Ulmer Drogerieunternehmer

Erwin Müllers Adoptivkinder gehen im Erbschaftsprozess leer aus

Der Drogerieunternehmer und seine Ehefrau gewinnen einen Erbstreit vor dem Landgericht Ulm. Die Adoptivkinder erhalten keinen Pflichtteil. So begründet das Gericht seine Entscheidung.

Erwin Müller und seine Frau gewinnen den Erbschaftsprozess gegen die drei Adoptivkinder.

© dpa/Henning Kaiser

Erwin Müller und seine Frau gewinnen den Erbschaftsprozess gegen die drei Adoptivkinder.

Von Rüdiger Bäßler

Drei Adoptivkinder des Ulmer Drogerieunternehmers Erwin Müller und seiner Frau Anita haben keinen Anspruch auf Auszahlung eines Pflichterbes. Das entschied am Montag die 2. Zivilkammer des Landgerichts Ulm. Die aus einer bayerischen Allgäu-Gemeinde stammenden Kläger – zwei Brüder sowie die Ehefrau eines der Männer – hatten auf „Feststellung der Nichtigkeit eines Pflichtteilsverzichtsvertrages“ geklagt. Sie waren 2015 von dem Unternehmerpaar adoptiert worden, verzichteten zuvor jedoch durch notariellen Vertrag auf ihren Erbpflichtteil.

Zerwürfnis zwischen Erwin Müller und seinem leiblichen Sohn

Sie seien damals getäuscht worden, machten die Kläger bei der mündlichen Verhandlung Anfang Mai geltend. Der Notarvertrag sei ihnen eilig und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Unterschrift vorgelegt worden. Zudem seien die abverlangten Unterschriften mit Versprechungen bedeutender Schenkungen noch zu Lebzeiten Erwin Müllers verbunden worden. So habe Erwin Müller ihnen zum Beispiel den Bau eines Schießzentrums im Allgäu, die Übereignung einer Finca auf Mallorca oder die Finanzierung zur Entwicklung eines neuen Jagdgewehrs versprochen. Nichts davon sei eingehalten worden. Obendrein aber, so die Kläger, hätten sie erkennen müssen, dass die Müllers die Adoption vor allem angestrebt hätten, um die Erbansprüche des leiblichen Sohns Erwin Müllers zu drücken. Anita Müller bestätigte im mündlichen Verfahren ein tiefes Zerwürfnis zwischen ihrem Mann und diesem Sohn, der auch einmal im Drogerieunternehmen als Nachfolger aufgebaut werden sollte. Sie bestritt aber sämtliche Vorwürfe der Kläger. Die Adoption der früheren langjährigen Jagdfreunde ihres Mannes sei aus Sympathie und Zuneigung geschehen.

Auch wenn ein Elternteil ein Kind enterbt, bleibt der Pflichtteil bestehen

Wie dieser vorgebliche geheime Erbplan gedacht gewesen sein sollte, das wurde nur in Ansätzen formuliert. Fakt ist: Laut Gesetz beträgt der Pflichtteilsanspruch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Auch wenn ein Elternteil ein Kind enterbt, bleibt dieser Anspruch bestehen. Müllers Sohn hätte also nach dem Tod des Vaters in jedem Fall ein Viertel des Erbes zugestanden. Durch die drei weiteren, adoptierten Kinder wäre dieser Anspruch theoretisch auf ein Sechzehntel geschrumpft. Auffällig: Es gibt eine enge zeitliche Nähe des Adoptionsdatums zum freiwilligen Verzicht des leiblichen Sohnes Erwin Müllers an sämtlichen Unternehmensanteilen gegen eine hohe Millionenzahlung durch den Vater. Unter anderem hatte das „Manager Magazin“ seinerzeit davon berichtet.

Adoptivkinder sind im „mittleren Erwachsenenalter“

Die Ulmer Richterin hatte diese Spur im Verfahren nur kurz verfolgt. Ob durch die Adoption das Erbe des leiblichen Müller-Sohnes „verwässert“ werden solle, sei zumindest fraglich, am Ende auch nicht erheblich, führte sie im Mai aus. Im Urteil beschränkte sich die Kammer auf die Bedingungen der Vertragsunterzeichnung zum Erbverzicht der Adoptivkinder und stellte fest: „Das Landgericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass der angegriffene Pflichtteilsverzichtsvertrag weder aus formellen Gründen noch aufgrund von – von den Klägern behaupteten – Formverstößen nichtig ist.“

Die vorgebrachten Schenkungsversprechen seien nirgendwo dokumentiert und damit nicht beweisbar. Die Kläger seien bei Vertragsschluss zudem „im mittleren Erwachsenenalter“ gewesen und hätten die Tragweite ihres Verzichts also abschätzen können.

Den Klägern bleibt jetzt noch die Möglichkeit einer Berufung. Ob sie genutzt wird, blieb am Montag unklar: Keiner der Streitbeteiligten war gestern bei der Verkündung des Urteils anwesend. Ganz ohne Vorteile haben die Kläger nach 2015 auch nicht leben müssen, wie der Prozess zeigte. Alle drei Beteiligten bekamen von den Müllers Geldbeträge von je 400 000 Euro und damit den gesetzlichen Steuerfreibetrag im Fall von Erbantritten ausbezahlt. Nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren sollten sie, so die Vereinbarung, dieselbe Summe erneut erhalten. Ein Teil des Geldes dürfte nun für Anwalts- und Gerichtskosten aufgewendet werden müssen.

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Erstellt:
29. Juli 2024, 12:02 Uhr
Aktualisiert:
29. Juli 2024, 16:59 Uhr

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