Millionen-Betrug mit falschen Abrechnungen an Teststationen

dpa Karlsruhe. Es scheint mittlerweile Teststationen an jeder Straßenecke zu geben. In Garagen sind sie, in Bretterbuden werden sie angeboten, in Containern, Restaurants und in größeren Zentren. Nicht immer geht das mit rechten Dingen zu. Nun haben die Ermittler wieder zugeschlagen.

Ein halbes Dutzend Männer soll im Raum Karlsruhe und Südbaden mit falschen Abrechnungen von Corona-Schnelltests ein betrügerisches Millionengeschäft gemacht haben. Nach einer Razzia wurden sechs Verdächtige im Alter zwischen 25 und 33 Jahren festgenommen, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Mittwoch mit. Vier von ihnen kamen in Untersuchungshaft, zwei weitere sollten noch dem Haftrichter vorgeführt werden. Mehr als 50 Teststationen wurden dicht gemacht. Sie sollen von der Bande oder von deren Mittelsmännern betrieben worden sein.

Ein Großaufgebot der Polizei mit mehr als 200 Beamten hatte schon am Dienstag Wohnungen, Lokale, Büroräume und Teststationen durchsucht. Die mutmaßlichen Betrüger sollen unter anderem in der Stadt und dem nördlichen Landkreis Karlsruhe sowie im Bereich Lörrach/Weil am Rhein etliche Corona-Teststellen geführt und mehr Tests bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg abgerechnet haben als durchgeführt worden waren.

Eine genaue Schadenshöhe nannten die Ermittler nicht. „Sie dürfte nach derzeitigen Schätzungen aber im einstelligen Millionenbereich liegen“, hieß es. Es seien auch Auszahlungsansprüche in Höhe von über 4,5 Millionen Euro gepfändet worden. Beschlagnahmt wurde zudem Bargeld in Höhe von etwa 1,3 Millionen Euro. Auch zwei Schusswaffen und Munition sowie mehrere Autos und andere Wertgegenstände konfiszierten die Ermittler.

Insgesamt bearbeitet die Polizei in Baden-Württemberg Dutzende Fälle möglichen Abrechnungsbetrugs bei Corona-Testzentren. Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass ein Mann im Großraum Stuttgart Corona-Tests im großen Stil abgerechnet haben soll, die nie gemacht wurden. Die KV Baden-Württemberg zahlte dem Verdächtigen insgesamt rund 600 000 Euro für die kostenlosen Bürgertests - eine sechsstellige Summe davon erschlich sich der Mann jedoch mutmaßlich durch Betrug, wie Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt mitgeteilt hatten.

Um Betrug mit Corona-Tests zu verhindern und die Qualität solcher Tests zu erhöhen, empfehlen Forscher ein anderes Finanzierungsmodell für die Schnelltests. Statt jeden durchgeführten Test zu bezahlen, sollte es nur für positive und mit PCR-Test bestätigte Tests Geld geben - dann aber deutlich mehr, schlagen Wirtschaftsprofessor Hanno Beck von der Hochschule Pforzheim und Kollegen vor. Dadurch gebe es einen starken Anreiz dafür, Schnelltest mit qualifiziertem Personal sorgfältig durchzuführen. Denn das Ziel sei es dann, Infizierte zu identifizieren.

Grundsätzlich kann in Baden-Württemberg jeder eine Teststation eröffnen. Dafür muss er oder sie dem Gesundheitsamt unter anderem einen Gewerbeschein, geeignete Räumlichkeiten und medizinische Sachkenntnis oder Erfahrung nachweisen. Eine medizinische Ausbildung braucht man indes nicht. Pro Abstrich erhalten Teststellenbetreiber pauschal acht Euro, dazu 3,50 Euro pro verwendetem Antigen-Schnelltest-Set. Weitere Leistungen gibt es nicht.

Erst Anfang Februar hatte das Sozialministerium angekündigt, Coronavirus-Teststellen verstärkt zu kontrollieren. Dabei solle - wie schon im August 2021 - ein externer Dienstleister helfen und die lokalen Gesundheitsämter unterstützen. Außerdem plant das Land, ein Meldeportal für Teststellen einzuführen. Damit sollen die Meldungen an die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg vereinfacht und ein besserer Überblick über die Testangebote möglich werden. Es gehe bei den Kontrollen aber vor allem um die Einhaltung der Hygieneanforderungen, die Durchführung der Tests und den Datenschutz.

© dpa-infocom, dpa:220223-99-255243/3

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Erstellt:
23. Februar 2022, 16:40 Uhr

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