Neuer Konflikt in Syrien

Machtkampf zwischen Israel und Türkei in Syrien

Jerusalem wirft Ankara Hegemonialpläne vor und greift Luftwaffenstützpunkt an.

Zwei syrische Armeeoffiziere inspizieren den Ort eines israelischen Angriffs auf einen Militärflughafen in der Nähe von Hama.

© AP/Uncredited

Zwei syrische Armeeoffiziere inspizieren den Ort eines israelischen Angriffs auf einen Militärflughafen in der Nähe von Hama.

Von Thomas Seibert

In Syrien eskaliert ein Machtkampf zwischen Israel und der Türkei. Israelische Kampfjets bombardierten jetzt einen syrischen Stützpunkt, auf dem die Türkei ein Luftabwehrsystem stationieren wollte. Jerusalem wirft Ankara vor, Syrien zu einem „türkischen Protektorat“ machen zu wollen. Die türkische Regierung kontert, Israel destabilisiere den neuen syrischen Staat. Vermittler im Streit zwischen den zwei Verbündeten des Westens sind nicht in Sicht.

„Israel und die Türkei sind die zwei mächtigsten Staaten der Region und wollen sich durchsetzen“, sagt der Nahost-Experte Simon Waldmann vom Londoner King’s College. Die Türkei wolle eine beherrschende Rolle beim Wiederaufbau Syriens spielen, sagte Waldmann unserer Zeitung. Israel wolle nach dem Hamas-Überfall vom Oktober 2023 jede Gefahr für seine Sicherheit ausschließen und Syrien deshalb möglichst schwach halten.

Israels misstraut neuer syrischer Führung

Schon in der Zeit des Diktators Baschar al-Assad konnte Israel mit Billigung von Syriens damaligem Partner Russland immer wieder pro-iranische Stützpunkte in Syrien angreifen. Seit dem Sturz von Assad und dem Abzug der russischen Soldaten aus Syrien haben die israelischen Jets ihre Angriffe verstärkt und treffen auf keinen nennenswerten Widerstand, weil Syrien keine eigene Luftabwehr besitzt. Der Syrien-Experte Charles Lister vom Nahost-Institut in Washington hat seit Dezember rund 730 israelische Luftangriffe in Syrien gezählt. Darüber hinaus haben israelische Bodentruppen einige Gebiete im Südwesten Syriens besetzt.

Das Misstrauen gilt nicht nur dem Erzfeind Iran, der unter Assad einer der Hauptunterstützer Syriens war. Israel betrachtet auch die neue syrische Führung unter Präsident Ahmed al-Scharaa und seiner islamistischen HTS-Miliz als Gefahr. Zudem hat Jerusalem den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Verdacht, den türkischen Einfluss in Syrien ausweiten und damit bis an die Grenzen Israels rücken zu wollen. Erdogan ist international einer der schärfsten Kritiker des israelischen Krieges in Gaza und befehligt die zweitstärkste Armee der Nato.

Israels Verteidigungsminister Israel Katz sagte jetzt, sein Land werde es nicht zulassen, dass es von Syrien aus bedroht werde. Außenminister Gideon Saar sagte, Erdogan wolle in Syrien ein „türkisches Protektorat“ errichten.

Ankara sucht in Syrien Verbündete

Je schwächer Syrien unter Scharaas Regierung bleibt, desto besser ist das aus israelischer Sicht. Die Türkei strebt in Syrien das Gegenteil an: einen starken, geeinten, von sunnitischen Muslimen beherrschten und mit Ankara verbündeten Staat. Im Norden Syriens sind türkische Truppen stationiert. Ankara unterhält enge Verbindungen zu Scharaas Regierung, will beim Wiederaufbau des Bürgerkriegslandes mitverdienen und den türkischen Einfluss ausweiten. Das Nahost-Nachrichtenportal Middle East Eye (MEE) meldete vor einigen Tagen, die türkische Armee wolle den Luftwaffenstützpunkt al-Thias – auch bekannt unter der Abkürzung T4 – nahe der antiken Stadt Palmyra in Zentralsyrien übernehmen.

Auf dem Stützpunkt sollen demnach Luftabwehrsysteme stationiert werden, mit denen türkische Militärs den Luftraum in der Gegend sichern wollen. Die Regierung in Ankara bestätigte das nicht, doch Israel hält die Pläne offenbar für weit gediehen: Als israelische Kampfflugzeuge diese Woche wieder in Syrien angriffen, war auch die Basis T4 unter den Zielen. Die Bombardements seien eine Botschaft an die Türkei gewesen, meldete die „Jerusalem Post“ unter Berufung auf Regierungskreise: „Baut keinen Stützpunkt in Syrien und greift nicht in Israels Aktivitäten im syrischen Luftraum ein.“

Die türkische Regierung forderte nach den jüngsten Luftangriffen den Abzug Israels aus Syrien. Israel sei zur größten Bedrohung der regionalen Sicherheit geworden, erklärte das Außenamt in Ankara. Die israelische Politik führe zu Destabilisierung und Chaos und „nährt den Terrorismus“.

Misstrauen und Befürchtungen wegen der Machtausweitung eines internationalen Rivalen bestimmt nicht nur die Syrien-Politik Israels, sondern auch die der Türkei. Erdogan sagte nach den israelischen Luftangriffen im Libanon im Herbst, die israelische Regierung werde von religiösem „Fanatismus“ getrieben und werde nach den Konflikten in Gaza, dem Westjordanland und dem Libanon das Territorium der Türkei ins Visier nehmen.

Die neue Eskalation zwischen der Türkei und Israel sei gefährlich, sagt Howard Eissenstat, Türkei-Experte an der St-Lawrence-Universität in den USA und am Institut für Türkei-Studien der Universität Stockholm. Sollte bei einem israelischen Angriff ein türkischer Soldat getötet werden, könnte das „katastrophale Folgen“ haben, besonders weil Erdogan einen solchen Zwischenfall innenpolitisch nutzen könnte, sagte Eissenstat unserer Zeitung.

Die USA als Hauptverbündeter beider Staaten könnte mäßigend wirken, meint Eissenstat. Allerdings sei die Regierung von Präsident Donald Trump mit vielen anderen, teils selbst verschuldeten Krisen beschäftigt. Der Streit zwischen Israel und der Türkei sei für Trump ein Randthema: „Ich glaube nicht, dass Washington sich in einem Maße dafür interessiert, wie es nötig wäre.“

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Erstellt:
4. April 2025, 11:24 Uhr

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