Spielehersteller Ravensburger

Nach dem Puzzleboom kommen die Sammelkarten-Fans

Der Spielehersteller Ravensburger wächst auch 2024. Warum das Familienunternehmen an der Puzzleproduktion in Deutschland festhält und mit Sammelkarten auch Chinesen und Japaner beglücken will. Ein Besuch am Stammsitz in Ravensburg.

Produktionsleiter Kai Linsner mit einem bedruckten Papierbogen, aus dem ein Puzzle entsteht

© Ravensburger/Felix Kästle

Produktionsleiter Kai Linsner mit einem bedruckten Papierbogen, aus dem ein Puzzle entsteht

Von Imelda Flaig

Die Puzzleproduktion in Ravensburg läuft auf Hochtouren. Druckbögen für Puzzlemotive und Schachteln stapeln sich auf den Paletten neben den beiden Offsetdruckmaschinen. Bis zu 100 Aushilfskräfte sind in den Wochen vor Weihnachten zusätzlich an Bord – die umsatzstärkste Zeit für Spielwarenhersteller und Händler.

Etwa 18 000 Bögen pro Stunde schafft eine der Druckmaschinen – je nach Farbmischung. Weil das Papier zum Puzzeln zu dünn ist, wird es nach dem Trocknen auf den speziell für Ravensburger entwickelten blauen Karton geklebt, der dann in der Puzzle-Stanze landet. Die hat es in sich. Mit einer Kraft von 800 Tonnen stanzen messerscharfe Werkzeuge unzählige Puzzleteile mit Nischen und Nasen aus dem Bogen. Jedes ein Unikat, denn bei dem 1000 Teile Puzzle, das gerade entsteht und bei Puzzlefans am beliebtesten ist, sind keine zwei Teile gleich. Wer lieber in größeren Dimensionen puzzelt, kann das mit 40 320 Teilen – so viele sind es beim größten Ravensburger Puzzle.

Bis zu 12 000 personalisierte Fotopuzzles am Tag

Allein am Stammsitz, der zugleich das Logistikzentrum für Europa ist, produziert Ravensburger bis zu 15 Millionen Puzzles im Jahr – vor allem Erwachsenenpuzzles, hinzu kommen personalisierte Fotopuzzles, die jetzt vor Weihnachten boomen und im Digitaldruck hergestellt werden. „Derzeit sind das 10 000 bis 12 000 am Tag“, sagt Produktionsleiter Kai Linsner, darunter auch Fotopuzzle-Aufträge von Partnern wie beispielsweise Cewe oder PosterXXL. Unterm Jahr dagegen sind es etwa 1000 Fotopuzzles pro Tag.

Nach dem Puzzleboom zu Coronazeiten habe sich das Geschäft mit Puzzles nivelliert, liege aber über dem Niveau der Vor-Coronazeit, sagt Ravensburger-Chef Clemens Maier. Aufs Jahr gerechnet produziert das Familienunternehmen, das noch zwei weitere Werke im tschechischen Polička und in Banska Bystrica (Slowakei) hat, rund 25 Millionen Puzzles und setzt dabei verstärkt auf Ressourcenschonung. Die Verpackungen werden kleiner, Papierbeutel lösen nach und nach die Plastikbeutel mit den Puzzleteilen ab, und die Schachteln werden statt mit Schrumpffolie mit kleinen Etiketten versiegelt. Allein bei den Erwachsenenpuzzles spart das jährlich rund 36 Tonnen Kunststoff und 200 Tonnen Karton, der vorwiegend aus dem Schwarzwald und aus recyceltem Material stammt. Maier ist überzeugt, dass das vom Kunden goutiert wird, auch wenn der nicht primär unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten kauft.

„Verrückter Erfolg von Lorcana“

Fürs laufende Jahr gibt sich der Ravensburger-Chef zuversichtlich. Während die Spielwarenbranche 2024 hierzulande mit einem Umsatzrückgang von rund drei Prozent rechnet, wächst Ravensburger gegen den Branchentrend. Eine Prognose, ob das Wachstum erneut zweistellig ausfällt wie 2023, wagt Maier noch nicht, zu viel hängt von den letzten Wochen des Jahres ab. Eines steht allerdings schon jetzt fest: Das Sammelkartenspiel „Disney Lorcana“, das Ravensburger im August 2023 auf den Markt gebracht und das den Umsatz bereits letztes Jahr beflügelt hat, wird auch 2024 zum Umsatzbringer. 2023 machte das Familienunternehmen mit mehr als 2400 Beschäftigten 669 Millionen Euro Umsatz – ein Plus von fast zwölf Prozent.

Maier spricht von einem „verrückten Erfolg von Lorcana“, das mit rund 30 Millionen Euro Investitionen die größte Produkteinführung der Unternehmensgeschichte war und mit jungen Erwachsenen zwischen 16 und 35 Jahren eine ganz neue Zielgruppe anspricht. „Ich bin fast zusammengeklappt, wie viel Leute angestanden sind“, erinnert er sich an die langen Schlangen bei einem Messeauftritt. Die Welt ist eine eigene – mit Disney-Charakteren. Es gibt eine aktive Community mit über 15 000 Spielern, die Turniere spielt und immer neue Karten haben will – und mehr als 172 000 Fans auf den sozialen Plattformen. Das Turnier in Bochum mit 2000 Teilnehmern etwa war binnen Minuten ausverkauft. Vom 6. bis 8. Dezember finden die Europäischen Meisterschaften im Disneyland Paris statt.

Über eine Milliarde Karten verkauft

Alle drei Monate kommt ein neues Set mit 204 Karten. Weltweit wurden bis September mehr als eine Milliarde Karten verkauft. Derzeit ist das Sammelkartenspiel in Europa, Nordamerika, Mexiko und Australien erhältlich, 2025 erscheint es in China und Japan, wo Ravensburger Marktanteile erobern will. Etwa 40 Prozent des Ravensburger-Umsatzes entfallen auf Deutschland, 60 Prozent aufs Auslandsgeschäft.

Punkten will Ravensburger nicht nur mit Spieleklassikern wie etwa das „verrückte Labyrinth“ oder „Memory“, der Gravitrax-Kugelbahn oder dem Tiptoi-Lernstift, der sich eher an Kleinkinder richtet, sondern auch mit weiteren Innovationen, deren Umsatzanteil bei über 30 Prozent liegt und zu denen auch „Lorcana“ zählt.

Auch die ganz Kleinen hat man im Blick. Seit September gibt es die neue Serie „Play+“ in Deutschland, England und Frankreich im Markt, Bücher und Spielsachen für die Altersgruppe 0 bis 3 Jahre – vom Rasselgreifling über ein unzerreißbares Buch bis zum Chamäleon mit Sortier- und Spielmöglichkeiten. 2025 sollen weitere Märkte folgen, denn international will Ravensburger weiter wachsen.

Keine Verlagerungspläne

Während der Standort Deutschland für immer mehr Unternehmen unattraktiver wird, ist eine Produktionsverlagerung ins Ausland für Ravensburger kein Thema. „Ich geb den Standort nicht auf“, sagt Finanzchef Hanspeter Mürle mit Blick auf die automatisierte Produktion in Ravensburg. „Wir bekommen hier gute Leute und Fachkräfte“, sagt Vorstandschef Maier.

Was Mürle allerdings umtreibt, sind die regulatorischen Anforderungen, aber auch Standards, die ganz offensichtlich nicht bei jedem Produkt, das in die EU gelangt, kontrolliert werden. „Wenn ich vergleiche, was uns abverlangt wird und was nach Deutschland und Europa importiert wird“, meint er mit Blick auf Anbieter wie Temu – und plädiert für gleiche Standards und entsprechende Kontrollen.

Papierbeutel sollen nach und nach die Folienbeutel in den Puzzleschachteln ablösen.

© Felix Kästle

Papierbeutel sollen nach und nach die Folienbeutel in den Puzzleschachteln ablösen.

Puzzlekontrolle am laufenden Band

© Anja Köhler

Puzzlekontrolle am laufenden Band

Das Puzzlewerkzeug aus Bandstahl – jedes Teil ein Unikat

© Felix Kästle

Das Puzzlewerkzeug aus Bandstahl – jedes Teil ein Unikat

Ein Mitarbeiter fertigt ein Stanzwerkzeug für die Produktion.

© Anja Köhler

Ein Mitarbeiter fertigt ein Stanzwerkzeug für die Produktion.

Blick ins Hochregallager in Ravensburg, von wo aus ganz Europa beliefert wird

© Felix Kästle

Blick ins Hochregallager in Ravensburg, von wo aus ganz Europa beliefert wird

Spieleentwickler Tim Schilder präsentiert das Sammelkartenspiel „Disney Lorcana“, von dem Ravensburger binnen eines Jahres schon mehr als eine Milliarde Karten verkauft hat und das für das Familienunternehmen ein echter Umsatzbringer ist.

© Felix Kästle

Spieleentwickler Tim Schilder präsentiert das Sammelkartenspiel „Disney Lorcana“, von dem Ravensburger binnen eines Jahres schon mehr als eine Milliarde Karten verkauft hat und das für das Familienunternehmen ein echter Umsatzbringer ist.

Rechnen auch 2024 mit einem Umsatzzuwachs: Ravensburger-Chef Clemens Maier (re.) und Finanzchef Hanspeter Mürle

© Anja Köhler

Rechnen auch 2024 mit einem Umsatzzuwachs: Ravensburger-Chef Clemens Maier (re.) und Finanzchef Hanspeter Mürle

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Erstellt:
4. Dezember 2024, 18:16 Uhr

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