Innovative Architektur in Heidelberg
Mieter bezieht Europas größtes Haus aus dem 3D-Drucker
Auf dem Areal der ehemaligen Campbell-Barracks in Heidelberg ist innerhalb von 140 Stunden ein Gebäude komplett im 3D-Druck-Verfahren entstanden. Doch ist das schnelle Bauen auch ein Modell im Kampf gegen die Wohnungsnot?

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Technologie der Zukunft? Der neue und ungewöhnlich geformte 3D-Bau in Heidelberg.
Von Tomo Pavlovic
Der Bauherr übergab den Schlüssel mit einem Festakt an die Mieter. Die Firma Heidelberg iT wird das neue Gebäude künftig als „Server-Hotel“ nutzen, als Rechenzentrum. Der wellenförmige Bau wurde von den Firmen Peri 3D Construction, einem Vorreiter auf dem Gebiet des 3D-Baudrucks und Heidelberg Materials, einem der weltweit größten Baustoffunternehmen errichtet. Heidelberg Materials habe eigenen Aussagen zufolge einen 3D-Druckbeton eingesetzt, der als mineralischer Baustoff zu 100 Prozent recyclefähig ist. Entworfen haben das geschwungene Gebäude Mense-Korte ingenieure+architekten und SSV Architekten, als Projektentwicklerin und Bauherrin fungiert die Kraus Gruppe.
Beeindruckende Größe
Abgesehen von der für die eingesetzte Technologie bemerkenswerten Größe – der Gewerbebau ist rund 54 Meter lang, elf Meter tief und neun Meter hoch – ist der 3D-Druck in der Architektur keineswegs mehr eine sensationelle Neuheit. Im nordrhein-westfälischen Beckum entstand bereits vor zwei Jahren das erste Einfamilienhaus, das erste überhaupt in Deutschland, übrigens auch von Peri 3D Construction mit Sitz in Weißenhorn in Bayern.
Ähnliche Projekte sind in den USA, Belgien und China dokumentiert, wobei die als etwas unförmig kritisieren, komplett in 3D gedruckten Häuser in China vor allem mit der Firma Winsun aus Schanghai verknüpft werden.
Tausende Bauvorgaben
3D-Druck ist ein Bauverfahren, vom dem viele begeistert sind, manche Experten sehen in diesen Erfolgen eine industrielle Revolution, mit der vielleicht bald schon die gegenwärtige Bau- und Wohnkrise ad acta gelegt werden könnte. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen.
Die Architekturbüros und Baufirmen, die den 3D-Druck anwenden, müssten sich ebenfalls zumindest in diesem regelfreudigen Land an die herrschenden Bauvorgaben halten, von denen es Tausende gibt. Und je größer das projektierte Gebäude, desto aufwendiger ist die Planung und desto größer muss der Drucker sein, heißt es. Auch das womöglich eine nicht zu vernachlässigende Kostenfrage.
Bei einem 3D-Druck-Bauverfahren spritzt eine Druckdüse feine Betonlinien auf eine Bodenplatte und zieht Schicht für Schicht Außen- und Innenwände hoch. Auf diese können auch Bodenplatten, Zwischendecken und das Dach gedruckt werden. Auf Grundlage des Entwurfs können mit der Maschine Aussparungen und Schlitze für Fenster, Türen und Stromleitungen sowie Hohlräume für Dämmstoffe millimetergenau gesetzt werden. Als Baumaterial kommen neben Beton auch Stahl, Kunststoff oder Kunstharze in Frage.

© SSV Architekten verantwortlich. Für das Heidelberger Architekturbüro arbeiten 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter./SSV Architekten
Für die Planung sowie diese Entwurfs-Ansicht zeichnen

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Der Heidelberger 3D-Bau wird künftig als Rechenzentrum genutzt und hat der Bauaufgabe entsprechend nur wenige Aussparungen.

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Bei einem 3D-Druck-Bauverfahren spritzt eine Druckdüse feine Betonlinien auf eine Bodenplatte und zieht Schicht für Schicht Außen- und Innenwände hoch.

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Ein Gewerbebau wie viele andere, könnte man denken, zumindest was die Sichtbeton-Ästethik im Inneren angeht. Mit dem Hightech-Baustoff von Heidelberg Materials wird ein 3D-Druckbeton eingesetzt, der als mineralischer Baustoff zu 100 Prozent recyclebar ist.

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Die Firma Peri aus Bayern hat für das Projekt in Heidelberg wie auch in Beckum die jeweiligen Drucker entwickelt.

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Im westfälischen Beckum steht bundesweit das erste 3D-Drucker-Haus bundesweit.

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Ein Bad aus dem 3D-Drucker. Das Einfamilienhaus in Beckum von Innen. Die Armaturen und Keramiken sind noch konventioneller Bauart.

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Ein haptisches Erlebnis: das von Rillen überzogene Treppenhaus im Beckumer Einfamilienhaus.

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Auch in China stehen schon ganze Siedlungen aus dem 3D-Drucker. Hier eine Impression aus dem Schanghaier Qingpu-Park. Die Gebäude entstanden bereits 2014.

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Haustypen aus dem 3D-Drucker im Hochtechnologie-Park Qingpu in der chinesischen Metropole Schanghai.