Ministerium nimmt Standorte für Maßregelvollzug ins Visier
dpa/lsw Stuttgart. Die Zentren für Psychiatrie im Land platzen aus allen Nähten. Das Land versucht Platz zu schaffen, kann aber mit der wachsenden Zuweisung psychisch kranker Straftäter durch die Gerichte nicht mithalten. Objekte der Begierde ist immer noch der „Faule Pelz„.
Neben einem möglichen Übergangsstandort für den Maßregelvollzug in Heidelberg fasst Sozialminister Manne Lucha (Grüne) jetzt weitere Standorte in Winnenden und Schwäbisch Hall ins Auge. Die Nutzung der beiden neuen dauerhaften Lokalitäten soll nach dem Willen des Kabinetts rasch vorangetrieben werden, teilte das Sozialministerium am Dienstag in Stuttgart mit. In Schwäbisch Hall soll auf einem an die bestehende Justizvollzugsanstalt angrenzenden Grundstück eine neue Maßregelvollzugsanstalt errichtet werden. Gespräche mit der Stadt liefen, heißt es aus dem Ministerium, die Projektplanung habe begonnen. In Winnenden sollen auf dem Gelände des Zentrums für Psychiatrie etwa 70 neue Plätze entstehen. Dort habe der Gemeinderat schon grünes Licht gegeben. Lucha rechnet mit Investitionskosten von 60 Millionen Euro pro Standort.
Überdies habe die Ministerriege Lucha beauftragt, alle Schritte für eine bis Juni 2025 befristete Nutzung des ehemaligen Frauengefängnisses „Fauler Pelz“ in Heidelberg zu unternehmen. Dort herrscht großer Widerstand bei der Stadt und der Universität, die die Liegenschaft des Landes für ihre Zwecke nutzen will.
Als kurzfristige Maßnahmen würden in den meisten Zentren für Psychiatrie Patienten auch in Besucher-, Gemeinschafts- und Funktionsräumen untergebracht, erläuterte das Ministerium. Mancherorts würden Container belegt. Einige Patienten seien in andere Bundesländer verlegt worden. Durch solche Maßnahmen würden bis Jahresende 115 neue Plätze entstehen. Einzig verbleibende Entlastungsmöglichkeit für 2022 bleibe der „Faule Pelz“. Dort könnten mit etwa einer Million Euro 100 Plätze geschaffen werden.
Nach Auskunft des Sozialministeriums weisen die Gerichte seit 2018 immer mehr Straftäter insbesondere in die Entziehungsanstalten für Suchtkranke ein. Obwohl die Kapazitäten in den baden-württembergischen Kliniken seit 2017 um 24 Prozent gesteigert worden seien, könnten nicht mehr Menschen innerhalb der von der Rechtsprechung anerkannten Frist aufgenommen werden. Folge sei, dass Straftäter auf freien Fuß gesetzt werden.
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