Todesschüsse auf Ehefrau: Sie will weg von ihm, er schießt
dpa/lsw Stuttgart. Konnte er nicht ertragen, dass sie ein Leben ohne ihn leben wollte? Ein Mann soll seine Ehefrau im heimischen Wohnzimmer in Ostfildern erschossen haben. Vor Gericht erzählt er nun aus seinem Leben.
Es ist eine recht triste Biografie, die am Dienstag vor dem Stuttgarter Landgericht vorgetragen wird. Ein Mann, der als sechsjähriger Junge aus der Türkei nach Deutschland kommt, dessen Mutter kurz darauf wegen Komplikationen bei einer Schwangerschaft stirbt. Der Vater kommt ein paar Jahre später ebenfalls ums Leben, bei einem Autounfall. Als Junge bricht er die Schule ab, später die Ausbildung. Stress mit der Stiefmutter, Ärger mit dem Bruder. Gelegenheitsjobs auf der Baustelle, immer wieder Arbeitslosigkeit. Der Mann lebt in wechselnden Beziehungen, zeugt mit mehreren Frauen sechs Kinder. Gefasst schildert der 55-Jährige seine Vita, mit tiefer Raucherstimme, in etwas gebrochenem Deutsch.
Erst als es schließlich um seine letzte Frau geht, da versagt ihm die Stimme, da beginnt er zu weinen und zu zittern. 2013 habe er sie geheiratet, mit ihr habe er seine zwei Mädchen bekommen. „Und zuletzt ist es zu dieser Tat gekommen“, sagt er. „Und ich sitze hier.“
Der 55-jährige Türke muss sich seit Dienstag wegen Mordes an seiner 34-Jährigen Frau verantworten. Die verblutete am 7. August 2021 auf dem Sofa im Wohnzimmer der Familie in Ostfildern im Kreis Esslingen. Ihr Ehemann soll ihr nach einem eskalierten Streit zweimal mit einer Pistole in die Brust geschossen haben. Denn sie wollte weg von ihm, mit den beiden sechs und acht Jahre alten Mädchen ein eigenes Leben führen, so sieht die Staatsanwaltschaft das Motiv.
Nachdem er Ende 2020 bereits handgreiflich wird, zeigt sie ihn an, so Oberstaatsanwalt Matthias Schweitzer am Dienstag. Sie beschließt, sich zu trennen und das Sorgerecht für die Kinder zu beanspruchen. Weil sie aber keine Wohnung findet, leben sie weiter zusammen in der Wohnung. Im August 2021 dann macht sie ernst. Als ihm klar wird, dass ein Zusammenleben nicht mehr möglich ist, habe er ihr das „Lebensrecht“ abgesprochen, sagt Schweitzer.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft bereitet der Mann die Tat gut vor. So habe er, bevor die Schüsse fielen, einen Koffer mit persönlichen Gegenständen, Medikamenten und Pässen für sich und die Kinder gepackt und 5800 Euro Bar bereitgelegt, berichtet der Oberstaatsanwalt. Bei einem spätabendlichen Streit im Wohnzimmer habe der 55-Jährige seiner Frau dann zweimal mit einer Pistole in die Brust geschossen. Sie sei auf dem Sofa zusammengesackt - ein Nachbar wollte noch helfen, konnte sie aber nicht mehr retten. Für die Staatsanwaltschaft eindeutig Mord.
Laut damaligen Informationen von Polizei und Staatsanwaltschaft ruft der Mann nach der Tat selbst die Einsatzkräfte und lässt sich von ihnen widerstandslos festnehmen. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Am Dienstag geht es zunächst nur um die Biografie des 55-Jährigen. Da ist unter anderem die Rede von psychischen Problemen und von Alkoholmissbrauch. In der Pandemie habe er unter Stimmungsschwankungen gelitten, er habe keinen Sport mehr machen können, erzählt der Angeklagte. Viel Whisky habe er getrunken, eine halbe bis ganze Flasche täglich. Als der Richter fragt, wie er sich sein Leben nach dem Prozess vorstelle, sagt er, dass wisse er nicht. „Ich muss nur gucken, dass ich für meine Mädels sorge.“ Am nächsten Verhandlungstag, dem 28. Februar, will er sich zur Sache äußern.
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