Murrelektronik-Chef Franz Hafner sieht immer nur die Chancen
Der Gründer der Firma Murrelektronik feiert heute seinen 80. Geburtstag. Der gebürtige Ravensburger hat in Oppenweiler ein weltweit agierendes Unternehmen mit 3000 Mitarbeitern aufgebaut. Seit seinem Rückzug 2014 aus dem operativen Geschäft lebt er am Bodensee.
Von Matthias Nothstein
Oppenweiler. Die ständige Suche nach Innovationen und Chancen ist für Franz Hafner eines der wesentlichen Elemente, das einen guten Unternehmer ausmacht. Genau diese Unruhe, diese besondere Unstetigkeit hat ihn sein ganzes Leben lang begleitet und ist wohl auch der Grund, warum aus dem einst „faulen Schüler“, der mit der Mittleren Reife das Gymnasium verließ und eigenen Worten zufolge eine „sehr schlechte Schulausbildung“ genossen hat, am Ende ein hoch angesehener Unternehmer wurde, dessen Firmengruppe heute weltweit 3000 Mitarbeiter beschäftigt und vergangenes Jahr erstmals 500 Millionen Euro Umsatz erzielte. Heute feiert Franz Hafner in seinem Domizil am Bodensee im kleinen Familienkreis seinen 80. Geburtstag.
Die Unstetigkeit ist dem gebürtigen Ravensburger wohl in die Wiege gelegt. Da sein Vater Bahnhofsvorsteher entlang der schwäb’schen Eisenbahn war, musste die Familie oft umziehen. Nach dem Tod des Vaters schickte ihn die Mutter ins Internat zu den Salesianern Don Bosco nach Buxheim bei Memmingen. Der Großmutter gefiel dies, sollte doch der Bub Pfarrer werden. Doch der Knabe blieb nicht lange. Die Mittlere Reife legte er in Riedlingen ab, danach lernte er Elektroinstallateur und arbeitete zwei Jahre lang als Geselle in Uttenweiler. Es waren Jahre, in denen sich nicht viel bewegt hat, urteilt Hafner heute. Deshalb wollte er weg von daheim und etwas ausprobieren. Mit einem Schmunzeln im Gesicht erinnert er sich an eine zweiwöchige Episode bei der Firma Saba im Schwarzwald, „das gefiel mir gar nicht“, oder an eine Zwischenstation bei einer Firma in Erbach bei Ulm. Die Umzüge waren für den jungen Mann nie ein Problem, bestand doch sein Hausstand aus einem Koffer und einer Kiste, die er locker in sein Auto bekam.
Die Wehrpflicht mit dem Wohnsitz West-Berlin und der Schweiz umschifft
Irgendwann erwachte aber doch der Ehrgeiz des jungen Mannes. Zusammen mit einem Freund zog er nach Berlin und umschiffte so die Wehrpflicht. Hafner studierte Mess- und Regeltechnik und setzte als kaufmännische Ausbildung das Studium der Betriebswirtschaft oben drauf. Früh war ihm klar: „Ich werde niemals in einem Konstruktionsbüro landen, ich bin kein Entwickler, ich bin ein Vertriebsmensch.“ In Berlin lernte er auch seine Frau Ute kennen. Die Hochzeitsglocken läuteten 1968. Weil der Wehrdienst immer noch drohte, siedelte das Paar in die Schweiz über, wo Hafner bei einer Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Produktplanung sein Salär erhielt. Damals hatte Hafner immer das Gefühl, er müsse sich selbstständig machen. Allerdings war da die Schweiz nicht das richtige Pflaster, weshalb er Anfang der 70er-Jahre in die schwäbische Heimat zurückkehrte. Erneut folgten Kurzanstellungen bei zwei Firmen, dann wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit. Das Geld war knapp. Einmal, als es wegen der Hochzeit um die Fahrt in die Heimat ging, investierte der junge Bräutigam seine letzten zehn Mark in die notwendige Tankfüllung. Nach dem beruflichen Abstecher nach Zürich und den ersten beruflichen Gehversuchen sah es finanziell nicht viel besser aus. Für die Firmengründung benötigte er Kapital, „aber keine Bank hat mir Geld gegeben“. Auf der Suche nach dem Startkapital lernte der junge Familienvater Andreas Fröhlich kennen, der in Oppenweiler eine Federfabrikation betrieb. Und ebenso dessen Konstrukteur Horst Hölzl. Die beiden hatten die Firma Murrplastik gegründet und waren liquide. Hafner traf sich mit den beiden und stellte seine Pläne vor. „Ein Samstagvormittag, und alles war besprochen. Meine einzige Bedingung lautete, ich bekomme 50 Prozent der Firma, damit mich keiner mehr rausschmeißen kann.“ Gesagt, getan. Das war 1975, die Geburtsstunde von Murrelektronik.
Firma schrieb nur im ersten Jahr Verlust, und das waren 378 Mark
Anfangs schaffte Hafner ganz alleine in der Garage im Wohnhaus von Fröhlich in der Kanalstraße. Er hatte zu dieser Zeit schon jede Menge Ideen für bestimmte Produkte im Hinterkopf. Der eigentliche Ideengeber war sein letzter Arbeitgeber. Dieser fertigte Produkte für die Installationstechnik und die Elektronik, hatte aber wenig Ahnung von Letzterer. Das Credo des Ex-Chefs lautete: Man müsse die beiden Komponenten trennen. Hafner: „Ich dachte, wunderbar, dann mache ich den Elektronikpart und spezialisiere mich darauf.“ Recht schnell merkte der Vertriebsspezialist jedoch, dass es keinen Sinn macht zu verkaufen, ohne technischen Background zu haben. Und so kam es zum ersten Mitarbeiter Heinz Feix. Dieser war ein Glücksgriff. Die Zusammenarbeit darf man sich laut Hafner so vorstellen: „Ich habe draußen die Kunden bedient und wenn es ein technisches Problem gab, habe ich ihm dieses auf den Schreibtisch gekippt und dann haben wir besprochen, was wir für den einzelnen Kunden machen. Und wenn ich nach einer Woche wieder zurückgekommen bin, war das Problem erledigt.“
Danach wuchs die Firma ziemlich schnell und erfolgreich. Mit sichtlichem Stolz verrät Hafner: „Ich habe ein einziges Mal in der Karriere Verlust geschrieben, das waren 378 Mark im ersten Jahr.“ Hafners Erklärung für das beeindruckende Wachstum: „Ich bin einer, der denkt immer, was kommt als Nächstes? Mich interessiert die Firmenbilanz nicht mehr, denn ich weiß, dass die gut war. Mich interessiert die Zukunft. Ich bin ein Typ, der sich nicht ausruhen und seine Erfolge genießen kann, ich sehe immer und überall neue Chancen.“ Die 28 Niederlassungen weltweit hat alle mit Ausnahme von Singapur Hafner selbst gegründet, und er meint: „Wir brauchen noch mindestens 20 weitere.“
Nach der Schweiz waren Gingen an der Fils und Kirchberg an der Murr erste Stationen
Die ständige Unruhe wird auch am Immobilienengagement des Unternehmers deutlich. Er urteilt darüber selbst: „Insgesamt war dies nie ertragreich, das war eher schon ein krankhaftes Hobby. Es gefällt mir, etwas zu gestalten.“ Nach der Schweiz waren Gingen an der Fils und Kirchberg an der Murr erste Stationen. Der Firma wegen zog er 1978 nach Oppenweiler, kaufte sich trotz klammer Kasse ein Reihenhaus, nur um vier Jahre später 200 Meter weiter ein weiteres Haus zu bauen. Doch am Tag des Einzugs war ihm klar: „Hier gefällt es mir nicht.“ So wurde kurz darauf in der Kanalstraße die dritte Immobilie gekauft und umgebaut. Egal ob ein Ferienhaus oder eine Eigentumswohnung im Elsass oder eine Eigentumswohnung oder ein Haus am Bodensee, die Unruhe blieb. Er investierte ins Einhorn in Oppenweiler und kaufte – direkt am See – ein Hotel in Kressbronn. Nach dem kompletten Neubau des Hotels wohnt er nun seit 2014 im darauf errichteten Penthouse auf 450 Quadratmetern samt Terrasse mit dem unverbauten Blick auf den Bodensee und den Säntis. Die simple Begründung: „Ich hatte schon immer die verrückte Idee, ich möchte in einem Hotel wohnen.“ Hafner kommentiert die ständigen Wechsel mit einem verschmitzten Lächeln: „Wir haben nie renoviert, wir sind immer vorher umgezogen, bis heute.“
Trotz allem: Rundum zufrieden ist der erfolgreiche Geschäftsmann nicht, denn über seinem Lebenswerk schwebt die Frage der Nachfolge als „ein ungelöstes Problem“. Es ist etwas Großes geschaffen worden, „aber es muss auch eine Lösung gefunden werden, wie es in Zukunft weitergeht“.
Die Firma gehörtzu 100 Prozent der Familie
Immerhin, die Gegenwart ist klar geregelt. Die Familie hat alle Anteile zusammengekauft und ist zu 100 Prozent Eigentümer. Zudem wurde eine Stiftung gegründet, die die absolute Mehrheit hat, da Hafner, seine Frau und die ältere Tochter ihre Anteile eingebracht haben. Die restlichen Anteile hält die jüngere Tochter. Dank der Stiftung sind die direkten Nachkommen finanziell versorgt und es ist eine ordentliche Führung gewährleistet. Mit der jetzigen Führungskonstellation ist Hafner sehr zufrieden. CEO Ulrich Viethen zeichnet für die gesamte Gruppe verantwortlich und stimmt seine Vorgehensweise eng mit den Gesellschaftern ab. Trotzdem schwingt etwas Bitterkeit mit, wenn der Jubilar die rhetorische Frage stellt: „Wer hätte es nicht gerne, dass seine Nachkommen sein Lebenswerk fortführen?“