Stress im Advent

Na, kommen Sie „halbwegs entspannt“ durch die Vorweihnachtszeit?

Vor den Feiertagen ist die Stimmung so aufgeladen, dass eine einfache Frage womöglich zum Nervenzusammenbruch führt – vor allem bei Müttern.

Wer bringt die Päckchen? Ist es der Weihnachtsmann oder doch vielleicht die Mutter?

© Imago//Christoph Hardt

Wer bringt die Päckchen? Ist es der Weihnachtsmann oder doch vielleicht die Mutter?

Von Eva-Maria Manz

Die Mail beginnt harmlos: „Ich hoffe, es geht Ihnen gut . . .“ Dieser einleitende, höfliche Satz endet an der Stelle jedoch nicht, sofort folgt ein Zusatz: „ . . . und Sie kommen halbwegs entspannt durch die Vorweihnachtszeit.“ Ähnliche Begrüßungsformeln liest man in diesen Tagen dutzendfach: „Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie haben nicht allzu viel Stress vor Weihnachten.“

Ha! Man möchte auflachen ob dieser vage formulierten Hoffnungen: Wirklich sehr lustig! Die Schreibenden scheinen bereits zu ahnen, wie es uns geht, da es im Grunde jetzt allen gleich geht: Die Vorweihnachtszeit ist der vollkommene Wahnsinn. Was auf ein besinnliches, heiliges Fest zusteuert, offenbart sich bisweilen als irrsinniger, nervtötender Jahresendsprint.

Die Mutter ist der echte Weihnachtsmann

Feministinnen bemühten dafür zuletzt die bissige Parole: „Advent, Advent, die Mutter rennt“, und kritisierten gar die Figur des Weihnachtsmannes, der „die Mutter unsichtbar“ mache. Sie sei es doch in den allermeisten Fällen (immer noch), die den ganzen Kram besorge, der unter dem Weihnachtsbaum liegt (und der WeihnachtsMANN kassiert den Fame!). Sie ist es meist auch, die den Adventskalender bestückt und den Adventskranz hübsch macht, die das Gebäck zusammen manscht, beim Adventssingen Kekse verkauft und das Festessen kocht.

Abgesehen davon sind alle, nicht nur die gestressten Mütter, jetzt von einem beruflichen Eifer ergriffen, der glauben machen könnte, zum 1. Januar stünde nicht der Jahreswechsel, sondern die Apokalypse bevor und daher wolle man nicht weniger als unbedingt vorher noch die Spesenabrechnung fertig bekommen. Als gäbe es kein neues Jahr und als gehe dann nicht alles einfach so weiter wie bisher, glauben wir alle: Was jetzt nicht fertig wird, wird es nimmermehr.

Entspannt auf Weihnachten zu warten, scheint nicht mehr vorstellbar

Wer Zuschriften also mit diesen zaghaften einleitenden Worten versieht, weiß bereits um die adventliche Tragik und scheint sich entsprechend vorsichtig vorzutasten, als könnte eine harmlose Floskel (Worte, bloß Worte) das Fass beim Gegenüber vollends zum Überlaufen bringen, gar einen ganz großen Jahresendnervenzusammenbruch mit lautem Geschrei auslösen: „ENTSPANNT? Sie scherzen!“

Daher wählen die Briefschreiber von vornerein einen einlenkenden Ton, der die hoffnungsvollen Vermutungen und Wünsche sofort wieder einkassiert, zumindest relativiert: „halbwegs“ entspannt solle man durch diese Zeit kommen und „nicht allzu viel Stress“ haben. Dass man einfach wohlig gespannt auf Weihnachten zusteuert und dabei lecker Kekse mampft (wie früher), scheint nicht mehr vorstellbar.

Wundersam wie ein seltener Diamant im Wörtergeröll wirkt da die Nachricht einer Kollegin, die einfach schreibt: „Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie haben eine schöne Adventszeit.“ Das ist unglaublich, so freundlich, schnörkellos und echt – dass man fast schon meinen könnte, es verstecke sich darin ein Funke Ironie. Eine schöne Adventszeit. Was hat diese Kollegin wohl für ein Leben? Und was machen wir falsch?

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Erstellt:
21. Dezember 2024, 07:14 Uhr

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