Mit Höchsttempo durch die Weinberge

In Kleinaspach trifft sich seit etwa zwei Jahren eine Gruppe Longboarder zum Downhill-Fahren. Zwischen 40 und 70 Kilometer pro Stunde erreichen die Sportler vom „Team Schwabenteuer“ hier auf ihren Boards.

Beim Downhill-Longboarding fahren Sportler in hoher Geschwindigkeit Berge und Hügel hinunter. Dabei sind Vorsicht, die richtige Technik und gute Ausrüstung wichtig. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Beim Downhill-Longboarding fahren Sportler in hoher Geschwindigkeit Berge und Hügel hinunter. Dabei sind Vorsicht, die richtige Technik und gute Ausrüstung wichtig. Fotos: J. Fiedler

Von Kristin Doberer

AspacH. Der Longboarder hat die Hände hinter dem Rücken, er lehnt sich vor, macht sich klein, er will noch mehr Tempo aufnehmen. Mit etwa 40 Kilometer pro Stunde schießt er auf dem Weg in den Kleinaspacher Weinbergen entlang, weiter unten am Berg wird er sogar zwischen 70 und 80 Stundenkilometer schnell werden. Doch noch liegt sein Blick konzentriert auf der engen Kurve vor ihm. Er lehnt sich in die Kurve, die Räder des Longboards schaben über den Boden, wirbeln Staub auf. Auch seine rechte Hand schlittert über den Boden, vereinzelt fliegen Funken, als er die Kurve so eng wie möglich nimmt. Zu eng. Ein Rad bleibt im Gras hängen, der Fahrer stolpert nach vorne, kann sich aber noch fangen und startet gleich einen neuen Versuch. Er ist Teil einer kleinen Gruppe Longboarder, die sich seit etwa zwei Jahren regelmäßig zum Downhill-Fahren in den Weinbergen trifft.

Beim Downhill wird mit Boards einen Hügel oder Berg heruntergefahren. Dabei können Geschwindigkeiten bis zu 90 Stundenkilometer erreicht werden. „Es geht um das Adrenalin, wenn man eine schnelle Strecke fährt“, sagt Rainer Oesterle, der den Sport seit etwa zehn Jahren betreibt. Die Sicherheit spielt bei der Gruppe deshalb eine große Rolle. Alle tragen Vollhelme, Protektoren an Knien, Händen und Ellenbogen, zum Teil auch Protektoren für den Rücken. „Wenn wir jemand treffen, der ohne Helm fährt, sprechen wir ihn auch darauf an“, sagt Peter Schönwiese, Organisator der Gruppe, die sich „Team Schwabenteuer“ nennt.

Verletzungen gehören dazu. Die richtige Schutzausrüstung ist wichtig.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Verletzungen. Blaue Flecken und Schürfwunden seien ganz normal, hin und wieder kommt es aber auch zu Brüchen oder ausgekugelten Schultern. „Aber die Verletzungen sind auch nicht häufiger als zum Beispiel beim Fußball“, sagt Sebastian Schröter aus Bietigheim. Er betreibt den Sport seit sieben Jahren. Zur richtigen Ausrüstung gehören außerdem auch spezielle Handschuhe, an deren Handflächen sich Puks zum Sliden befinden, und Schuhe mit Bremssohle. Mindestens 300 Euro fließen schnell in die Ausrüstung für das Hobby. Dabei müssen gerade die Schuhe viel aushalten. Besonders merkt den Abrieb Rainer Oesterle aus Großaspach. Er rast den Berg nicht stehend, sondern auf dem Rücken liegend nach unten und hat sich eigene Sohlen aus Rollerreifen gefertigt. Denn: „Die Fußbremse muss einfach sitzen“, sagt Oesterle. „Das Hauptziel muss sein, sicher runterzukommen.“ Gerade wenn immer wieder Radfahrer oder Fußgänger entgegenkommen, seien Kontrolle und Rücksicht gefordert. Ein Schild warnt schon unten im Weinberg vor kreuzenden Skatern, bevor sie losfahren, wird von oben genau beobachtet, ob die gesamte Strecke frei ist. „Sobald man losfährt, ist man dann voll bei der Sache und muss total fokussiert sein“, sagt Oesterle. Um im Notfall rechtzeitig stoppen zu können, beherrscht jeder den Bremsslide, also die Vollbremsung, bei der das Skateboard komplett quergestellt wird und so schnell zum Stehen kommt.

Die richtige Schutzausrüstung ist wichtig: An den Handschuhen befinden sich Puks zum Sliden, ohne Vollhelm und Protektoren fährt keiner.

© Jörg Fiedler

Die richtige Schutzausrüstung ist wichtig: An den Handschuhen befinden sich Puks zum Sliden, ohne Vollhelm und Protektoren fährt keiner.

Immer wieder kommen auch an diesem Sonntag Radfahrer und Spaziergänger entgegen. Viele sind interessiert und grüßen die Skater zurück. Der eine oder andere schüttelt aber auch den Kopf. An manchen Orten haben Fußgänger, die sich gestört gefühlt haben, auch schon mal die Polizei gerufen, erzählt Schönwiese. „Wir haben dann zusammengepackt und sind gegangen.“ Denn: Das Fahren mit dem Longboard ist in einer Grauzone. Nach dem Straßenverkehrsrecht sind Longboard-Fahrer gleichgesetzt mit Fußgängern. Von daher dürfen sie streng genommen nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen.

„Die Wengerter feuern uns auch manchmal an.“

Die Weinberge in Kleinaspach haben sich zu einem Homespot für die Gruppe entwickelt, auch wenn viele gar nicht aus der näheren Umgebung kommen. Die rund 20 Mitglieder der Schwabenteurer kommen unter anderem auch aus Pforzheim, Bietigheim oder Böblingen. Nur einer kommt direkt aus Großaspach. „Hier in Aspach werden wir geduldet“, sagt Schönwiese. Er kommt eigentlich aus dem Kreis Pforzheim und fährt etwa 40 Minuten zu dem „Homespot“. „Die Einheimischen kennen uns hier schon, Probleme gab es bisher noch nie. Und die Wengerter feuern uns auch manchmal an.“

Das ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass die Gruppe immer wieder nach Aspach zurückkommt, obwohl sie alle die Strecke mittlerweile sehr gut kennen und es nicht mehr ganz so adrenalingeladen ist wie auf unbekannteren oder steileren Strecken. „Die Strecke eignet sich sehr gut, um Anfängern etwas beizubringen und verschiedene Techniken zu üben“, sagt Schönwiese. Außerdem habe man in den Weinbergen gute Möglichkeiten, um sich hinzusetzen, sich zwischen dem Fahren und Hochlaufen auszuruhen und zu reden. Auch an diesem Sonntag sitzt ein Teil der Gruppe an einer Kurve unter einem Pavillon mit eigenem Logo. Sie unterhalten sich, essen, trinken und kommentieren die Technik derer, die gerade um die Kurve fahren.

Das weiß Schönwiese besonders zu schätzen. Mit 50 Jahren ist er der Erfahrenste aus der Gruppe, seit er 20 ist, skatet er. „Ich bin lange allein gefahren. Da gab es noch nicht die Ausrüstung oder die Technik. Ein Reiz war, herauszufinden, wie man den Berg überhaupt runterkommt, ohne dass man sich wehtut.“ Jetzt schätzt er besonders den allgemeinen Spirit, die Atmosphäre rund um den Nischensport.

Die Szene ist klein, bei Veranstaltungen trifft man immer bekannte Gesichter

Dazu gehören auch verschiedene Veranstaltungen mit anderen Longboardern. Dafür zieht es die Sportler immer wieder zu neuen Strecken. Und das nicht nur deutschlandweit, sondern weltweit. Drei Mitglieder der Gruppe fahren demnächst zum Beispiel zu einem Event nach Slowenien, sie waren aber auch schon in Australien, Neuseeland und vielen weiteren Ländern mit ihren Boards unterwegs. Bei solchen Events gehören Straßen und Serpentinen ganz den Skatern, die Kurven sind mit Strohballen gesichert, auf manchen Strecken erreichen sie Geschwindigkeiten von bis zu 90 Stundenkilometern. Drei bis vier Tage wird gezeltet, gefeiert und es werden Downhill-Meisterschaften ausgetragen.

Die Gemeinschaft spielt eine große Rolle in der Gruppe. Zwischen den schnellen Fahrten nach unten und dem anstrengenden Hochlaufen brauchen alle immer wieder eine Pause.

© Jörg Fiedler

Die Gemeinschaft spielt eine große Rolle in der Gruppe. Zwischen den schnellen Fahrten nach unten und dem anstrengenden Hochlaufen brauchen alle immer wieder eine Pause.

„Für viele von uns geht für solche Events der ganze Urlaub drauf“, sagt Sebastian Schröter, die Events seien ein besonderes Highlight. „Das hat eher Festivalcharakter. Die Szene ist sehr klein, man kennt sich untereinander.“ Auch das Team Schwabenteuer hat auf ähnlichen Events und über Social-Media-Gruppen zusammengefunden. Ein richtiger Verein ist die Gruppe nicht. Der Name und das Logo wurden vor allem entwickelt, um ein Erkennungszeichen bei Events zu haben und Zusammenhalt zu signalisieren. Dadurch kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Leute zu der Gruppe dazu, mittlerweile sind etwa 20 Longboarder aus der Region dabei, im Alter zwischen neun und 50 Jahren.

Rainer Oesterle,
seit über zehn Jahren Longboarder aus Großaspach „Es geht um die Geschwindigkeit. Um das Adrenalin, wenn man eine schnelle Strecke fährt.“

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Erstellt:
19. Juli 2021, 06:00 Uhr

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