Bundestagswahl 2025
Merz ist am Ziel
Die SPD im Tief, ohne die Union geht nichts, Friedrich Merz wird wohl neuer Bundeskanzler. Doch die Aufgabe der Regierungsbildung wird noch schwieriger als gedacht, findet StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs.
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© AFP/Ina Fassbender
So sehen Sieger aus: Friedrich Merz (CDU) am Wahlabend
Von Joachim Dorfs
Friedrich Merz ist am Ziel seiner Träume. Nach menschlichem Ermessen wird er Olaf Scholz als Bundeskanzler ablösen und für die Union die nächste Bundesregierung führen. Überraschend ist das nicht, schließlich war der Unmut über die Ampel-Parteien mit Händen zu greifen. Der CDU-Chef hat es nach Jahren in der Opposition geschafft, seine Partei zu einen und wieder zur mit Abstand stärksten politischen Kraft in Deutschland zu machen.
Doch Merz betritt das Kanzleramt nicht als strahlender Sieger. Es wird eine Übernahme der Kanzlerschaft sein, bei der er auf mehr Hilfe anderer angewiesen ist als erhofft. Denn er hat zwar sein erstes und wichtigstes Wahlziel erreicht. Ohne die Union geht nichts bei einer Regierungsbildung. Doch schon vom zweiten Wahlziel – die Union sollte deutlich über 30 Prozent der Stimmen auf sich vereinen – ist er entfernt.
Selbst sein eigener Generalsekretär hielt deutlich mehr als 30 Prozent für erforderlich, damit Merz ein starker Kanzler sei. Und Merz’ Schachzug, eine Gesetzesinitiative zur Migration mit Billigung der AfD in den Bundestag einzubringen, hat sich als Fehler erwiesen. Die CDU ist danach abgerutscht, die AfD nicht geschwächt und die Linkspartei so in den Bundestag eingezogen. Eine Regierungsbildung auf dieser Basis wird eine enorme Herausforderung.
Auch die SPD wird wohl der neuen Regierung angehören
Ebenfalls nach menschlichem Ermessen wird auch die SPD der nächsten Bundesregierung angehören. Doch sie tut es aus einer Position der Schwäche heraus. Die Partei setzt ihren seit vielen Jahren anhaltenden Abschwung fort – Ausnahme war lediglich die letzte Bundestagswahl. Das ist auch, aber nicht nur das Ergebnis der Regierungspolitik von Olaf Scholz. Entsprechend braucht die Partei nun nicht nur neue Gesichter, sondern muss auch ihr Programm überarbeiten.
Die klare Gewinnerin des Wahlabends ist die AfD, die ihren Stimmenanteil fast verdoppelt und nun stärkste Oppositionspartei ist. Ihr Erfolg ist gleichzeitig eine schlimme Niederlage für die Parteien der Mitte. Wer nicht will, dass die AfD ihren Siegeszug in den kommenden Jahren fortsetzt, der darf nicht nur symbolisch an der Brandmauer bauen, sondern muss die Probleme lösen, die Millionen Wählerinnen und Wähler in die Arme der Rechtsextremen getragen hat.
Große Aufgaben warten, die Zeit ist knapp
Diese Arbeit muss unmittelbar beginnen. Für die Deutschen waren die Verbesserung der Wirtschaftslage und mehr Ordnung in der Migration die wahlentscheidenden Themen. Entsprechend muss die künftige Bundesregierung hier beginnen. Hinzu kommt ein Thema, das im Wahlkampf keine große Rolle gespielt hat, nach den Einlassungen von US-Präsident Donald Trump und seines Vizes J.D. Vance nun aber mit Macht ganz vorne auf die Agenda drängt: Deutschland muss seine Verteidigungsfähigkeit in einer enormen Geschwindigkeit ausbauen.
Und es braucht Initiativen, auf EU-Ebene in der Außen- und Sicherheitspolitik viel enger zusammenzuarbeiten. Was dabei klar scheint: Spätestens mit den Auftritten von Trump und Vance ist die Schuldenbremse Geschichte. Die erforderlichen Investitionen sind in der Kürze der Zeit sonst nicht zu finanzieren.
Für die neue Bundesregierung stehen extrem schwierige Entscheidungen an. Von Willy Brandt stammt das Postulat: „Erst das Land, dann die Partei“. Alle Partner, die künftig die Regierung tragen, brauchen zwar Erfolge für sich selbst. Messen lassen müssen sich die Verantwortlichen aber daran, dass sie es schaffen, über ideologische Gräben in den eigenen Reihen zu springen. Es braucht den Wandel. Aber es braucht auch Kompromissfähigkeit. Was es braucht, ist ein Schulterschluss der Demokraten.