Warnstreik in Zuffenhausen
Porsche-Mitarbeiter erklären: Deshalb streiken wir
Die Friedenspflicht für 3,9 Millionen Beschäftigte in der IG Metall ist ausgelaufen. Die Beschäftigten bei Porsche am Hauptsitz in Stuttgart-Zuffenhausen sind die ersten in Baden-Württemberg, die streiken. Vielen geht es um mehr als eine Lohnerhöhung.
Von Veronika Kanzler
Mitten in der Nacht, um 2 Uhr legen die Mitarbeiter der Porsche AG in Zuffenhausen ihre Arbeit nieder. Hier, am Hauptsitz des Sportwagenbauers wird erst einmal kein Auto mehr vom Band laufen. Alle Beschäftigten der Nachtschicht, etwa 500 Arbeiter, sind nach Angaben der IG Metall dem Ruf der Gewerkschaft gefolgt und treten in einen Warnstreik. Sie fordern sieben Prozent mehr Lohn innerhalb eines Jahres. Die Metall-Arbeitgeber schlagen eine Erhöhung der Bezüge um insgesamt 3,6 Prozent vor. Allerdings soll die erste Stufe der Erhöhung um 1,7 Prozent erst im Juli 2025 einsetzen, weitere 1,9 Prozent soll es dann ein Jahr später geben. Weil die Gewerkschaft damit nicht zufrieden ist, gibt es nun Warnstreiks. Wie stehen die Porschemitarbeiter, die den Auftakt zu den Warnstreiks in Baden-Württemberg machten, zu den Forderungen?
Gökhan Kara (40), arbeitet bei Porsche in der Sattlerei
Gökhan Kara findet: Um den Lebensstandard zu halten, sei es zwingend, dass die Löhne angepasst werden. „In den vergangenen Jahren gab es keine nennenswerte Lohnerhöhung“, sagt Kara. Er und seine Kollegen hätten das damals akzeptiert. Doch das Leben werde immer teurer, da helfen auf Dauer auch keine Einmalzahlungen. „Ich bin deshalb hier, um klar zu machen, dass wir es ernst meinen.“
Egzon H. (31), arbeitet bei Porsche im Werk 4, bei den V8-Motoren
Für Egzon H. ist der Warnstreik dieses Mal etwas besonderes. Der Kfz-Mechaniker und Familienvater hat einen Song geschrieben. Darin fordert er die Arbeitnehmer auf, den sieben Prozent Lohnerhöhung zuzustimmen und verspricht: „Wir lassen nicht mehr locker, bis sich endlich was bewegt.“ Musik verbinde und bewege die Menschen, sagt H.
Die Idee für einen Rapsong habe ein Kollege gehabt. Egzon H. der schon als 10-Jähriger angefangen hat, Musik zu machen, war davon begeistert. Und seine Kollegen jubeln ihm um 3 Uhr morgens zu. Aufgrund der Inflation findet er die Forderung von sieben Prozent angemessen, so der Familienvater.
Anton Haffner (39), arbeitet bei Porsche in der Sattlerei
Die vielen Befristungen, die spätestens im Juni 2025 auslaufen, sorgen Anton Haffner. Er selbst sei davon zwar nicht betroffen, aber für ihn ist es wichtig, dass die Arbeitgeber nun an einen Tisch kommen um über die Zukunft zu sprechen. „Die Ankündigung von VW, drei Werke in Deutschland schließen zu wollen, gibt mir zurzeit kein gutes und sicheres Gefühl“, erklärt Haffner. An vorderer Stelle steht für den 39-Jährigen deshalb eine Standortsicherung, und dass die Tarifverträge fortgeführt werden.
Özcan Cataltepe (50), ist bei Porsche in der Abteilung Rechnungswesen
Er hat sich die Nacht um die Ohren geschlagen: Özcan Cataltepe arbeitet im Bereich Rechnungswesen und gehört damit eigentlich dem Tagdienst an. Er ist der Überzeugung, dass Solidarität gewinnt, „Das einzige was wir haben, ist unsere Arbeitskraft“, sagt Cataltepe. Deshalb beteilige er sich auch mitten in der Nacht an dem Warnstreik.
Kritik am Verbrenner-Aus der EU
Viele Beschäftigte beim Warnstreik bekräftigen die Forderung der Gewerkschaft nach mehr Geld. Bettina Buck, die in der Sattlerei bei Porsche arbeitet, geht es dabei nicht nur um ihren Arbeitgeber. „Ich streike für alle Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie, gerade auch für kleinere Unternehmen als unseres“.
Um in Zukunft noch einen Gehaltszettel des Sportwagenbauers zu bekommen, dafür streiken einige befristete Mitarbeiter. Ihre Stimmung ist derzeit regelrecht „beschissen“. Warum? Etwa 1000 Befristete mussten bereits gehen. Und Porsche hatte angekündigt, dass bis im kommenden Jahr alle befristeten Verträge auslaufen werden. „Wir haben noch die Hoffnung, dass unsere Verträge entfristet werden“, erzählen fünf Männer, die in der Motorenfertigung arbeiten und aufgrund der Lage anonym bleiben wollen. Dabei nehmen sie ihren Arbeitgeber auch in Schutz: „Die EU hat das Verbrenner-Aus ab 2035 beschlossen – Porsche reagiert nur darauf, was die Politik vorgibt“.
Darunter leide ganz Deutschland, das für seine Verbrennermotoren bekannt ist. Die jungen Männer finden, dass sich die Arbeitgeber in der Autoindustrie zusammentun sollten, um dieses europäische Vorhaben noch zu stoppen.