Arteriosklerose

Mutierte Blutzellen lassen Gefäße schneller verkalken

Forscher zeigen, wie sich ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose im Blut nachweisen lässt. Hilft das bei der Früherkennung?

Noch lässt sich die Verkalkung der Gefäße am besten mit regelmäßiger Bewegung vorbeugen.

© Robert Kneschke - stock.adobe.com/Robert Kneschke

Noch lässt sich die Verkalkung der Gefäße am besten mit regelmäßiger Bewegung vorbeugen.

Von Regine Warth

Es ist ein bisschen so wie bei verstopften Wasserleitungen: Haben sich an den Rohren Kalk und Schmutz abgelagert, kommt das Wasser immer schlechter durch, die Versorgung ist gefährdet. So ähnlich verändern sich auch die Arterien bei Millionen von Menschen – weil sie älter werden, aber auch, weil sie an Bluthochdruck, Diabetes oder zu hohen Blutfettwerten leiden oder eine familiär bedingte Veranlagung haben.

Es kommt zu Entzündungen in der Gefäßwand und fortschreitenden Ablagerungen aus Cholesterin, weiteren Fetten, Bindegewebe, Entzündungszellen, Zuckern und mineralischen Komponenten – medizinisch Plaques genannt. Die Gefäße verengen sich und sind weniger elastisch. Gefährlich wird es, wenn die Ablagerungen einreißen und sich ein Blutgerinnsel bildet. Besonders gefährdet sind die Arterien von Herz und Hirn, es drohen Herzinfarkt und Schlaganfall.

Mutationen im Blut fördern Entzündungen in den Gefäßen

Nicht wenige erkranken aber auch an Arteriosklerose, weil sich in ihren Blutzellen schädliche Mutationen bilden, die die Entstehung von Ablagerungen in den Gefäßen begünstigen. So berichteten unlängst spanische Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature Medicine“, dass jede zehnte Person über 60 Jahren solche Erbgutveränderungen in den weißen Blutzellen habe, die in der Fachwelt unter der Bezeichnung „Chip“ bekannt sind. Die Abkürzung steht für klonale Blutzellbildung mit unbegrenztem Potenzial. Die Häufigkeit steigt mit dem Alter.

Aber auch jüngere Menschen können Chip entwickeln: Etwa sechs Prozent aller Menschen im mittleren Alter tragen die Mutationen in sich. Seit zehn Jahren sind Forscher auch in Deutschland Chip auf der Spur: „Menschen, die eine solche Mutation aufweisen, haben ein höheres Risiko für Arteriosklerose und sind stärker gefährdet, einen Herzinfarkt zu erleiden“, sagt Heribert Schunkert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.

Frauen bilden häufiger Mutationen aus

Die Untersuchung aus Spanien hat gezeigt, dass die Blutzell-Klone Entzündungen in der Gefäßwand begünstigen und ursächlich mit dem Fortschreiten einer Arteriosklerose einhergehen. Hierzu wurden Probanden im Abstand von sechs Jahren wiederholt untersucht „Demnach verursacht Chip Arteriosklerose – aber die Erkrankung selbst ist nicht die Ursache für die Entstehung der Mutationen“, so Schunkert, der Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München.

Wie diese Mutationen entstehen, ist noch nicht vollständig geklärt. Fest steht: Blutzellen sind sehr teilungsaktiv. Daher sind sie gefährdet, spontan Mutationen auszubilden. Je älter Menschen sind, umso eher besteht die Gefahr, dass im Laufe der Zeit bei der Zellteilung Fehler passieren und es somit häufiger zu Mutationen kommt. Auch zeigte sich, dass Frauen häufiger Chip-Trägerinnen sind als Männer. „Interessant ist zudem, dass typische Risikofaktoren wie Übergewicht oder Rauchen keine große Rolle dabei spielen, ob ein Mensch Blutzell-Klone bildet oder nicht“, sagt Schunkert.

Früherkennung ist möglich – aber noch nicht hilfreich

Zwar gibt es Möglichkeiten, sich auf die Blutzell-Mutation Chip testen zu lassen – etwa in Frankfurt und München. „Bislang geschieht das aber nur zu wissenschaftlichen Zwecken“, sagt Schunkert. Für ein allgemeines Screening sei es noch zu früh: „Es gibt ja noch keine evidenzbasierte Behandlung.“ Derzeit wird untersucht, ob eine gezielte medikamentöse Therapie die Entstehung der gefährlichen Entzündungen in den Gefäßwänden bei Chip-Trägern unterbinden kann.

Grundsätzlich hält der Experte allerdings einen anderen Ansatz für weitaus wichtiger: „Es ist sinnvoller, schon in jungen Jahren alle Risikofaktoren für eine Arteriosklerose zu minimieren“, sagt Schunkert. Dazu gehört nicht zu rauchen und auf einen gesunden Lebensstil mit viel Bewegung zu achten: „Wer sportlich unterwegs ist, profitiert mehrfach“, so der Kardiologe: Die Bewegung verbessert den Zustand der Adern, senkt den Blutdruck, fördert den Fettabbau und hilft, die Blutfettwerte zu regulieren.

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Erstellt:
11. September 2024, 12:46 Uhr

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