Schnupfen, Husten und Co.
Nach Corona – sind wir jetzt häufiger krank?
Während der Lockdowns hat sich kaum jemand angesteckt. Seither sind die Ausreißer gewaltig. Langzeitdaten zeigen, ob das Bauchgefühl stimmt.
Von Jan Georg Plavec
Im Februar 2021 hat Deutschland so wenig geschnieft wie lange nicht, vielleicht so wenig wie noch nie davor. Mitten im Corona-Lockdown traf man weniger Menschen und steckte sich auch weniger an. Gerade mal ein Prozent der Bevölkerung hatte damals Erkältungssymptome.
Man weiß das aus einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) seit mehr als zehn Jahren betriebenen Panel. Tausende Menschen geben Woche für Woche an, ob sie gesund sind oder an einer Atemwegserkrankung leiden. Das RKI rechnet die Zahlen dann auf ganz Deutschland hoch.
Starke Ausreißer
Die Zahlen helfen auch, mit einem Langzeitvergleich zu verstehen, ob das Bauchgefühl stimmt – dass seit Corona mehr Menschen an Schnupfen und Husten leiden. Entsprechende Berichte gibt es, und zwar aus so ziemlich allen Jahreszeiten, zuletzt diesen Sommer.
Das Schaubild zeigt für die letzten zehn Jahre, Woche für Woche, wie viele Deutsche an akuten Atemwegserkrankungen leiden. Der Wert ist je 100 000 Einwohner angegeben. Liegt er etwa bei 10 000, ist jeder Zehnte im Land mit Symptomen erkrankt.
Tatsächlich scheint es, als würde Covid-19 sich nicht in den vorpandemischen Krankheitsrhythmus eingliedern, sondern die Zahl der Atemwegsinfekte insgesamt steigen lassen. In der Zeit vor Covid-19 seien die Werte der akut Erkrankten kleiner gewesen, sagt Carsten Watzl von der TU Dortmund.
Es sei davon auszugehen, dass man sich auch in Zukunft auf höhere Erkältungszahlen im Herbst und Winter als vor der Pandemie einstellen muss. Wie oft jemand von Sars-CoV-2 erwischt wird, ist dabei individuell sehr unterschiedlich. „Manche hatten es erst einmal, manche schon fünfmal“, sagt Watzl.
Insgesamt mehr Kranke
Die wöchentlichen Werte sind das Eine, die seit der Pandemie insgesamt höhere Krankheitslast zeigt das zweite Schaubild. Dafür haben wir aus den Wochenwerten für jedes Jahr einen Mittelwert errechnet.
Wichtig ist das Verhältnis der Werte seit 2022 zu denen vor der Pandemie, also 2011 bis 2019. Damals lag der Mittelwert zwischen 3800 und 4200 Erkrankten je 100 000 Einwohner, seit der Pandemie liegt er um die 4600 – eine Steigerung von zehn bis zwanzig Prozent.
Diese zusätzliche Krankheitslast, könnte man sagen, ist durch Covid-19 ins Land gekommen. Vielfach nicht tödlich, aber doch lästig – und wenn daraus Long oder Post Covid wird, auch sehr belastend.