Mit Becken und Mauern gegen die Flut

Der Wasserverband Murrtal investiert etliche Millionen in den Hochwasserschutz. Während viele innerörtliche Maßnahmen bereits realisiert wurden, ist noch keines der Rückhaltebecken im Bau. Sie sind aber nötig, um Überschwemmungen verhindern zu können.

Die jüngste Baumaßnahme zum Schutz der Innenstadt: Die Ufermauer zwischen dem Biegelwehr und der Sulzbacher Brücke. Sie wurde verstärkt und erhöht und mit einem Wellenrelief verziert. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die jüngste Baumaßnahme zum Schutz der Innenstadt: Die Ufermauer zwischen dem Biegelwehr und der Sulzbacher Brücke. Sie wurde verstärkt und erhöht und mit einem Wellenrelief verziert. Foto: J. Fiedler

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Mit dem Hochwasser der Murr müssen sich die Menschen zwischen der Quelle bei Vorderwestermurr und der Mündung in den Neckar bei Marbach seit jeher herumschlagen. Aber das Hochwasser vom 11. Januar 2011 hat das Bewusstsein grundlegend geändert. Seither ist auch bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung die Botschaft angekommen, dass es so nicht weitergehen kann. Zumal es aufgrund des Klimawandels und des häufigeren Starkregens laut den Prognosen der Wissenschaftler noch schlimmer kommen wird.

Einer der Akteure ist Stefan Setzer. Er ist nicht nur der Baudezernent der Stadt Backnang, sondern auch – für drei Jahre gewählt – der Vorsitzende des Wasserverbands Murrtal, dem die Kommunen Backnang, Oppenweiler, Sulzbach an der Murr und Murrhardt angehören. Er sagt: „Das Hochwasser 2011 hat das Bewusstsein geschärft. Allen ist klar, das war das Ende der Diskussion, jetzt müssen wir Geld in die Hand nehmen und bauen.“

Grundsätzlich gibt es drei Pfeiler des Hochwasserschutzes: Regenrückhaltebecken, Pumpwerke, Mauern/Dämme. In den vergangenen Jahren hat Backnang viel in die Uferanlagen investiert. Anfang der 90er-Jahre wurde eine Mauer entlang des Biegels errichtet. Dann wurde im Zuge des Umbaus der Bleichwiese samt der Anlage der Murrtreppen und des Annonaygartens auch dieser Bereich gesichert. Es folgte der Neubau der Aspacher Brücke, sie war aufgrund ihres geringen Durchlasses ein Problem.

Zwei Pumpwerke im Backnanger Stadtgebiet sind bereits gebaut.

Danach entstanden hohe Mauern auf beiden Seiten des Abschnitts Kaltes Wasser zwischen der Aspacher Brücke und Tesat. Auch in der Oberen Walke kann das Hochwasser nach dem Umbau des Ufers keinen Schaden mehr anrichten. Zumal das Areal aufgeschüttet wurde und die künftige Bebauung nicht mehr so tief liegen wird, dass sie gefährdet ist. In der Talstraße wiederum wurden ein weiterer Zugang zur Murr und gleichzeitig neue Mauern gebaut. Zudem ist ein Teil der Straße dazu ausgelegt, dass er im Falle eines Hochwassers überflutet werden kann, ohne dass Schäden entstehen. Ganz aktuell wurde die letzte Lücke zwischen dem Biegelwehr und der Sulzbacher Brücke geschlossen.

Der Wasserverband Murrtal (rote Linie) baut in den nächsten Jahren sieben Regenrückhaltebecken. Das größte Becken vor Oppenweiler ist am weitesten in der Planung gediehen, der Baubeginn könnte im optimalen Fall noch in diesem Jahr erfolgen. Karte: Ingenieurbüro Winkler und Partner GmbH

Der Wasserverband Murrtal (rote Linie) baut in den nächsten Jahren sieben Regenrückhaltebecken. Das größte Becken vor Oppenweiler ist am weitesten in der Planung gediehen, der Baubeginn könnte im optimalen Fall noch in diesem Jahr erfolgen. Karte: Ingenieurbüro Winkler und Partner GmbH

Im gesamten Stadtgebiet müssen auch mehrere Pumpwerke gebaut werden. Ihre Aufgabe ist es, das Abwasser und das Oberflächenwasser in die Murr zu pumpen. Und zwar auch dann, wenn der Pegel des Flusses höher ist als das normale Ablaufniveau der Straßenkanäle. Ohne diese Pumpwerke würde die Murr ihr Wasser durch die Kanalisation in die Straßen ergießen. Beziehungsweise das Regenwasser des Stadtgebiets könnte nicht abfließen.

Zwei dieser Pumpwerke sind bereits gebaut, so etwa im östlichen Teil der Oberen Walke und am Kalten Wasser. Gebaut werden muss unter anderem noch das Pumpwerk auf Höhe des Biegelwehrs.

Ganz besonders wichtig sind aber die Regenrückhaltebecken im gesamten Einzugsgebiet der Murr. Auf Murrhardter Markung sind das die Becken Mahd und Gaab, wobei sie vor allem für Murrhardt von Bedeutung sind. Sehr weit gediehen sind die Planungen für das Becken Gaab, es steht laut Setzer kurz vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens, das wiederum rund ein Jahr dauert. Das Projekt alleine verschlingt etwa 13,3 Millionen Euro. Für den Bau müssen die Landesstraße verlegt und zwei Kreisverkehre neu gebaut werden. Doch es lohnt sich, das Becken soll künftig fast 450000 Kubikmeter Wasser zurückhalten können. Eine Einigung mit den Grundstücksbesitzern ist laut Setzer erzielt, derzeit wird die Flurbereinigung vorgenommen.

Schlechter sieht es beim Becken Mahd aus. Der Grunderwerb steht noch aus. Doch Setzer relativiert: „Dieses Becken hat nicht die höchste Priorität. Und wir haben ohnehin nicht die finanziellen Mittel und die Planungskapazität, alle Projekte gleichzeitig anzugehen.“

Weiter flussabwärts sollen auf Gemarkung Sulzbach zwei Zuflüsse im Falle eines Hochwassers zurückgehalten werden. Beim Becken Fischbachtal ist derzeit geplant, das Planfeststellungsverfahren für die zweite Hälfte 2021 einzuleiten.

Das zweite Becken hat den Zweck, den Haselbach zu zähmen und damit vor allem Bartenbach zu schützen. Für Sulzbach hat dieses Becken nicht die erste Priorität, die Planungen und die Realisierung ziehen sich noch hin.

Für Backnang und Oppenweiler hat das Becken Oppenweiler mit seinem riesigen Fassungsvermögen von 850000 Kubikmetern höchste Priorität. Setzer verspricht sich von ihm eine deutliche Reduzierung des Murrpegels, während alle anderen Becken zusammen für Backnang relativ wenig Auswirkung haben. Setzer: „Die Auswirkungen der restlichen Becken spielen sich im Falle eines Hochwassers im Zentimeterbereich ab. Wobei: Am Ende kann jeder Zentimeter wichtig sein.“

Besonders erfreulich ist, dass die Planung dieses wichtigsten Beckens am weitesten vorangetrieben ist. Und das, obwohl die Arbeiten sehr komplex sind, da unter anderem das Wasserkraftwerk der Rüflensmühle auch nach dem Umbau des Damms noch funktionieren muss. Auch die Bahnlinie beschäftigt die Planer derzeit. Setzer: „In diesem Abschnitt ist der Bahndamm nicht ganz unproblematisch.“ Heute schon existiert eine Geschwindigkeitsreduzierung für die Züge. Für die Zukunft muss gewährleistet sein, dass aufgestautes Wasser und der damit verbundene Wasserdruck den Bahnbetrieb nicht beeinträchtigen. Eine Baugrunduntersuchung steht noch aus. Setzer: „Wir könnten bauen, aber diese Frage ist noch offen.“ Der Verbandsvorsitzende würde sich wünschen, dass der Spatenstich für dieses Becken noch in diesem Jahr erfolgt, „aber ich bin nicht sicher, ob das klappt, die Bahn ist bei Entscheidungen nicht gerade für ihr Tempo bekannt“.

Auch wenn die künftige B-14-Ortsumfahrung von Oppenweiler entlang des Rückhaltedamms verlaufen soll, so wurden die beiden Projekte entkoppelt. Setzer: „Beide Projekte sind zeitlich zu sehr auseinander, was den Planungs- und Genehmigungsstand angeht. Wir können auf die Straßenbauer nicht warten.“

Das Backnanger Becken Brunnenwiesen ist besonders wichtig für Strümpfelbach. Das Planfeststellungsverfahren ist eingeleitet, demnächst findet die Auslegung der Pläne statt. Das Bauwerk und die Umstände sind laut Setzer nicht sehr komplex: „Wir haben akribisch vorgearbeitet und hoffen, dass das schnell geht.“

Das Becken Seehau liegt im Norden der Kernstadt. Es wirkt sich stark auf die Wassermassen des Eckertsbachs aus, der unter der Sulzbacher Brücke in die Murr mündet. Setzer: „Wir wollen das Planfeststellungsverfahren im zweiten Halbjahr 2021 einleiten. Die Vorarbeiten laufen.“

Die Eigenanteile der Kommunen sind trotz eines 70-Prozent-Zuschusses immer noch „dicke Brocken“

Das Land fördert den Hochwasserschutz mit 70 Prozent. Die restlichen Kosten teilen sich die Kommunen des Wasserverbands nach einem bestimmten Schlüssel, je nachdem, wie sehr sich das Becken auf die örtliche Hochwassersituation auswirkt. Diese Beträge sind für die Kommunen immer noch „dicke Brocken“.

Das Becken Gaab ist das größere der beiden Fornsbacher Becken. Es wird bis zu 447000 Kubikmeter Hochwasser der Murr und des Otterbachs zurückhalten können und kostet 13,3 Millionen Euro. Das Becken Mahd hat ein Rückstauvolumen von 140000 Kubikmetern. Die Kosten sind noch nicht ermittelt.

Das Becken Fischbach hat ein Volumen von 270000 Kubikmeter, die Kosten betragen laut einer Berechnung von 2017 etwa 7,4 Millionen Euro. Ebenso etwa 270000 Kubikmeter Volumen soll das Becken Haselbach erhalten. Die Gesamtherstellungskosten belaufen sich auf etwa 3,5 Millionen Euro.

Das Becken Oppenweiler fasst 850000 Kubikmeter und kostet etwa 20 Millionen Euro. Die Bauzeit beträgt zweieinhalb Jahre.

Das Backnanger Becken Seehau erhält ein Rückhaltevolumen von 18000 Kubikmetern und kostet etwa 1,26 Millionen Euro. Das Becken Brunnenwiese hat ein Rückhaltevolumen von etwa 38000 Kubikmetern und kostet etwa 1,25 Millionen Euro.

Nach Abschluss der innerstädtischen Arbeiten ist die Backnanger City von der Oberen Walke bis hinter Tesat vor Hochwasser geschützt (mit Ausnahme einer Mauerlücke eines Privatgrundstücks). Das heißt: Bei einem HQ 100, also einem Hochwasser, wie es statistisch einmal in 100 Jahren vorkommt, würde das Wasser bis zur Oberkante der Mauern stehen. Allerdings bislang ohne Berücksichtigung des Klimazuschlags und des Faktors Wellenschlag. Um auch diese Risiken abzusichern und zudem ein Freibord von 50 Zentimetern zu erreichen ist vor allem eines nötig: Das Becken Oppenweiler.

Innerstädtisch gibt es noch eine Schwachstelle: Eine etwa 80 Meter lange Passage nördlich des Aldiparkplatzes in der Gartenstraße. Um zu verhindern, dass auch dort 1,5 Meter hohe Mauern gebaut werden, ist noch ein Grundstückserwerb nötig. Dann kann die Sicherheit auch mit einem Erdwall hergestellt werden. Allerdings müssten dann die bisherigen Parkplätze wegfallen.

Verbesserungen beim Hochwasserschutz ab Tesat weiter flussabwärts werden derzeit nicht umgesetzt, hier durchquert die Murr das IBA-Gelände. Da dieses bis 2027 völlig neu gestaltet werden soll, machen kurzfristige Maßnahmen keinen Sinn. Stefan Setzer: „Wir warten auf die IBA-Umsetzung und versprechen uns dann einen großen Mehrwert in diesem Bereich. Die Umsetzung des Hochwasserschutzes ist Teil der Neubebauung.“

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Erstellt:
31. August 2020, 06:00 Uhr

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