Ärger in der CDU

Merkel stellt sich offen gegen Merz – und ist nicht allein

Die Fraktion steht hinter Friedrich Merz. Doch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die von ihm veranlasste Entscheidung mit der AfD für falsch, SPD und Grüne zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit. Und jetzt?

Am Freitag wird Merz voraussichtlich erneut auf die AfD angewiesen sein, um eine Mehrheit zu bilden.

© I/MAGO/dts Nachrichtenagentur

Am Freitag wird Merz voraussichtlich erneut auf die AfD angewiesen sein, um eine Mehrheit zu bilden.

Von Rebekka Wiese

Sie äußert sich selten zum aktuellen politischen Geschehen, schon gar nicht ungefragt. Doch am Donnerstag veröffentlichte die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Erklärung. Darin lobt sie, was CDU-Chef Friedrich Merz am 13. November im Bundestag vorschlug, nämlich: keine Abstimmungen aufzusetzen, bei der nur mit der AfD eine Mehrheit zustande kommen kann.

„Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen“, schreibt Merkel dann, „und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.“ Es ist eine ungewohnt deutliche Kritik.

Der 29. Januar war kein normaler Tag im Parlament. Er begann mit einer Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus, es folgten Gedenkworte zu den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg. Im Zuge der Regierungserklärung ließ die Unionsfraktion dann über zwei Anträge abstimmen, darunter der sogenannte Fünf-Punkte-Plan zur Asylpolitik. Er wurde nicht nur mit Stimmen der FDP und einiger Fraktionsloser beschlossen – sondern auch durch die der AfD. Es war das erste Mal im Bundestag, dass sich eine demokratische Fraktion von einer in Teilen rechtsextremistischen Partei zur Mehrheit helfen ließ.

Weitere Abstimmung am Freitag

Am Tag danach herrschte viel Ratlosigkeit. Zumal die Union am Freitag über ihren Entwurf für das Zustrombegrenzungsgesetz abstimmen lassen will – voraussichtlich erneut mit den entscheidenden Stimmen von der AfD.

Am Mittwochabend hatte Merz den Fraktionen von SPD und Grünen noch angeboten, über den Entwurf ins Gespräch zu kommen. Doch es blieb unklar, ob und wann eine persönliche Einladung folgen würde. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich appellierte am Donnerstag an Merz, seine Entscheidung zu überdenken. „Verzichten Sie auf diesen Gesetzentwurf“, sagte Mützenich an Merz gewandt im Deutschlandfunk.

Spahn unterstützt Merz

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) stellte sich hinter Merz. Er rief SPD und Grünen dazu auf, seiner Partei in der Migrationspolitik entgegenzukommen. Der beschlossene Antrag „mache deutlich, dass es eine Mehrheit gibt für eine Asylwende in Deutschland“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. „Es wäre gut, wenn SPD und Grüne diese Mehrheit endlich erkennen.“

Innerhalb der CDU ist Merz‘ Vorgehen teilweise umstritten. Der ehemalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier schloss sich der Kritik von Merkel an. Mehrere CDU-Länderchefs und -minister distanzierten sich ebenfalls von der Abstimmung mit der AfD. „Wir dürfen auf gar keinen Fall irgendetwas mit Leuten tun, die mit dieser Gesellschaftsordnung nichts zu tun haben“, sagte zum Beispiel der nordrhein-westfälische Finanzminister Marcus Optendrenk.

Ärger in den Länderparlamenten

Die Abstimmung hat in der CDU noch eine weitere Debatte losgetreten. Bisher setzte sich die Parteispitze dafür ein, auch in den Landesparlamenten keine Mehrheiten mit der AfD zu bilden. Das ist nun nur noch schwer vermittelbar. „Wir werden hier in diesem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern nicht anders verfahren als Friedrich Merz und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion“, kündigte der CDU-Fraktionschef Daniel Peters an.

Fraglich ist auch, wie sich der 29. Januar auf die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien auswirken wird – insbesondere auf die Koalitionsbildung nach der Wahl. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in der ARD-Sendung „Maischberger“ am späten Mittwochabend, er könne Merz nach diesem Wortbruch nicht mehr trauen. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann forderte Merz auf, wieder Glaubwürdigkeit herzustellen. „Wir würden Friedrich Merz gerne glauben, aber dafür muss er handeln. Die Brandmauer zur AfD muss wieder stehen“, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwochabend in Berlin.

Rechtlich dürften die Abstimmungen wenig Auswirkungen haben. Bei Anträgen wie dem, der am Mittwoch beschlossenen wurde, handelt es sich um unverbindliche Aufforderungen an die Bundesregierung. Dem Gesetz, das am Freitag verabschiedet werden könnte, müsste auch der Bundesrat zustimmen. Allerdings haben dort neben den SPD-Ministerpräsidenten auch die CDU-Regierungschefs von Schleswig-Holstein und Berlin angekündigt, das Gesetz abzulehnen.

„Ich habe sehr klar gesagt, dass der Berliner Senat niemals einem Gesetz im Bundesrat zustimmen wird, das nur in Abhängigkeit von den Stimmen der AfD zustande gekommen ist“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der in einer Koalition mit der SPD regiert, bei einer Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus. „Mit mir, darauf können Sie sich verlassen, wird es niemals eine Zusammenarbeit, Kooperation oder gar eine Koalition mit den Rechtsextremisten von der AfD geben.“

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Erstellt:
30. Januar 2025, 16:56 Uhr

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