Medaillen-Traum statt Trainings-Tortur: Müller zu Olympia
dpa/lsw Stuttgart. Neuzugang Florian Müller wird große Teile der Saisonvorbereitung des VfB verpassen. Genau wie Mittelfeldmann Endo ist der Torhüter bei den Olympischen Spielen in Japan dabei. Den Stuttgartern macht das die schwierige zweite Saison nach dem Aufstieg nicht einfacher.
Viel Zeit zum Kennenlernen bleibt nicht. Schon kommende Woche wird Florian Müller seine neuen Teamkollegen vom VfB Stuttgart vorübergehend wieder verlassen. Wie erwartet wurde der Torhüter von Trainer Stefan Kuntz am Montag für das Aufgebot des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) für die Olympischen Spiele in Tokio (23. Juli bis 8. August) nominiert. Statt sich mit den Schwaben auf die kommende Bundesliga-Saison vorzubereiten wird der Neuzugang vom FSV Mainz 05 also um eine Medaille in Japan kämpfen. Eine große Ehre für den 23-Jährigen. Eine knifflige Situation aber für den VfB. Zumal in Wataru Endo ein weiterer Schlüsselspieler bei Olympia aufläuft.
Er wolle „die Zeit bis zur Abreise nach Japan nutzen, um bestmöglich auf das Turnier und auf die anschließende Bundesliga-Saison vorbereitet zu sein“, sagte Müller. Diesen Dienstag bestreitet der VfB sein erstes Testspiel beim Verbandsligisten FSV Hollenbach, am Samstag ein weiteres gegen den Schweizer Erstliga-Club FC St. Gallen. Danach reist Müller ab.
„Es ist wie es ist“, sagte VfB-Coach Pellegrino Matarazzo schon beim Trainingsauftakt, bei dem sich der neue Torhüter am vergangenen Freitag erstmals den Fans zeigte. Natürlich hätte ihn der Trainer in den kommenden Wochen gerne dabei gehabt. Man wollte ihm den Olympia-Traum aber eben nicht verbauen.
Müller tritt beim VfB in große Fußstapfen. Gregor Kobel, der für rund 15 Millionen Euro zu Borussia Dortmund gewechselt ist, war vergangene Saison eine der Stützen der jungen Stuttgarter Mannschaft, die als Aufsteiger überraschend Neunter wurde. Den Schweizer sportlich und auch menschlich zu ersetzen, dürfte nicht leicht werden.
Er sei „nicht der extrovertierte Typ“, der Kobel ist, sagte Matarazzo über seinen neuen Schlussmann. „Aber er führt auf seine Art.“ Beim SC Freiburg, wo er in der abgelaufenen Spielzeit auf Leihbasis den verletzten Mark Flekken vertrat, machte Müller seine Sache gut. In Mainz indes war er zuvor nicht an Robin Zentner vorbeigekommen.
Daran, dass er beim VfB die Nummer eins wird, besteht allerdings kein Zweifel. Sportdirektor Sven Mislintat hob zwar das „Leistungsprinzip“ hervor, nach dem aufgestellt werden soll. Der solide, aber oft nicht gänzlich fehlerfreie Fabian Bredlow dürfte sich jedoch erneut mit der Reservistenrolle begnügen müssen. Einen „hervorragenden Fang“ habe man mit Müller gemacht, betonte Mislintat. Die kurze Zeit vor und nach Olympia muss dem Keeper zur Akklimatisierung dann eben reichen.
Der Japaner Endo, der bereits zur Vorbereitung auf die Spiele in der Heimat weilt, dürfte es zwar „einfacher haben, wieder einzusteigen“, mutmaßt Matarazzo. „Er kennt seine Rolle im Mannschaftsgefüge, auf dem Platz und in der Kabine.“ Nachdem der bisherige Kapitän Gonzalo Castro den Club verlassen hat, wird Endo aber noch wichtiger für den VfB - womöglich sogar neuer Spielführer. Dass der 28 Jahre alte Mittelfeldmann große Teile der Vorbereitung, in der die taktischen Abläufe einstudiert werden, und bei Erreichen des Olympia-Finals auch die erste DFB-Pokalrunde verpassen wird, macht es den Schwaben in der schwierigen zweiten Saison nach dem Aufstieg sicher nicht einfacher.
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