Krieg in der Ukraine
Mehrheit für neue Ukraine-Hilfe - Finanzierung umstritten
Drei Milliarden Euro mehr für die Ukraine - noch vor der Wahl. Das wollen SPD, Grüne, FDP und Union. Sie könnten die Hilfe im Bundestag beschließen. Wenn sie sich über die Finanzierung einig wären.
Von red/dpa
Im Bundestag gibt es eine Mehrheit für eine neue Drei-Milliarden-Militärhilfe für die Ukraine - allerdings noch keine Einigkeit über deren Finanzierung. Die SPD will dazu neue Kredite aufnehmen und die Schuldenbremse außer Kraft setzen. Dies lehnen Union, FDP und Grüne ab. Sie wollen die Waffenlieferung zur „außerplanmäßige Ausgabe“ nach Artikel 112 des Grundgesetzes erklären, was auf eine Finanzierung durch Einsparungen bei anderen Ausgaben hinausliefe. Angestrebt wird eine Entscheidung noch vor der Bundestagswahl.
Die SPD besteht auf die Finanzierung der Hilfen durch ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen einer besonderen Notlage. „Ich fordere die anderen Fraktionen auf, sich jetzt rasch zu diesem rechtlich zulässigen und notwendigen Schritt zu verhalten“, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. „Wir können noch vor der Bundestagswahl hierzu entscheiden.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte diesen Vorschlag bereits in den Verhandlungen der Regierung aus SPD, Grünen und FDP über den Haushalt 2025 gemacht, an denen die Koalition dann aber letztlich zerbrach. Am Mittwoch hatte er in einem RTL-Interview gesagt, dass er weiter zu seinem Vorschlag stehe. „Ich würde auch jetzt das noch beschließen, wenn alle mitmachen bei einem Beschluss: Wir finanzieren das extra über Kredite.“ Aber dann müssten „einige über ihren Schatten springen“, sagte der Kanzler.
Buschmann wirft Scholz Erpressung vor
FDP-Generalsekretär Marco Buschmann machte allerdings prompt klar, dass das für seine Partei nicht infrage komme. Er warf Scholz Erpressung des Bundestags vor. „Scholz ging es nie um die Ukraine. Es ging ihm immer um die Aussetzung der Schuldenbremse“, schrieb Buschmann auf der Plattform X. „Die will er nun wg 3 Mrd EUR vom Bundestag erpressen und droht, dass die Ukraine sonst leer ausgeht.“ Das sei „krass“ und gegen das Grundgesetz.
Die Unionsfraktion im Bundestag signalisierte Zustimmung, allerdings unter Bedingungen. „Bei diesem Drei-Milliarden-Paket geht es insbesondere um die Stärkung der ukrainischen Luftabwehr“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Einer entsprechenden Vorlage im Haushaltsausschuss würde die Unionsfraktion daher zustimmen.“
Union zur Mitarbeit bereit - aber ohne neue Schulden
Die zusätzlichen Ukraine-Hilfen sollten nach Ansicht der Union allerdings nicht über neue Schulden finanziert werden. „Es wäre eine außerplanmäßige Ausgabe“, sagte Frei. Er ergänzte: „Ein Grund, die Schuldenbremse aufzugeben, ergibt sich daraus allerdings in keiner Weise.“ Es solle nicht vergessen werden, dass der Bund trotz der Schuldenbremse auch in diesem Jahr etwa 50 Milliarden Euro an weiteren Schulden aufnehmen könne. „Die Bundesregierung hat genügend Flexibilität“, sagte der CDU-Politiker.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) hielt dem Kanzler ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver vor. „Scholz’ neuer Winkelzug in der Frage weiterer Hilfe für die stark bedrängte Ukraine ist ein echter Tiefpunkt im derzeitigen Wahlkampf“, kritisierte der Verteidigungsexperte in Berlin. Der Kanzler versuche, die wirtschaftlichen Sorgen vieler Menschen gegen die notwendige Solidarität mit der Ukraine auszuspielen.
Auch FDP und Grüne für „außerplanmäßige Ausgabe“
Grüne und FDP befürworten die zusätzlichen Ukraine-Hilfen ebenfalls, wollen sie aber auch über eine „außerplanmäßige Ausgabe“ finanzieren. Die dazu erforderliche Zustimmung des Bundesfinanzministers wäre nach Artikel 112 des Grundgesetzes aber nur unter einer Bedingung möglich: „Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.“ Ein Beispiel für eine solche Ausgabe waren 2013 Soforthilfen für Flutopfer nach schweren Überflutungen in Teilen Deutschlands.
Die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner sagte der dpa: „2025 können wir die drei Milliarden an zusätzlichen Ausgaben stemmen, ohne an anderer Stelle Kürzungen vorzunehmen und würden so das Niveau von 2024 halten. Wir sollten jetzt so schnell wie möglich die Mittel freimachen, damit die Unterstützung für die Ukraine konkret bleibt.“
Der FDP-Verteidigungshaushälter Karsten Klein sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die Unterstützung der Ukraine erfordert keine Aufweichung der Schuldenbremse.“ Scholz sei es nie wirklich um die Ukraine gegangen. „Er trägt Wahlkampfmanöver auf dem Rücken der Ukrainer aus und will mit der Notlage nur soziale Wohltaten finanzieren.“
FDP-Chef Christian Lindner sagte, seine Partei sei bereit, einer zusätzlichen Militärhilfe von drei Milliarden Euro vor der Wahl im Bundestag zuzustimmen. „Der Bundestag kann das einfach mit großer Mehrheit beschließen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Der FDP-Chefhaushälter Otto Fricke drückte aufs Tempo: „Es nützt der Ukraine wenig, wenn erst mit dem nächsten Haushalt frühestens im Sommer mehr Zusagen erfolgen. Zudem sollte unsere Unterstützung der Ukraine kein Wahlkampf-Thema sein“ sagte er der dpa.
Mützenich warnt vor Kürzungen bei Familie und Renten
SPD-Fraktionschef Mützenich warnte vor einer Finanzierung über überplanmäßige Mittel. „Überplanmäßige Mittel gehen immer zulasten anderer Bereiche im Haushalt, wie die Ausgaben für Familie, für Investitionen oder für die Rente“, sagte er. Der Kanzler habe daher recht, wenn er stattdessen einen sogenannten „Überschreitungsbeschluss“ zum Aussetzen der Schuldenbremse befürworte. „Ohnehin können nach dem Amtsantritt von Donald Trump neue Herausforderungen auf uns zukommen“, sagte Mützenich.
Die USA sind der größte Geber der Ukraine. Es ist aber unklar, ob der künftige Präsident Trump die massiven Hilfen aufrechterhält. Falls nicht, könnte auf Deutschland als zweitgrößten Geber eine größere Last bei der Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes zukommen.