Backnang: Mutige Rettung im Adrenalinrausch
Als vor zwei Wochen in der Wohnung von Familie Feist in Backnang-Maubach Feuer ausgebrochen ist, rettete Nachbar Fabian Raum den querschnittsgelähmten Michael Feist ins Freie. Der 31-Jährige erzählt, was sich in der Nacht zugetragen hat.
Von Anja La Roche
Backnang. Es ist nun über zwei Wochen her, als in Backnang-Maubach in einer Wohnung ein Feuer ausgebrochen ist. Der neue Akku des Staubsaugers von Familie Feist ist im Eingangsbereich entflammt. Löschversuche waren vergebens, das Feuer griff schnell auf die anderen Zimmer der Wohnung über. Die Wohnung der Feists ist, wie auch die eines weiteren Hausbewohners, nun vorerst unbewohnbar. Immerhin hat die Familie inzwischen eine Interimswohnung gefunden (wir berichteten).
Trotz des großen Schocks und den Herausforderungen, die in der Folge auf sie zukommen, können sie wohl dennoch von Glück im Unglück sprechen: Denn ihrem Nachbar Fabian Raum gelang es, in jener Brandnacht den querschnittsgelähmten Michael Feist rechtzeitig aus der brennenden Wohnung zu retten.
„Es war glaube ich so halb drei“, erinnert sich Fabian Raum an die besagte Nacht. Der 31-jährige Vertriebler wohnt mit seiner Frau in einer identisch aufgebauten Wohnung direkt nebenan. Das Fenster im Schlafzimmer stand auf Kippe. „Ich bin wach geworden, weil ich dachte, es streitet sich irgendwer“, erzählt Raum. Doch dann horchte er auf, denn da war ein Geräusch, das er nicht zuordnen konnte. Kurz darauf begriff er, dass es sich um den Alarm eines Feuermelders handeln muss, dazu hörte er die Hilferufe von Nadine Feist.
Halb automatisiert und unter Adrenalin
Für Fabian Raum war das der Beginn einer Reihe von Handlungen, die er halb automatisiert und unter Adrenalin vornahm, wie er im Nachgang erzählt. Er zog sich schnell an, ging raus auf die Terrasse und sah den dicken Rauch, der aus dem Nachbarhaus aufstieg. Nadine Feist hatte sich und ihren zweijährigen Sohn bereits nach draußen retten können. Ihr Mann, der wie sie kleinwüchsig ist und außerdem aufgrund seiner Querschnittslähmung auf eine Mobilitätshilfe angewiesen ist, musste noch in der Wohnung ausharren, in der Hoffnung auf schnelle Hilfe.
Fabian Raum stieg über den Gartenzaun, der die beiden Grundstücke voneinander trennt und als er ins Fenster rief, „Micha, bist du da drin?“, hörte er ein deutliches Ja. Er riss das Fliegengitter weg, um ins Schlafzimmer zu gelangen. Unter der Schlafzimmertür quoll bereits schwarzer Rauch in das Zimmer. „Das Wohnzimmer stand schon in Flammen“, erinnert er sich. Nachdem er Michael Feist zum Fenster gehievt und einem weiteren Nachbarn übergeben hatte, drehte sich der 31-Jährige nochmals um, um den Rollstuhl aus der Ecke zu holen. Denn der sei eine Spezialanfertigung und besonders wichtig für seinen Nachbarn, begründet Fabian Raum, warum er nicht direkt ins Freie geflüchtet war. Anschließend rannte er gemeinsam mit den eingetroffenen Polizisten um das Mehrfamilienhaus, um am Eingang die anderen Nachbarn aus dem Bett zu klingeln.
Die Hitze hat er nicht wahrgenommen
Für den Maubacher, der in Auenwald aufgewachsen ist, gab es in diesen wenigen Minuten kein Nachdenken darüber, ob er in die brennende Wohnung steigen sollte oder nicht. „Ich habe einfach nur funktioniert“, erzählt Raum. Er habe weder Hitze wahrgenommen, noch könne er beschreiben, wie schwer es war, seinen Nachbarn zu tragen. „Selbst wenn er 180 Kilogramm gewogen hätte, ich stand so unter Adrenalin.“ Hilfreich war dabei sicherlich, dass Fabian Raum ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn hat, sie kennt. Denn nur so konnte er die Problematik schnell begreifen und entsprechend handeln.
„Er hat ohne mit der Wimper zu zucken das Insektennetz zerrissen, kam rein, packte und rettete mich. Gefühlt waren das wenige Sekunden. Und dafür werde ich ihm für immer dankbar sein“, sagt Michael Feist heute und fügt an: „Er hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet. Und sogar meinen Spezialrollstuhl aus der Wohnung geholt.“
Einen körperlichen Schaden hat Fabian Raum, wie auch seine Nachbarn, von seiner heldenhaften Rettungsaktion glücklicherweise nicht davongetragen. Und auch das Haus nebenan, in dem er mit seiner Frau wohnt, ist verschont geblieben. Dennoch hat das Erlebte seine Spuren hinterlassen. „Man denkt jetzt anders über manche Sachen“, sagt Raum. So überlege er nun zweimal, welche Geräte er vielleicht lieber ausstecken sollte.