Bessere Luftqualität im Südwesten im ersten Halbjahr

dpa/lsw Stuttgart. Über stickige Luft, Folgen für die Gesundheit und Gegenmaßnahmen wie Dieselverbote ist in den vergangenen Jahren heftig gestritten worden. Einige Streits landeten sogar vor Gericht. Nun liegen aktuelle Werte vor. Ein neuer Faktor spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Autos fahren an einer Messstation vorbei. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Symbolbild

Autos fahren an einer Messstation vorbei. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Symbolbild

Nicht zuletzt infolge der Corona-Pandemie sind die Schadstoffwerte in der Luft in baden-württembergischen Städten im ersten Halbjahr gesunken. Nur an der Messstelle Schlossstraße in Ludwigsburg wurde mit 46 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) je Kubikmeter im Halbjahresmittel eine Konzentration über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm gemessen, wie das Verkehrsministerium in Stuttgart am Montag mitteilte. In Stuttgart sei exakt dieser Wert an der Talstraße und der Pragstraße festgestellt worden. Am Neckartor war er mit 36 Mikrogramm niedriger - wie an vielen anderen Orten. Die oppositionelle FDP forderte prompt Konsequenzen.

Der Rückgang des Verkehrsaufkommens durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie habe auch zu den guten Werten geführt, erklärte Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) laut Mitteilung. „Das zeigt: Wir müssen unserer Linie folgen und mehr in den Umweltverbund investieren, weiter Anreize sowie Angebote schaffen, um vom Auto umzusteigen - das nützt nicht nur der Luftqualität, sondern auch dem Klima.“ Der motorisierte Kfz-Verkehr gilt demnach als Hauptverursacher für die Belastung durch Stickstoffdioxid.

Minister Winfried Hermann (Grüne) sieht in den gesunkenen Schadstoffwerten auch eine Bestätigung für die Politik der Regierung, die etwa Tempo 40, den Ausbau des Fuß- und Radverkehrs sowie des öffentlichen Verkehrs, Filter und schadstoffarme Fahrzeuge fördert. „Wir sind auf einem guten Weg, den Grenzwert für den Stickstoffdioxid (NO2)-Jahresmittelwert noch in diesem Jahr, spätestens aber nächstes Jahr im ganzen Land flächendeckend einzuhalten“, erklärte Hermann.

Vor fünf Jahren noch war der Grenzwert für NO2 im Jahresmittel den Ministeriumsangaben zufolge in 18 Städten in Baden-Württemberg überschritten worden, 2019 noch in vier Städten. Im vergangenen - ebenfalls schon von Corona geprägten Jahr - war der Grenzwert nur noch in Stuttgart und Ludwigsburg auf einzelnen Straßenabschnitten mit zusammen knapp 800 Metern Länge gerissen worden.

Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christian Jung, forderte Hermann auf, das flächendeckende Diesel-Fahrverbot in der „kleinen Umweltzone“ in Stuttgart wieder aufzuheben. Würden die Grenzwerte für Stickoxide absehbar weiterhin überall eingehalten und sogar deutlich unterboten, „müssen Fahrverbote wieder aufgehoben werden“. Sie seien in keiner Weise verhältnismäßig. „Es ist also höchste Zeit, dass Minister Hermann aktiv wird.“

Nach Schätzungen der EU-Kommission gehen jährlich etwa 400.000 vorzeitige Todesfälle in der EU auf Luftverschmutzung zurück. In Deutschland seien bis zu 70.000 darauf zurückzuführen.

Der Europäische Gerichtshof hatte im Juni geurteilt, Deutschland habe jahrelang zu wenig getan, um die Bürger in vielen Städten vor Stickstoffdioxid zu schützen. Damit habe die Bundesrepublik EU-Recht gebrochen (Rechtssache C-635/18). Allerdings bezog sich das Urteil auf Schadstoffwerte aus den Jahren 2010 bis 2016.

Ende Mai hatte das Bundesverwaltungsgericht die Stadt Ludwigsburg dazu verurteilt, ihren Luftreinhalteplan zu überarbeiten - aber nicht zwingend mit Diesel-Fahrverboten zu ergänzen. Eine solche Anordnung wäre unverhältnismäßig, weil die Einhaltung des Grenzwertes von 40 Mikrogramm NO2 im Jahresmittel in Kürze absehbar sei, urteilten die Leipziger Richter (Az.: BVerwG 7 C 2.20). Geklagt hatte - wie in zahlreichen anderen Städten - die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

© dpa-infocom, dpa:210906-99-114794/3

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Erstellt:
6. September 2021, 16:00 Uhr

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