Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD

Migration, Rente, Bürgergeld: Diese Konflikte müssen geklärt werden

Das Ja im Bundestag zur Änderung der Schuldenbremse ist geglückt. Doch bei zahlreichen Themen liegen Union und SPD noch weit auseinander. Im Sondierungspapier wurden Konflikte kaschiert, für die es nun in den Koalitionsverhandlungen Lösungen braucht.

Sie müssen sich einig werden: SPD-Chef Lars Klingbeil (li.) und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz.

© AFP/RALF HIRSCHBERGER

Sie müssen sich einig werden: SPD-Chef Lars Klingbeil (li.) und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz.

Von Tobias Peter

Der Bundestag hat mit den Grundgesetzänderungen zur Schuldenbremse ein historisches Finanzpaket auf den Weg gebracht. Gleichzeitig laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD in 17 Arbeitsgruppen. In dem Papier, auf das sich die Parteien nach den Sondierungen verständigt hatten, sind viele Fragen ungeklärt geblieben – mit großem Konfliktpotenzial.

Migration

Für Friedrich Merz geht es um viel – auch um seine Glaubwürdigkeit. Der CDU-Chef hat vor der Wahl angekündigt, vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft an durchzusetzen, „die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“. Im Sondierungspapier ist hierzu ein Satz enthalten, der von Union und SPD sehr unterschiedlich interpretiert wird. „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, heißt es dort. „In Abstimmung“: diese Formulierung bedeutet aus Sicht der SPD, dass die Zustimmung der europäischen Nachbarn notwendig ist. Die Union argumentiert, Abstimmung sei nicht gleichbedeutend mit Zustimmung – es reiche, das Gespräch zu suchen. Der Wechsel in der Asylpolitik, so heißt es in der Union, dürfe nicht abhängig von der Zustimmung anderer Länder sein.

Rente

„Wir werden die Alterssicherung für alle Generationen auf verlässliche Füße stellen“, heißt es im Sondierungspapier. „Deshalb sichern wir das Rentenniveau.“ Nur: Was bedeutet das? Die SPD dürfte in den Verhandlungen darauf dringen, dass das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent gesichert wird. Das Rentenniveau ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren zum mittleren Lohn beschreibt. Bei einem stabilen Rentenniveau steigen Löhne und Renten im Gleichklang. Eine entsprechende gesetzliche Garantie gilt bislang nur bis Mitte 2025. Verlängert der Gesetzgeber sie nicht, würde das Rentenniveau wegen des demografischen Wandels in Zukunft sinken. Die SPD-Pläne erfordern aber noch einmal höhere Rentenbeiträge und Steuerzuschüsse. Deshalb hält die CDU sie für falsch. CDU-Chef Merz hat sich im Wahlkampf aber bedeckt gehalten – um Rentner als Wähler nicht zu verprellen. Jetzt ist eine Entscheidung notwendig.

Bürgergeld

Die Richtung ist klar. Bei den Sanktionen soll noch einmal nachgeschärft werden. Der Druck, ein Jobangebot anzunehmen, soll steigen. Doch die Schwierigkeiten liegen im Detail. Es geht nicht nur um das, was Union und SPD wollen. Sondern auch um die Frage, was rechtlich möglich ist – zum Beispiel bei den Sanktionen gegen Totalverweigerer. „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“, heißt es im Sondierungspapier. Richtig ist: Eine Streichung des kompletten Regelsatzes für Totalverweigerer ist zeitweise und in engen Grenzen bereits heute möglich. Die SPD hat stets die Auffassung vertreten, dass die Möglichkeiten dessen, was das Verfassungsgericht zulässt, weitgehend ausgereizt sind. Union und SPD werden sich inhaltlich einigen müssen – auch darüber, ob sie im Zweifel das Risiko eingehen wollen, vor dem Verfassungsgericht zu verlieren.

Steuern

Die Aussagen im Sondierungspapier klingen optimistisch, sind aber vage. „Wir werden die breite Mittelschicht durch eine Einkommenssteuerreform entlasten und die Pendlerpauschale erhöhen“, wird dort versprochen. Und: „Wir steigen in der kommenden Legislaturperiode in einen Unternehmenssteuerreform ein.“ Doch wie viel Geld ist für Entlastungen vorhanden? Das Sondervermögen für Infrastruktur soll kein Verschiebebahnhof sein, mit dessen Hilfe Wahlversprechen finanziert werden. Doch ein gewisser finanzieller Haushaltsspielraum im normalen Haushalt entsteht durch die Grundgesetzänderungen – auch, weil Verteidigungsausgaben nur noch bis zu einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Das reicht aber nicht für eine Steuerreform. Die Frage nach den Finanzen bleibt also eine schwierige für die Verhandler.

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Erstellt:
19. März 2025, 14:24 Uhr

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