Israelischer Ministerpräsident

Müsste Friedrich Merz Benjamin Netanjahu festnehmen lassen?

Schon früh kündigte Friedrich Merz an, den israelischen Regierungschef in Deutschland empfangen zu wollen – obwohl es einen Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu gibt. Nun spitzt sich das Dilemma zu.

Gegen den israelischen Ministerpräsidenten gibt es einen internationalen Haftbefehl.

© AP/Maya Alleruzzo

Gegen den israelischen Ministerpräsidenten gibt es einen internationalen Haftbefehl.

Von Rebekka Wiese

Deutsche Polizisten, die dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu Handschellen umlegen – das ist ein unvorstellbares Bild, besonders vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte. Doch wie man verhindert, dass es dazu kommt, bleibt eine schwierige Frage. Der wahrscheinliche künftige Kanzler Friedrich Merz will Netanjahu empfangen – ohne ihn festnehmen zu lassen, obwohl ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vorliegt. Nun war der israelische Ministerpräsident in Ungarn zu Besuch. Ein Überblick über Merz‘ Dilemma, das viel über das aktuell schwierige deutsch-israelische Verhältnis erzählt.

Was bedeutet Netanjahus Besuch in Ungarn für Merz?

Dass Ungarns Regierung Netanjahu empfangen hat, bringt Merz in eine knifflige Lage. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ignorierte nicht nur den internationalen Haftbefehl, seine Regierung verkündete noch am selben Tag, den IStGH ganz zu verlassen. Dabei ist Ungarn Mitglied der EU, die den IStGH geschlossen unterstützt. Dass Ungarn jetzt ausschert, passt zu dem dortigen Regierungskurs, der zunehmend autoritärer und feindlicher gegenüber westlichen Institutionen geworden ist. Deutschland und die EU kritisieren Ungarn seit Jahren, weil es sich über geltendes Recht hinwegsetzt. Würde Merz es Orbán gleichtun und Netanjahu empfangen, würde das an der deutschen Glaubwürdigkeit kratzen.

Warum gibt es überhaupt einen Haftbefehl gegen Netanjahu?

Der IStGH wirft Netanjahu wegen seines Vorgehens im Gaza-Krieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen vor. Für Deutschland ist der Haftbefehl heikel: Trotz des international teilweise umstrittenen Vorgehens Israels im Gaza-Krieg steht die Bundesregierung klar zur israelischen Regierung. Zugleich ist Deutschland einer der größten Unterstützer des IStGH. Sich über den Haftbefehl hinwegzusetzen, würde den Gerichtshof schwächen, den Deutschland stets gestärkt hat.

Müsste Deutschland Netanjahu wirklich festnehmen?

In dieser Frage sind sich auch Fachleute nicht einig. Doch es überwiegen die Stimmen, die davon ausgehen, dass Deutschland rein rechtlich gesehen den Haftbefehl vollziehen und Netanjahu überstellen müsste. Als Staat, der den IStGH anerkennt, muss Deutschland dessen Anweisungen folgen. Formal muss der Bundesjustizminister das erst bewilligen – doch warum er sich widersetzen sollte, wäre schwer zu rechtfertigen.

Sind Amtsträger nicht eigentlich vor Strafverfolgung geschützt?

Auch diese Frage ist umstritten. Laut dem Römischen Statut, der Vertragsgrundlage des IStGH, dürfen Staaten in der Regel nicht dazu gezwungen werden, ein Staatsoberhaupt zu überstellen. Das entspricht dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität. Deshalb argumentieren einige Fachleute, dass Deutschland Netanjahu nicht festnehmen müsste. Doch viele Juristen sind anderer Meinung: Immunität gelte zwischen Staaten, nicht gegenüber dem IStGH. So legt die Bundesregierung auch den Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin aus, der wohl sicher festgenommen würde, sobald er deutschen Boden betritt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags rät davon ab, bei Netanjahu andere rechtliche Maßstäbe anzulegen als bei Putin.

Welche Lösungen sind denkbar?

Merz könnte versuchen, gemeinsam mit dem IStGH nach einer Lösung zu suchen. Doch es gilt als unwahrscheinlich, dass man sich einigen könnte. In Medien wurde schon spekuliert, ob Merz den israelischen Regierungschef im Transitbereich des Flughafens oder auf deutschem UN-Gelände begrüßen könnte, das offiziell nicht als deutscher Boden zählt. Doch auch das ist schwer vorstellbar. Wahrscheinlicher ist, dass Merz nach seinem Amtsamtsantritt nach Israel reist – und Netanjahu bittet, seinen Besuch etwas zu verschieben. So schnell wird sich das Dilemma nicht auflösen.

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Erstellt:
4. April 2025, 16:24 Uhr

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