Spätfolgen von Covid-19
Nach Corona-Infektion bleibt Immun-Narbe im Gehirn
Eine Corona-Infektion hinterlässt nachhaltige Veränderungen im Gehirn – selbst wenn wir nichts davon spüren. Die Immunabwehr bleibt weiter im Alarmzustand, wie Freiburger Forscher jetzt herausgefunden haben.
Von Markus Brauer
Die Corona-Pandemie ist Seuchengeschichte. Aus und vorbei! Doch nicht für jene, die noch immer an den Folgen einer Covid-19-Infektion leiden. Dazu gehört nicht nur der „Brain Fog“, eine auch als Gehirnnebel bezeichnete Bewusstseinstrübung, die eine Langzeitfolge von Corona sein kann.
Long-Covid – Neuro-Covid
Eine SARS-CoV-2-Infektion kann anhaltende Gesundheitsprobleme nach sich ziehen, für die sich der Begriff Long Covid eingebürgert hat. Symptome sind etwa Erschöpfung, Schwindelgefühle und Konzentrations- und Herzprobleme. Wer auch Monate oder gar Jahre nach einer Corona-Infektion noch unter Spätfolgen leidet, braucht Hilfe.
Aber auch die akuten und chronischen Folgen der Virenerkrankung sind noch lange nicht vollständig geklärt. So scheinen genetische und epigenetische Faktoren Spätfolgen in Form eines Long-Covid oder Neuro-Covid zu begünstigen. Aber auch die Immunreaktion auf die akute Infektion spielt offenbar eine wichtige Rolle.
Sichtbare Spuren im Gehirn
Wie ein Forscherteam um Marius Schwabenland vom Universitätsklinikum Freiburg jetzt herausgefunden hat, hinterlässt die Corona-Infektion offenbar auch bei scheinbar komplett Genesenen sichtbare Spuren im Gehirn.
Für ihre Studie, die im Fachmagazin „Acta Neuropathologica“ erschienen ist, hatten die Mediziner die Gehirne von 15 Patienten untersucht, die einige Monate vor ihrem Tod eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht hatten. Danach hatten sie keine Symptome mehr gezeigt und waren aus anderen Gründen gestorben.
What are the long-term consequences of COVID-19 in the brain? Check out our latest publication on "High throughput spatial immune mapping reveals an innate immune scar in post-COVID-19 brains"! https://t.co/TAvXE4oVRB Photo: DFG pic.twitter.com/wWPGfeSb4J — Marius Schwabenland (@M_Schwabenland) July 27, 2024
Immunabwehr dauerhaft aktiviert
Bei ihren Analysen fanden die Wissenschaftler im Gehirn der Verstorbenen zahlreiche Mikroglia-Knötchen – also Ansammlungen von verästelten Abwehrzellen des Gehirns. „Solche Mikroglia-Knoten gelten als morphologische Anzeiger für chronische neuropathologische Prozesse wie beispielsweise virale Enzephalopathien, Axonschäden oder neurodegenerative Veränderungen“, erklärt Marius Schwabenland.
Obwohl die Personen keine Symptome von Long-Covid oder anderen Spätfolgen der Erkrankung gezeigt hatten, war in ihrem Gehirn eine immunologische „Narbe“ zurückgeblieben. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass das Immunsystem auch nach der akuten Infektion weiter aktiviert geblieben ist.
Beim Vergleich mit niemals an Covid-19 erkrankten Menschen fanden sich diese sogenannten Immuneffektorzellen des zentralen Nervensystems nicht.
Immunaktivierung führt zu langfristigen neurologischen Beschwerden
„Es ist gut möglich, dass die anhaltende Aktivierung des angeborenen Immunsystems im Gehirn zu den langfristigen neurologischen Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion beiträgt“, betont Schwabenland. „In einer früheren Studie hatten wir bereits Proben nach akuter SARS-CoV-2-Infektion untersucht und ähnliche, deutlich stärkere Veränderungen festgestellt.“ Demnach könnten die Mikroglia-Knötchen eine entscheidende Rolle bei neurologischen Veränderungen spielen, unter denen einige Long-Covid-Patienten leiden.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die zentrale Rolle, die fehlregulierte Immunreaktionen bei Covid-19 spielen können. Nicht nur bei der akuten Infektion, sondern auch bei Langzeitfolgen wie Long-Covid“, erläutert Koautor Bertram Bengsch von der Universität Freiburg. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte zu neuen diagnostischen und therapeutischen Ansätzen in der Behandlung Long-Covid, aber auch den Spätfolgen anderer Infektionskrankheiten führen.
Info: Hilfsangebote für Long-Covid-Patienten
Long-Covid-Ambulanzen und -Sprechstunden Wer befürchtet, Long Covid zu haben, kann sich an spezialisierte Ärzte wenden. So haben viele Kliniken Long-Covid-Sprechstunden oder -Ambulanzen eingerichtet. Auch einige Arztpraxen bieten entsprechende Angebote. Die Ärzte bemühen sich bei diesen Stellen um eine sichere Diagnose der oft diffusen Symptome und erstellen ein Therapiekonzept.
Reha Betroffene können eine spezialisierte stationäre oder ambulante Rehabilitation (Reha) machen. Es gibt symptomspezifische Angebote für Behandlungen von zum Beispiel Lungenbeschwerden oder Störungen des Nervensystems, bei denen der Gesundheitszustand verbessert werden soll. Menschen mit Belastungsintoleranz können während einer Reha lernen, in einem neuen Alltag zurechtzukommen. Etwa durch das sogenannte Pacing: Man lernt, das Tempo des Alltags unter Kontrolle zu haben und auf die Bremse zu treten, wenn die Anstrengung zu groß wird.
Antrag stellen Den Antrag stellen die Betroffenen selbst, Hausarzt und Hausärztin können beraten. Alle Versicherten gesetzlicher Kassen haben ein Recht auf Reha - auch Rentner, mitversicherte Partner und Kinder. Aber die Krankenkassen zahlen die Maßnahmen nur dann, wenn keine anderen Kostenträger zuständig sind. Betroffene, deren Erwerbsfähigkeit aufgrund der Erkrankung gefährdet ist, wenden sich daher am besten an die Rentenversicherung. Dabei ist es egal, ob man berufstätig oder gerade arbeitssuchend ist, erläutert die Deutsche Rentenversicherung. In bestimmten Fällen kann Long Covid als Berufkrankheit oder Arbeitsunfall anerkannt werden, etwa bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Labor. Dann ist die Unfallversicherung zuständig.
Rentenversicherung Für Menschen in Rente sowie Mütter und Väter, die sich hauptberuflich zu Hause um die Kinder kümmern, ist die Krankenkasse der richtige Ansprechpartner. Für Kinder und Jugendliche besteht der Deutschen Rentenversicherung zufolge grundsätzlich eine gleichrangige Zuständigkeit der Renten- und Krankenversicherung. Für alle Betroffenen können aber auch Sozialhilfe, Eingliederungshilfe und Bundesagentur für Arbeit Kostenträger sein.