Nahostkonflikt
Mullahs mit dem Rücken an der Wand
Teheran will einen Krieg vermeiden, der die Islamische Republik zerstören könnte, hat aber kaum Alternativen.
Von Thomas Seibert
Der Iran muss nach dem israelischen Angriff entscheiden, ob er militärisch reagieren will, doch das ist nicht einmal das größte Problem für Teheran. Israels Kriege in Gaza und im Libanon haben der iranischen Nahost-Politik die Grundlage entzogen: Die langjährige Strategie der Abschreckung gegen Israel funktioniert nicht mehr, Partner wie Russland halten sich fern, Israel kann das iranische Staatsgebiet nach Belieben angreifen. Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei will einen Krieg vermeiden, der die Islamische Republik zerstören könnte, hat aber immer weniger Alternativen. Das ist das gefährlichste Ergebnis der Angriffe vom Wochenende.
Die Hamas in Gaza und die Hisbollah waren bisher zentral in der iranischen Strategie. Die beiden Milizen sollten Israel in Schach halten und von einem direkten Angriff auf den Iran abhalten. Mit diesen beiden Vorposten konnte der Iran seinen Kampf gegen Israel führen, ohne das eigene Territorium zu gefährden.
Damit ist es vorbei. Hamas und Hisbollah seien „keine wirksamen Werkzeuge“ des Iran mehr, sagt Israels Verteidigungsminister Gallant. Die beiden Terrormilizen sind geschwächt, damit hat sich das Gleichgewicht der Kräfte im Dauerstreit mit dem Iran verändert. Pro-iranische Gruppen in Syrien und im Irak sind ebenfalls machtlos. Israelische Kampfjets konnten in der Nacht zum Sonntag eine Strecke von 2000 Kilometern über Syrien und den Irak in den Iran zurücklegen und in der Luft auftanken, ohne abgeschossen zu werden.
Der Iran hat Milliardenbeträge ausgegeben, um das Verteidigungsnetz im Nahen Osten aufzubauen, das Israel jetzt zerrissen hat. Regimekritiker werfen den Mullahs schon lange vor, Geld für außenpolitische Abenteuer zu verpulvern, während viele Iraner in Armut leben. Jetzt ist offenkundig, dass Khameneis Strategie versagt hat.
Feuerpause bietet Chance der Deeskalation
Khamenei braucht einen neuen Plan. Seine Partner sind schwach, die verbündeten Großmächte Russland und China halten sich raus, und in Israel ist eine anti-iranische Regierung an der Macht, die sich nach militärischen Erfolgen stark fühlt. Die Angriffswelle vom Samstag zerstörte Raketenfabriken und Flugabwehrsysteme an Ölanlagen – einem neuen israelischen Militärschlag hätte der Iran noch weniger entgegenzusetzen. Wenn sich der Iran in die Ecke gedrängt fühlt, könnte er sich zu einem Großangriff mit Raketen entschließen, der einen Krieg gegen Israel und die USA lostreten würde.
Noch kann dieser Krieg verhindert werden. Der neue Anlauf für eine Feuerpause in Gaza würde dem Iran die Möglichkeit zur Deeskalation geben. Für eine Lösung wäre mehr iranischer Druck auf die Hamas und mehr amerikanischer Druck auf Israel nötig.