Flaschenhals entstehen.“

Allein in Baden-Württemberg gibt es 70.000 Klassenzimmer. Elternvertreter und Lehrerverbände wollen möglichst viele mobile Raumluftreiniger noch während der Sommerferien installiert wissen. Nur so könne zum Schulstart in sechs Wochen der maximale Schutz für den wichtigen Präsenzunterricht gewährt sein, betont etwa der Philologenverband (PhV). Aus Sicht des Verbandes Bildung und Erziehung ist die Pandemie noch nicht vorüber. „Es geht darum, die Schulen langfristig krisenfest zu machen und alles daran zu setzen, in einer möglichen vierten Welle die Schulen offen zu halten“, sagte der Sprecher des Lehrerverbandes, Jens Linek. Doch für die technische Ausstattung aller Räume fehle das Geld, kritisierte Linek.

Doch dies würde aus Sicht des Gemeindetags den Rahmen sprengen. Verbandspräsident Steffen Jäger will den Einsatz mobiler Luftfilter auf die Räume reduziert wissen, die durch Fenster nicht wirksam belüftbar sind. Für die übrigen Räume sollten die ebenfalls förderfähigen CO-2-Ampeln beschafft werden. „Alles andere ignoriert die Marktverfügbarkeit und stellt etwas ins Schaufenster, was flächendeckend nicht erreichbar und in den Augen vieler Experten auch nicht erforderlich ist“, sagte er. Lüften bleibe in jedem Fall zwingend erforderlich.

Der VBE konterte: „Mit dieser Entscheidung zieht sich der Gemeindetag aus der Verantwortung“, sagte Vizeverbandschef Oliver Hintzen. Er forderte einen Krisenstab von Sozial-, Kultusministerium, Gesundheitsämtern, Schulen und Kitas, in dem dann auch über Kosten und Wirksamkeit von Luftfiltern in Schulen und Kindergärten diskutiert werden könne.

Das geplante Landesprogramm sieht eine Förderung von 60 Millionen Euro für Luftreinigung für Schulen und 10 Millionen Euro für Kitas vor. Vorrangig sollen Geräte in schlecht belüftbaren Räumen und Klassenzimmern der Stufe eins bis sechs angebracht werden. Für diese jüngsten Schüler gibt es keine Impfung. Hinzu kommen 20 Millionen Euro vom Bund. Im Raum steht eine 50-Prozent-Beteiligung des Landes an den Kosten, die den kommunalen Schulträgern entstehen. Doch da die Förderrichtlinie noch in der Endabstimmung sei, könne dieser Prozentsatz nicht bestätigt werden, hieß es im Kultusministerium. Nach Berechnung des PhV müssten für eine umfassende Ausstattung 280 Millionen Euro bereit gestellt werden. Der Städtetag will auch nicht auf Strom- und Wartungskosten der Geräte sitzen bleiben.

Dessen Bildungsexperte Norbert Brugger wünscht sich eine schnelle Veröffentlichung der Förderrichtlinie: „Die Kommunen brauchen dringend Informationen, welche Kriterien förderfähige Geräte erfüllen müssen, damit sie bestellen können.“ Zugleich warnt der Verband vor überzogenen Erwartungen: Die lediglich Luft umwälzenden Geräte seien kein Garant gegen Schulschließung, sondern eine Ergänzung aller anderen Hygienemaßnahmen.

Auch aus Sicht der Ludwigsburger Firma mit 22.000 Mitarbeitern ist das Lüften trotz der Verwendung von Luftreinigern nicht obsolet. Es sei weiterhin notwendig - zum Beispiel in den Pausen, sagte Raschke. „Dank der verbauten Filter, die 99,995 Prozent der Viren, Bakterien und Allergene abscheiden, kann der "Übertragungsweg Luft" aber nahezu ausgeschlossen werden.“ Die Intervalle zwischen dem Lüften würden dadurch deutlich verlängert.

In Fellbach sollen 300.000 Euro in Luftreinigung und CO-2-Sensoren investiert werden. Dort nehmen bereits Mitarbeiter des Hochbauamtes alle Klassenräume unter die Lupe und kategorisieren sie je nach Belüftungsmöglichkeiten. 48 Räume gelten als schwer belüftbar.

© dpa-infocom, dpa:210729-99-590487/3

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Erstellt:
29. Juli 2021, 06:41 Uhr

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