Geschäft mit Sportartikeln
Mittelständler hoffen auf Nachspielzeit
Die Begeisterung über die Fußball-EM zeitigt Ergebnisse: Adidas und Intersport verzeichnen wachsendes Interesse an Sportartikeln. Kleinere Sportartikelhersteller wie Jako und Erima dagegen erwarten Effekte erst im Herbst.
Von Ulrich Schreyer
Begeisterung ist alles. Steigt bei der EM die Stimmung in den Fußballstadien, steigt sie auch bei den Herstellern von Sportartikeln – nachvollziehbar zuallererst bei den großen Ausrüstern wie Adidas. Das Unternehmen aus dem fränkischen Herzogenaurach, mit einem Umsatz von 21,4 Milliarden Euro Deutschlands größter Sportartikelhersteller, hat schon durch die Markteinführung der neuen Trikots im Vorfeld der Europameisterschaft und der Copa America, die ebenfalls im Juni beginnt, im ersten Quartal des Jahres bei Fußballkleidung ein zweistelliges Wachstum erzielt.
Begehrte Bälle
Ein starkes Wachstum gebe es auch bei Bällen, heißt es bei Adidas: „Wir erwarten auch während des Turniers eine höhere Nachfrage nach Fußballprodukten“. Und „selbstverständlich“ sieht das Unternehmen einen Zusammenhang zwischen dem Abschneiden der Mannschaften und der Nachfrage nach Trikots. Neben der deutschen Mannschaft beliefert Adidas die Teams aus Spanien, Italien, Belgien, Schottland und Ungarn. Auch in diesen Ländern könnte also etwas auf die Begeisterung für den Amateurfußball ausstrahlen.
Wenn die Profis das Runde erfolgreich in das Eckige bringen, hoffen aber auch kleinere Sportartikelhersteller auf durch die Begeisterung steigende Umsätze; das komme „dann auch unserer Marke zugute“, sagt Tobias Röschl, Vorstand für Marketing und Vertrieb beim Sportartikelhersteller Jako aus Mulfingen (Hohenlohekreis). Aktuell spürt Jako durch die EM bei der Nachfrage allerdings keinen Schub, „da wir keines der teilnehmenden Nationalteams ausrüsten“, sagt Röschl.
Mit Algorithmen auf den Trainingsplatz
Die Amateurfußballvereine beginnen in diesen Wochen, Trikots, Hosen, Stutzen und Trainingsbekleidung für die Saison 2024/2025 zu bestellen. Deshalb steige „die Nachfrage aktuell auch unabhängig von dem Event an“. Bringe ein begeisterndes Turnier Zuwächse, etwa im Jugendbereich, werde sich dies erst nach den Sommerferien in den verschiedenen Bundesländern auswirken.
Natürlich würde sich auch Röschl über eine gute sportliche Leistung der deutschen Mannschaft freuen. Wichtiger ist für ihn aber, wie sich die Leistung in den Profi-Arenen auf die Sportplätze der Amateure auswirkt. Nach Jahren mit einem starken Wachstum hat das Unternehmen mit seinen 380 Beschäftigten 2023 einen Umsatz von 176 Millionen Euro erzielt. Dieses Jahr wird mit einem Umsatzplus „im höheren einstelligen Bereich“ gerechnet.
EM nichtausschlaggebend für Umsatzwachstum
Der Verkauf von Trikots, Hosen, Stutzen sowie Trainings- und Freizeitkleidung läuft hauptsächlich über die Ausstattung von Vereinen. Deshalb ist für Jako auch „die Europameisterschaft nicht ausschlaggebend für Umsatzsprünge oder ein besonderes Saisongeschäft“, sagt Röschl. „Langfristige Effekte können sich aber natürlich über Zuwächse bei Vereinen und eine größere Begeisterung für den Sport ergeben“.
Auch Erima in Pfullingen bei Reutlingen rechnet eher mit längerfristigen Effekten. „Fans und Vereinsmitglieder konzentrieren sich in dieser Zeit primär auf den Wettbewerb und die Spiele“, sagt Mannherz, der das früher selbstständige Traditionsunternehmen von Adidas zurückgekauft hat. „Käufe kommen in aller Regel nach dem Wettbewerb.“ Doch das Abschneiden des deutschen Teams ist auch für ihn wichtig.
Nachfrage bei Intersport über den Erwartungen
Je besser die deutsche Mannschaft bei Wettbewerben abschneide, umso besser sei die Stimmung für den jeweiligen Sport: „Das belebt dann auch unser Geschäft“. Im vergangenen Jahr wurde mit 285 Beschäftigten ein Umsatz von 66 Millionen Euro erzielt, für das laufende Jahr rechnet Mannherz mit einem ähnlichen Umsatz – was wohl vorsichtig geschätzt ist. Erima und Jako erwarten Effekte erst nach der Europameisterschaft – sozusagen in der Nachspielzeit.
Auch Intersport Deutschland in Heilbronn spürt einen Nachfrageschub bei Trikots – teilweise waren diese sogar ausverkauft. „Die Nachfrage nach den EM-Trikots lag bisher über den Erwartungen“, berichtet Alexander von Preen, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Je nach Verlauf des Turniers könne die Nachfrage nach Trikots und nach Schuhen noch steigen.
Gute Stimmung – gutes Geschäft
Wichtig für den heimischen Markt sei das Abschneiden der deutschen Mannschaft. Wichtig sei zudem, ob diese sich so präsentiere, dass sie bei den Fans Begeisterung auslöse. Eine Meisterschaft könne den Umsatz entscheidend steigern; Faktoren wie das konjunkturelle Umfeld, Inflation, Kriege und eine allgemeine Verunsicherung könnten dagegen die Kauflust wiederum dämpfen.
Der Einkaufsverbund, der im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Euro umsetzte, will bis 2030 stärker wachsen als der Markt. Sport, sagt von Preen, „stärkt auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und könne damit einen Beitrag zu einer insgesamt besseren Stimmung in Deutschland leisten – wodurch auch mehr Geld in die Kassen der Sportartikelhersteller fließen könnte. Begeisterung bei der EM, sagt Stefan Rosenkranz, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Sportartikelindustrie, könne seiner Branche Schwung geben – und darüber hinaus dem Tourismus und der Gastronomie.
Die Sportartikelbranche
UmsatzDie Branche setzte im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesverbands der Sportartikelhersteller rund zwölf Milliarden Euro um. Für das laufende Jahr rechnet Geschäftsführer Stefan Rosenkranz mit einem leichten Wachstum. Im Verband sind die Hersteller von Textilien ebenso vertreten wie die von Schuhen oder von Hartwaren wie Bällen.
BeschäftigteIn der gesamten Sportwirtschaft sind 1,2 Millionen Menschen tätig. Dabei sind aber auch Beschäftigte etwa in Fitnessstudios oder bei Vereinen mitgezählt. Angaben zur Zahl der Beschäftigten bei den Herstellern von Sportartikeln liegen dem Verband nicht vor.