Standortdebatte

Mittelständler geben Deutschland nicht verloren

Witzenmann baut in Pforzheim eine neue Firmenzentrale, die Ulmer Wieland-Werke investieren in eine Anlage zum Recycling von Kupfer. Lapp und andere erweitern ihre Logistik.

Ein Mitarbeiter von Lapp rollt am Stammsitz in Stuttgart ein neu gefertigtes Kabel auf eine Transporttrommel.

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Ein Mitarbeiter von Lapp rollt am Stammsitz in Stuttgart ein neu gefertigtes Kabel auf eine Transporttrommel.

Von Ulrich Schreyer

Im Inland tätigen Mittelständler weiter hohe Investitionen. Dies zeigt eine Umfrage unserer Zeitung.

Witzenmann

In Pforzheim drehen sich die Baukräne. Auf der grünen Wiese baut Witzenmann eine komplett neue Firmenzentrale. Wie andere Mittelständler hat das Unternehmen auch Standorte im Ausland – doch trotz der Klage der Industrie über schlechte Standortbedingungen wird die bisher größte einzelne Investition in der 171-jährigen Firmengeschichte am Traditionsstandort getätigt. „In das neue Gebäude investieren wir 42 Millionen Euro“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Philip Paschen, „dort wird es 630 Arbeitsplätze geben, 500 in der Produktion und 130 in der Verwaltung. Die Produktion wird komplett in das neue Gebäude verlagert“. Der Hersteller von Kompensatoren, die Schwingungen und Dehnungen in Leitungen und Schläuchen dämpfen sollen, reagiert natürlich auch auf den rauen Wind des Wettbewerbs: „Wir werden mit unserem Neubau deutlich effektiver“, meint Paschen, der die Familie in der fünften Generation im Unternehmen vertritt.

So wird die Zahl der Standorte in der Region von sechs auf zwei reduziert: Pforzheim und Remchingen. In der jetzigen Zentrale, wo auf verschiedenen Ebenen produziert wird, bleibt lediglich ein Teil der Verwaltung. Spatenstich für den Neubau war im April 2024, in diesem Herbst soll das Gebäude fertig sein. Das Unternehmen (4280 Beschäftigte, davon 1700 in Pforzheim und Umgebung, 760 Millionen Euro Umsatz) will sich dort dann auch mit Halbleitern und der Wasserstofftechnik beschäftigten, außerdem soll ein Reinraum der höchsten Reinheitsklasse errichtet werden. „Wir investieren in Pforzheim, weil wir als Familienunternehmen eine Verantwortung für Land und Leute haben, sagt Paschen. „Wir haben hier außerdem gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nur weil die Energiekosten in Deutschland hoch sind, sind unsere Ingenieure noch lange nicht schlecht.“

Wieland-Werke

Wo Bauarbeiter und Bagger tätig sind, muss es nicht nur um neue Gebäude gehen. Die Ulmer Wieland-Werke AG (weltweit 10 000 Beschäftigte, davon 4300 in Deutschland, Umsatz etwa sechs Milliarden Euro) baut in ihrem Werk Vöhringen (2200 Beschäftige) bei Neu-Ulm eine Anlage für das Recycling von Kupfer. Der Kupferverarbeiter, der unter anderem Bänder, Bleche Rohre, Stangen und Drähte herstellt, investiert 80 Millionen in sein Kupferrecyclingcenter. Die Anlage soll wesentlich weniger CO2 ausstoßen als dies bisher üblich war. Der Bau von Kupferrecyclingcentern seien „entscheidende Schritte“ um bis spätestens 2045 in der Gruppe „Netto-Null-Emissionen zu erreichen“, meint Erwin Mayr, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Spatenstich war im Mai 2024, wenn sie im Januar 2026 ihre Arbeit aufnehmen soll, könnte die weltweite Recyclingquote der Produkte von Wieland auf mehr als 80 Prozent steigen. Die Investition soll auch zur Sicherung der Versorgung mit Kupferschrott beitragen. Ein ähnliches Recyclingcenter wurde bereits in Shelbyville (USA) errichtet.

Lapp

Einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“ investiert auch die Stuttgarter Lapp-Gruppe. Der Kabelhersteller (weltweit 5700 Beschäftigte, davon 1400 in der Region Stuttgart, 1,8 Milliarden Euro Umsatz) dürfte fast 100 Millionen Euro für sein neues Logistikzentrum in Ludwigsburg – wo bereits eines besteht – ausgeben. Auch Standorte im Ausland seien geprüft worden. Von Ludwigsburg aus, wo bereits 200 Beschäftigte arbeiten, will das Familienunternehmen künftig mehr als 50 Prozent seiner weltweiten Kunden beliefern. Die Erweiterung dort sei „die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens, ein klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Deutschland und der Region Stuttgart“, erklärt Matthias Lapp, der Vorsitzende der Geschäftsführung, der ebenfalls die hohe Qualifikation der Fachkräfte in Deutschland lobt. Begonnen wurde mit dem Bau im April 2024, im kommenden Jahr soll er fertig werden.

Würth

Die mit 97 Millionen Euro größte Investition in ihre Logistik hat die Künzelsauer Würth-Gruppe (weltweit 88 400 Beschäftigte, davon 14 000 in der Region, 20,2 Milliarden Euro Umsatz) im Januar eingeweiht, Spatenstich war im Juni 2022. „Mit dieser Investition bleiben wir wettbewerbsfähig und stärken die Region Hohenlohe, in der unser Unternehmen fest verwurzelt ist“, sagt Reinhold Würth, der Ehrenvorsitzende des Stiftungsaufsichtsrats. Als einer der Standortvorteile wird die Verbindung mit dem bestehenden Logistikzentrum betont.

Jako

Auch der Sportartikelanbieter Jako (Umsatz 197 Millionen Euro, 395 Beschäftigte) baut in Hohenlohe seine Logistik aus. Am Firmensitz in Mulfingen werden 60 Millionen Euro in einen Neubau investiert. Im Oktober 2024 wurde begonnen, die Fertigstellung ist für Anfang 2027 geplant. „Wir haben uns für Deutschland entschieden, wir machen einen großen Teil unseres Umsatzes hier. Außerdem soll es ein Bekenntnis zu Mulfingen sein“, sagt Nadine Sprügel, die Vorsitzende der Geschäftsführung.

Schwarz-Gruppe

Nicht in Baden-Württemberg, wohl aber in Deutschland, im brandenburgischen Lübbenau, baut die Neckarsulmer Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) ihr fünftes und größtes Rechenzentrum. Die Fertigstellung ist für Ende 2027 geplant, investiert werde „ein zweistelliger Milliardenbetrag. „Die Daten sollen in Deutschland bleiben“, meint eine Sprecherin von Schwarz Digits .

Treue zum Inland, Lockruf des Auslands

InlandIm deutschen Mittelstand haben nur wenige Firmenkonkrete Abwanderungspläne. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der genossenschaftlichen DZ-Bank. 80 Prozent der befragten Unternehmen können sich demnach nicht vorstellen, Deutschland ganz oder teilweise zu verlassen. Für acht Prozent komme die Verlagerung einzelner Standorte infrage, 13 Prozent könnten sich vorstellen, aus Kostengründen einzelne Abteilungen zu verlegen. (dpa)

AuslandJedes zweite Industrieunternehmen, das bereits in den USA tätig ist, will seine Investitionen dort in 2025 erhöhen. Damit wollten sich die Unternehmen gegen die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump absichern, meint Claus Paal, Vizepräsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags und Präsident der IHK Stuttgart. red

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Erstellt:
10. März 2025, 14:08 Uhr
Aktualisiert:
10. März 2025, 17:33 Uhr

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