Mordfall Ewald Mayer: Ein unfassbarer Freispruch
Alten Kriminalfällen auf der Spur Ewald Mayer, Seniorchef des Kaufhauses Max Mayer, wurde vor 50 Jahren ermordet.
Von Yvonne Weirauch
BACKNANG. Lähmendes Entsetzen ergriff alle, die am Tage des 5. Novembers 1973 vom Mord an einer der angesehensten Persönlichkeiten Backnangs erfuhren: Ewald Mayer wurde am Abend des 4. Novembers 1973 erstochen aufgefunden. Die Kriminalpolizei nahm zwar wenige Wochen später zwei junge Männer als Tatverdächtige fest, aber sie wurden freigesprochen. Ein Urteil, das damals sowohl die Bevölkerung als auch die Polizei erschütterte. Dieses tragische Ereignis gehört wohl in die Rubrik unfassbare Kriminalgeschichte. Zumindest dann, wenn man einen Blick in die Polizeiaufzeichnungen und in die Ermittlungsakten von damals wirft.
An jenem Sonntag im November 1973 überprüfte der 56 Jahre alte Kaufmann und Mitinhaber des Geschäftes Max Mayer, Ewald Mayer, gegen 21 Uhr wie üblich die Klimaanlage der Geschäftsräume. Er war erst einige Stunden zuvor aus dem Urlaub mit der Familie aus Oberstaufen zurückgekehrt. Der Inhaber eines im gleichen Areal untergebrachten Ladengeschäftes entdeckte gegen 21.15 Uhr, dass die Glasfüllung der Eingangstüre eingeschlagen war. Davon setzte er den ältesten Sohn des Geschäftsinhabers telefonisch in Kenntnis. Dieser begab sich daraufhin in das Geschäft, wo er seinen Vater in der zur Gartenstraße hin gelegenen Pförtnerloge schwer verletzt und bewusstlos vorfand. Ein Schock für den Sohn. Der Verletzte wurde ins Kreiskrankenhaus Backnang eingeliefert, wo allerdings nur noch der Tod festgestellt werden konnte.
Der Verletzte bewegte sich noch etwa 60 Meter
Laut den Ermittlungen wurde davon ausgegangen, dass Ewald Mayer einen Einbrecher überrascht hatte, der ihm dann mit einem aus dem Kaufhaus stammenden Küchenmesser mit einer 15 Zentimeter langen Klinge einen Stich in den Rücken verpasste. Der Verletzte konnte sich nur noch etwa 60 Meter zur Pförtnerloge bewegen. Vermutlich wollte er ans Telefon, um Hilfe zu rufen.
In den Verkaufsräumen waren von dem oder den Tätern drei Ferngläser, zwei mit Kassetten-Rekordern kombinierte Kofferradios und zwei Taschenlampen zur Mitnahme bereitgelegt. So lauten Auszüge des offiziellen Berichts der Staatsanwaltschaft Stuttgart, der Mordkommission und der Kriminalaußenstelle Backnang von damals. Die grausame Tat konnte in Backnang kaum in Worte gefasst werden, war Ewald Mayer doch ein Kaufmann mit Leib und Seele. Mit unternehmerischem Weitblick stellte er bereits in den 50er-Jahren die Weichen für eine zukunftsorientierte Entwicklung des Hauses Max Mayer. Zum einen durch die Umwandlung des seit mehr als 60 Jahren im Familienbesitz befindlichen Textilgeschäfts in ein Kaufhaus, und zum anderen durch die 1962 erfolgte Verlegung des rasch zu klein gewordenen Geschäfts in die Räume der ehemaligen Lederfabrik Schweizer bei der Bleichwiese.
Keiner der über 100 Hinweise führte zum Täter
Es war der Verdienst Ewald Mayers, als erster in Backnang ein Kaufhaus ins Leben gerufen zu haben. Umso unverständlicher erschien es den Backnangern, dass der Kaufmann brutal und ohne Skrupel erstochen wurde. Die Polizei bat um Hinweise. Wochenlang blieb die vorübergehend fast 20 Mann starke Mordkommission in Backnang – ohne Erfolg. Keiner der weit über 100 Hinweise aus der Bevölkerung führte zu den Tätern.
Bis kurz vor Weihnachten 1973 entscheidende Hinweise auf die Spur zweier 19-jähriger Männer führte, die aus einem etwa 45 Kilometer entfernten Ort stammten. Einer von ihnen war aufgrund eines bestehenden Steckbriefes ins Gefängnis gekommen. Der andere gab an, zusammen mit dem befreundeten zweiten Verdächtigen per Anhalter nach Backnang gekommen zu sein. Zuerst hätten sie versucht, in eine Tankstelle einzubrechen, wobei sie aber gestört wurden und das Vorhaben aufgaben. Daraufhin seien sie ins Haus Mayer eingedrungen, wo dann unerwartet Ewald Mayer in der Tür stand. Einer der Einbrecher sagte, sein Freund habe den Geschäftsmann niedergestochen, dann sei man ohne Beute geflohen und hätte Backnang per Anhalter verlassen. Der zweite Verdächtige stritt die Tat jedoch gänzlich ab. Für die Polizei ein aufgeklärter Fall. Eindeutiger konnte die Beweislage nicht sein. Unfassbar für die Bevölkerung: Die mutmaßlichen Täter wurden damals freigesprochen. Sie beschuldigten sich der Tat gegenseitig. Eindeutig nachweisen, wer von den beiden Männern nun tatsächlich zugestochen hatte, konnte man nicht.