Was geschah am . . . 23. März 1900?

Minoische Kultur: Arthur Evans beginnt mit den Ausgrabungen von Knossos

Unter der Leitung des britischen Archäologen Arthur Evans beginnen am 23. März 1900 die Ausgrabungen des vorchristlichen Palastes von Knossos auf Kreta. Die Funde werfen ein neues, atemberaubendes Licht auf frühe Hochkultur im Mittelmeer.

Bekannt ist Knossos vor allem durch den Palast, der neben den Anlagen  von Malia, Phaistos und Kato Zakros der größte minoische Palast auf Kreta ist

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Bekannt ist Knossos vor allem durch den Palast, der neben den Anlagen von Malia, Phaistos und Kato Zakros der größte minoische Palast auf Kreta ist

Von Markus Brauer/KNA/dpa

Heinrich Schliemann ist die Sache schlicht zu teuer. Lieber gräbt der gefeierte Entdecker von Troja weiter an den Dardanellen im Nordwesten der heutigen Türkei, als hier auf Kreta eine Großbaustelle mit ungewissem Ausgang aufzumachen. Klar, Interesse hat er schon, und er vermutet tatsächlich auch den legendären Palast des mythischen Königs Minos hier, irgendwo oberhalb der heutigen Inselhauptstadt Iraklio (Heraklion).

Weil Schliemann nicht will, greift Evans zu

Aber der einheimische Kaufmann und Hobby-Archäologe Minos Kalokairinos, der im Jahr 1878 zwei Magazinräume freigelegt und sich die Rechte an dem Grundstück gesichert hatte, will 100.000 Goldfranken dafür. Auch langes und hartes Feilschen bis hinunter auf 40.000 Goldfranken bringt keine Lösung. So schlägt die Stunde eines anderen.

Der Brite Arthur Evans griff zu. Evans (1851-1941), Museumsdirektor aus Oxford und glühender Verehrer von Schliemanns Troja-Entdeckungen, glaubt an den Grabungsort Knossos und die bis dato noch sehr vereinzelten archäologischen Funde. Ab 1895 erwirbt er nach und nach das Gelände. Und am 23. März 1900, vor 125 Jahren, startet Evans seine Ausgrabungen – mit zunächst 30, später bis zu 100 einheimischen Arbeitern.

Bronzezeitliche Hochkultur

Über die Jahre legen sie die Überreste einer mehr als 3500 Jahre alten weitläufigen Palastanlage einer bronzezeitlichen Hochkultur frei. Evans sieht darin den Stadtstaat Knossos und den Herrscher König Minos, wie sie bei Homer beschrieben werden. Dazu gehören Wohn- und Lagerhäuser, die teils durch Korridore und Treppen miteinander verbunden sind, die mutmaßlichen Gemächer von König und Königin sowie ein von Norden nach Süden ausgerichteter Zentralhof.

Ein großes Problem aus heutiger Sicht: Der Archäologe Evans vertraut – nicht allzu wissenschaftlich – stark auf seine eigene Interpretation und Fantasie. Nicht nur, dass er aus teils nur kleinen Fragmenten von Fresken ganze Bildwelten neu erschafft. Ähnlich verfährt er auch mit den Gebäuden.

Findet sich in einem Raum ein Stuhl aus Alabaster, so muss es sich um den „Thronsaal“ handeln. Ein Komplex mit einem Trog sind ohne Zweifel die Baderäume. Dabei könnte es sich auch um einen Sarkophag und also um komplett andere Räumlichkeiten und Funktionen handeln.

Eine Art minoisches Disneyland

Nach und nach schafft Evans immer mehr aufgehendes Mauerwerk. In voller künstlerischer Freiheit, zunächst als Holzkonstruktionen, später mehr und mehr in Beton. Die Besucher haben somit eine Art minoisches Disneyland vor sich.

Gut für sie, präsentiert sich das Gelände mit seinen „Rekonstruktionen“ doch so spektakulär wie vermeintlich nachvollziehbar. Für heutige Forscher dagegen ist die Sicht auf den damaligen Befund verstellt. Unmöglich, noch unabhängige Erkenntnisse über den ursprünglichen, tatsächlichen Palast zu erhalten.

Ungewöhnliche Architektur

Für die ungewöhnliche Architektur gibt es keine Vorläufer. Der auf einem Hügel angelegte Palast gruppiert sich um einen riesigen Zentralhof, an dem ein Saal mit Alabaster-Thron anschließt. Charakteristisch ist die üppige Pfeiler- und Säulenarchitektur mit Treppen und erhöhten Gehwegen.

Der mit Fresken geschmückte, mit Repräsentations- und Wohnräumen, Ställen und Werkstätten ausgestattete Komplex umfasst ein vermutlich für kultische Zwecke genutztes Lustral-Bassin, ein Bad und Latrinen mit Wasserspülung. Auffallend sind riesige Magazine, in denen Olivenöl, Wein, Getreide und Metalle gelagert wurden.

Totenstädte oder Residenzen?

Rätsel gibt den Altertumsforschern nicht nur die Funktion des Palastes auf. Vergleichbare Zentren, wenn auch nicht ganz so groß, gab es auf Kreta nämlich auch in Phaistos, Malia, Galatas und Kato Zakros. Auch wer darin wohnte, ist auf Grund fehlender schriftlicher Quellen nicht bekannt.

Es gibt Theorien von „Totenstädten“ und – auf Grund häufiger Darstellung von Frauen statt kriegerischer Szenen auf Wandmalereien – Vorstellungen eines Matriarchats oder einer Priesterherrschaft.

König Minos gab es wohl nur in der griechischen Mythologie, genau wie den Menschen fressenden Minotaurus. Dem stierköpfigen Ungeheuer, das im labyrinthischen Palast von Knossos gehaust haben soll, wurde der Sage nach von Theseus mit Hilfe der Ariadne der Garaus gemacht.

Erdbeben und Feuer

Sicher zu unterscheiden sind die Epoche des alten Palastes, der wohl nach 2100 v. Chr. entstand und etwa um 1700 v. Chr. durch ein Erdbeben zerstört wurde, sowie des neuen minoischen Palastes, der bis etwa 1450 vor Christus Bestand hatte und dann von den nachfolgenden mykenischen Griechen durch Feuer zerstört beziehungsweise überbaut wurde. Bald darauf endete auf ganz Kreta die minoische Hochkultur und damit auch die Bronzezeit.

Ein weiterer Malus der Anlage von Knossos ist die Trennung zwischen archäologischer Stätte und archäologischen Funden. Der Palast präsentiert sich, von einzelnen Repliken abgesehen, völlig leer. Die vielen, überaus prächtigen Funde liegen im Archäologischen Museum in Iraklio und sind zwar zweifellos unbedingt einen Besuch wert. Allerdings sind sie dort ohne jeden Raumeindruck. Gegenstände des Alltags oder der Repräsentation, komplett aus ihrem Lebenszusammenhang gerissen.

Berühmt, geadelt und als Mitglied der Royal Society starb Sir Arthur Evans drei Tage nach seinem 90. Geburtstag am 11. Juli 1941 in der Grafschaft Oxfordshire. Zu seinen Ehren wurde 1970 ein Krater auf der Rückseite des Mondes „Evans“ benannt. Und seine Münzsammlung zählt zu den bedeutendsten Privatsammlungen überhaupt.

Info: Bronzezeitliche Kultur der Minoer

König Minos Die bronzezeitliche Kultur Kretas wird nach dem mythischen König Minos als minoisch bezeichnet. Die Kultur der Minoer ist die früheste Hochkultur Europas und wird unterteilt in eine Frühminoische Zeit (2600 bis 1900 v. Chr.), Mittelminoische Zeit (1900 bis 1600 v. Chr.) und Spätminoische Zeit (1600 bis 1450 v. Chr.). Ihr Einflussgebiet erstreckte sich auf die Inseln Kreta und Santorini sowie den Großteil der Ägäis.

Hochkulturen Das östliche Mittelmeer war bereits in der frühen Antike ein Zentrum der ersten Hochkulturen und von Seehandel zwischen der Ägäis, Kleinasien und dem Nahen Osten geprägt. Die Schiffe hatten Kupfer aus Zypern sowie Zinn aus Westeuropa und Zentralasien geladen, die sie in die Städte der Minoer auf Kreta, der Mykener in Griechenland, der Hethiter in Kleinasien und zu den Häfen Ägyptens brachten

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Erstellt:
16. März 2025, 13:26 Uhr
Aktualisiert:
16. März 2025, 14:33 Uhr

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