Mit Bolzenschneidern aufs Rollfeld
Zwei Klimaaktivistinnen der Letzten Generation haben sich auf dem Flughafen Stuttgart festgeklebt. Die Feuerwehr muss sie vom Asphalt lösen. Zu Einschränkungen im Flugverkehr kam es wegen der Aktion aber nicht.
Von Sebastian Steegmüller
Stuttgart - Mit großen Bolzenschneidern sind Klimaaktivisten der Letzten Generation am Donnerstagfrüh an insgesamt vier deutschen Flughäfen angerückt. Im Schutz der Dunkelheit zwickten sie Zäune auf, schlüpften durch die Löcher und klebten sich wenig später auf dem Boden fest – allerdings auf einer der Rollbahnen und nicht direkt auf die Start- und Landebahn. „Dort hätte unser Protest einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr dargestellt. Es geht uns schließlich um Menschenschutz und nicht Eigengefährdung“, sagte Anja Windl am Donnerstagnachmittag.
Bekleidet mit einer orangenen Warnweste hat sich die 27-Jährige gegen 5.30 Uhr gemeinsam mit einer vier Jahre jüngeren Aktivistin auf das Rollfeld in Leinfelden-Echterdingen geschlichen. Dort platzierten sie unter anderem Banner mit der Aufschrift „Öl tötet“ und griffen zum Gemisch aus Sand und Sekundenkleber, um sich mit dem Untergrund zu verbinden. Kurz vor der Aktion habe man dem Tower beziehungsweise der Flughafenfeuerwehr Bescheid gegeben. Die Einsatzkräfte mussten die Frauen vom Asphalt lösen. Gegen 8 Uhr war die Aktion beendet, im Lauf des Vormittags wurde der Schaden am Zaun behoben. Ob am Rollfeld Schäden entstanden sind, stand im Lauf des Donnerstags noch nicht fest.
Während es in Nürnberg und in Köln/Bonn zu Flugausfällen und Verzögerungen gekommen ist, war der Flugverkehr in Berlin und Stuttgart offenbar nicht beeinflusst. „Bei uns fielen keine Flüge aus, auch keine zu anderen betroffenen Zielorten“, sagt eine Sprecherin des Flughafens Stuttgart. Köln und Nürnberg seien aktuell nicht im Streckennetz des Airports, ein Flug nach Berlin sei um 6.30 Uhr ganz normal gestartet.
Doch, wie kann es eigentlich sein, dass zwei Aktivistinnen mit einfachen Mitteln auf das Rollfeld gelangen können? „Hier am Flughafen Stuttgart gibt es wie an anderen Airports ein mehrstufiges Sicherheitskonzept“, argumentiert die Sprecherin. Die Melde- und Alarmketten hätten einwandfrei funktioniert. „Ebenso die Zusammenarbeit der zuständigen Stellen und Behörden.“ Außerdem passe man die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen Stuttgart in Abstimmung mit den Behörden kontinuierlich an, so die Sprecherin.
Man könne jedoch keine detaillierten Angaben machen, wie diese Maßnahmen auf dem rund 400 Hektar großen Flughafengelände – 190 davon sind Grünflächen – aussehen.
Anja Windl und ihre Mitstreiterin sind am Donnerstag vorläufig festgenommen worden, im Lauf des Tages wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen beide Frauen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dass die 27-Jährige sich davon beeindrucken lässt, ist eher unwahrscheinlich. Die Bayerin, die in Klagenfurt am Wörthersee lebt und Psychologie studiert, ist eines der bekanntesten Gesichter der Letzten Generation. In Österreich ist sie aufgrund diverser Straßenblockaden zu Geldstrafen von mehr als 30 000 Euro verurteilt worden. Weil sie diese nicht bezahlen wolle und könne, muss sie die nächsten Jahre alle sechs Monate für sechs Wochen in Haft, um eine Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten. „Der Staat sieht keinen Cent von mir. Solange systematisch unsere Lebensgrundlagen verbrannt werden, hören unsere Proteste nicht auf“, sagte Windl.