Atacama-Wüste
Mit Nebel gegen Wasserknappheit
In der chilenischen Atacama-Wüste testet ein Forschungsteam eine ungewöhnliche Wasserquelle. Eine Lösung mit Potenzial, aber auch mit Grenzen.
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© dpa/Virginia Carter Gamberini
Alto Hospicio, eine schnell wachsende Stadt in der hyper-trockenen Atacama-Wüste, könnte von der Wassergewinnung durch Nebel profitieren.
Von dpa
In der extrem trockenen Atacama-Wüste könnte Nebel eine neue Wasserquelle sein. Eine chilenisch-belgische Studie, veröffentlicht im Fachblatt „Frontiers in Environmental Science“, zeigt, dass spezielle Kollektoren täglich mehrere Liter Wasser pro Quadratmeter gewinnen könnten. Die Atacama-Wüste gilt mit weniger als einem Liter Niederschlag pro Quadratmeter pro Jahr als eine der trockensten Regionen weltweit. Viele Städte nutzen Grundwasser, das aus Regenfällen stammt, die zuletzt vor 10 000 bis 17 000 Jahren in größerem Ausmaß niedergingen.
Eine Forschungsgruppe hat nun untersucht, ob die Nebelernte – ein Verfahren zur Sammlung und Speicherung von Nebelwasser – eine einfache und kostengünstige Lösung zur Wasserversorgung in der Wüste sein könnte.
Zwei Pfosten, ein Netz und eine Rinne
Für das Sammeln von Nebelwasser werden spezielle Kollektoren benötigt: Diese bestehen typischerweise aus einem Netz, das zwischen zwei Pfosten gespannt ist und Feuchtigkeit auffängt. Die Tröpfchen sammeln sich auf der Oberfläche, fließen in eine Rinne und gelangen von dort in Wasserbehälter – ganz ohne externe Energie. Das Konzept wird bereits in ländlichen Regionen Südamerikas und Afrikas getestet. Die aktuelle Studie sollte nun das Potenzial der Methode für eine urbane Umgebung testen.
Das Forschungsteam stellte mehrere Nebelkollektoren in und um Alto Hospicio auf, einer schnell wachsenden Stadt im Norden der Atacama-Wüste. Hier leben rund 10 000 Menschen in einfachen Unterkünften, von denen nur 1,6 Prozent ans Wassernetz angeschlossen sind. Die meisten Bewohner sind auf Wasserlieferungen per Lkw angewiesen. „Das Sammeln von Wasser aus unkonventionellen Quellen wie Nebel bietet eine wertvolle Möglichkeit zur Verbesserung der Lebensqualität“, wird Virginia Carter Gamberini von der chilenischen Universidad Mayor in einer Mitteilung zitiert.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten fest, dass in einem Gebiet von 100 Quadratkilometern rund um Alto Hospicio täglich zwischen 0,2 und 5 Liter Nebelwasser pro Quadratmeter gesammelt werden könnten. Dies sei allerdings beschränkt auf höher gelegene Bereiche außerhalb der Stadtgrenzen. Im August und September 2024 wurde sogar ein Sammelpotenzial von bis zu zehn Litern pro Quadratmeter und Tag festgestellt.
Nebelernte allein reicht nicht
Das Forschungsteam kalkuliert, dass basierend auf einer durchschnittlichen Wassersammelrate von 2,5 Litern pro Quadratmeter und Tag eine Netz-Fläche von 17 000 Quadratmetern ausreichen würde, um wöchentlich 300 000 Liter Wasser für die städtischen Slums bereitzustellen. Für die Bewässerung der Grünflächen (100 000 Liter pro Jahr) würden bereits 110 Quadratmeter Netz-Fläche genügen. „Indem wir das Potenzial in Alto Hospicio, einer der am stärksten stigmatisierten und dennoch schnell wachsenden Städte Chiles, aufzeigen, legt diese Studie den Grundstein für eine breitere Anwendung in anderen wasserarmen städtischen Gebieten“, sagt Studienautorin Nathalie Verbrugghe von der Freien Universität Brüssel. Die Methode allein reiche aber nicht aus, sondern müsse in eine umfassende Strategie eingebunden werden.
Dabei biete der Ansatz auch Chancen für andere trockene Regionen auf der Erde – wenn die geografischen und atmosphärischen Bedingungen stimmen. „Zu den wichtigsten Voraussetzungen gehören Nebeldichte, geeignete Windmuster und gut ausgerichtete erhöhte Landformen“, so Verbrugghe. Da Nebel oft saisonal auftrete, müsse diese Variabilität ebenfalls berücksichtigt werden.
Das gesammelte Wasser könnte sowohl zum Trinken als auch zur Bewässerung von Grünflächen sowie zur lokalen Nahrungsmittelproduktion verwendet werden. Allerdings seien große Speichersysteme und geeignete Rohrleitungen erforderlich.
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© dpa/Virginia Carter Gamberini
Blick auf die Stadt Alto Hospicio in der chilenischen Atacama-Wüste, einem der trockensten Orte der Welt.
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© dpa/Virginia Carter Gamberini
Graffiti in Alto Hospicio, das zeigt, wie die Stadt derzeit mit Wasser versorgt wird.
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© dpa/Virginia Carter Gamberini
Studenten stehen neben Nebenkollektoren (links) außerhalb der Stadt Alto Hospicio in der chilenischen Atacama-Wüste.
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© dpa/Felipe Trueba
Naturschönheit: Der Mond ist von San Pedro de Atacama aus über der Atacama-Wüste zu sehen.
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© dpa/Virginia Carter Gamberini
Wissenschaftlerin Virginia Carter Gamberini steht vor Nebelkollektoren, mit denen in der trockenen Atacama-Wüste in Chile Wasser gewonnen werden kann.