Nach Schwanendrama in Murrhardt neue Strategie nötig
Da sich beim Schwanenpaar am Murrhardter Feuersee wieder Nachwuchs ankündigt, hat der Alt- den Jungschwan attackiert, um ihn zu vertreiben. Das Jungtier flüchtet in den Stadtgarten, wo es auf Passanten trifft. Nun wollen Landratsamt und Stadt das grundsätzliche Vorgehen klären.
Von Christine Schick
Murrhardt. Eigentlich ist es ein Grund zur Freude: Das Schwanenpaar, das auf dem Murrhardter Feuersee lebt, widmet sich dem Nestbau, sprich es lässt sich davon ausgehen, dass Nachwuchs unterwegs ist. Allerdings bedeutet dies auch, dass sich aufgrund der biologischen Abläufe bei den Tieren der männliche Schwan daran macht, den älteren Nachwuchs zu vertreiben. Die ersten Anzeichen, dass es für die Eltern und den männlichen Jungschwan auf dem überschaubaren See zu eng wird, hat es wohl schon vor rund drei Wochen gegeben. An Karfreitag hat sich die Situation zwischen Vater und Sohn zugespitzt.
Christian Schweizer vom Carl-Schweizer-Museum, das sich in unmittelbarer Nähe befindet, berichtet, dass eine Reihe von Passanten sich an ihn gewendet habe, da sich der Jungschwan nach der Auseinandersetzung im Stadtgarten befand. Offensichtlich hatte er sich dort auf eine Rasenfläche geflüchtet. Dazu müsse man wissen, dass das Starten, um zum Flug abzuheben, für die Vögel auf dem See aufgrund der nicht allzu großen Fläche und der Rahmenbedingungen zu schwierig sei. Schweizer geht davon aus, dass das Jungtier es aber irgendwie durch die Hecke geschafft hat. Im Park gestaltete sich die Lage auch nicht einfach – ein verängstigter Schwan traf auf Passanten, von denen einzelne mit Schirmen versuchten, ihn in den See zurückzudrängen.
Jungschwan sitzt abgekämpft im Park
Der Stadtjäger sei nicht zu erreichen gewesen, die Polizei habe aufgrund ihrer Einschätzung, dass es sich um ein Wildtier handle, nichts unternommen. Letztlich fand sich ein Murrhardter Jäger, der das Tier mit einigen Privatleuten am Samstagabend mithilfe von Decken einfangen konnte. „Er saß völlig abgekämpft an dem Bächle in der Nähe des Feuerseespielplatzes“, sagt Schweizer. Er kritisiert, dass die Stadt nicht nur früher hätte auf Hinweise reagieren sollen, sondern auch insgesamt halbherzig in Bezug auf die Vogelhaltung am See agiere.
Das Schwanenpaar lebt seit einigen Jahren am Feuersee und erfreut sich regelmäßig mal einer größeren, mal kleineren Schar an Küken, sprich das Problem stellt sich so gut wie jedes Jahr neu. „Man wird nicht schlau und die Verwaltung scheint dem hilflos gegenüberzustehen.“ Schweizer geht davon aus, dass die Stadt die Schwäne als Wildvögel einstuft, was für die Haltung und Verantwortlichkeit Konsequenzen hat. Gegen diese Einordnung spreche, dass ein Verlassen des Sees so gut wie unmöglich sei und der männliche Schwan durch eine frühere Verletzung und Amputation einen Teil des Flügels verloren hat (wir berichteten).
Konsequente Betreuung oder Abgabe
Schweizer sieht die Schwäne mit salopp gesagt festem Wohnsitz am Feuersee als Haustiere an, für die sich die Stadt auch verantwortlich zeigen müsste. Neben dem Kümmern bei besagten Vater-Sohn-Konflikten gehöre dazu eine Versorgung mit Grünfutter wie Salat, da die zur Verfügung stehende Fläche am See nicht ausreichend Pflanzen bereithalten kann. Mit Blick auf das Tierwohl hat er Anzeige gegen Unbekannt erstattet und sich unter anderem an die Tierschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg gewandt sowie das Veterinäramt informiert. Aus seiner Sicht müsse sich die Stadt entweder entsprechend kümmern oder sich gegen die Haltung entscheiden. Es gehe ihm aber nicht darum, die Stadt, den Bürgermeister oder eine Behörde anzuprangern, sondern die schwierige Rechtslage in diesem Fall klären zu können.
Bürgermeister Armin Mößner stellt fest, dass es sich beim Vertreiben der den Kinderschuhen entwachsenen Jungen durch die Schwanenväter um einen natürlichen Vorgang handle. „Das sieht für den Betrachter gewalttätig aus, manchmal sogar grausam. Aber so ist die Natur. Für den jungen Schwan haben zuletzt die Lebensumstände und das Futterangebot überwogen, das Feld nicht zu räumen.“ Er bestätigt, dass das Jungtier an Karfreitag aus dem See flog. Laut Polizei sei es aber zu keiner Gefährdung von Passanten gekommen.
Die Frage, warum die Stadt nicht, wie schon einmal geschehen, sich um ein Einfangen des Tiers gekümmert hat, um es später auswildern zu können, beantwortet er damit, dass man sich noch in der Abklärung mit dem Landratsamt befinde. Hintergrund sei, dass die untere Jagdbehörde die Stadt im vergangenen Jahr über die rechtlichen Rahmenbedingungen belehrt hat. Greift das Jagdrecht, ist dies mit bestimmten Vorschriften wie Befriedung (in der Stadt darf nicht gejagt werden) und Schonzeiten verbunden. Zuständig wäre dann der dortige Jagdpächter. Aufgrund dieser Belehrung – die sich auch auf das Einfangen von Tieren bezieht – sei man vorsichtig gewesen und habe die Rückmeldung der Behörden, was zu tun ist, abwarten wollen.
Frage nach dem rechtlichen Rahmen
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Zur Frage der Einordnung Wild- versus Haustier merkt Armin Mößner an, dass laut Literatur die Länge des Sees einem Schwan ausreiche, um ihn zu verlassen. Jemand habe dieses und auch vergangenes Jahr beobachtet, dass ein Schwan dort gestartet und geflogen, aber wieder zurückgekehrt sei. Gleichzeitig macht Mößner klar, dass der Vaterschwan durch die Teilamputation seines Flügels den Standort nicht verlassen kann und man an den Schwänen am Feuersee festhalten wolle. Sie würden von Beschäftigten der Stadt betreut und ein Budget für Futter sei vorhanden. „Wir sind in Abstimmung mit den Behörden, wie für die Zukunft verfahren werden soll, ohne dass es in jedem Jahr ein Drama geben muss.“
Zum bisherigen Stand berichtet Gerd Holzwarth, der für die untere Jagdbehörde und das Veterinäramt zuständige Dezernent im Landratsamt, dass der Jungschwan bereits vergangenen Samstag erfolgreich ausgewildert werden konnte. Jutta Wilhelm, eine der Tierärztinnen des Veterinäramts, erläutert, dass das Einfangen des Tieres im Stadtgarten in Absprache mit dem Team erfolgt sei. Darüber hinaus habe man eine Expertin des Naturschutzbunds (Nabu) miteinbezogen, um das Auswildern in einem Gebiet zu ermöglichen, das nicht von älteren Schwänen belegt sei.
Amt bewertet Lage nun als Tierhaltung
Zur rechtlichen Einordnung sagt Holzwarth, dass Schwäne per se als Wildtiere gelten, damit das Jagdrecht greife und dies von ihrer Seite auch zunächst so eingeschätzt worden sei. Mittlerweile bewerte man die Situation aber anders, nämlich als Tierhaltung (was von einer Haustierhaltung abzugrenzen ist). Dies erleichtert das Vorgehen, da zum Einfangen eines Schwans während der aktuellen Schonzeit auch keine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums einzuholen sei. Vielmehr sei darauf zu achten, ein attackiertes Tier, in diesem Fall den Jungschwan, aus solch einer Lage zu befreien. „Das ist für beide Tiere ein enormer Stress“, sagt Jutta Wilhelm. Das Gelände, das nicht genug Nahrung biete, die daraus folgende nötige Fütterung sowie eine mögliche Einquartierung im Winter sprächen für die Einordnung der Lage als Tierhaltung.
Wie nun die künftige Handhabung aussehen soll, wird bei einem Vor-Ort-Termin Ende April mit Vertretern von Stadt und Fachleuten des Landratsamts abgesprochen. Grundsätzlich gibt es für Wilhelm drei Möglichkeiten: Die Jungschwäne müssen jedes Jahr eingefangen werden, man entfernt die Eier und ersetzt sie – ähnlich wie bei Tauben – durch Gipseier, um Nachwuchs zu unterbinden, oder man versucht, das Paar andernorts unterzubringen. Letzteres schätzt die Tiermedizinerin als nicht einfach ein, zumal dem Amt bekannt ist, dass die Stadt an den Tieren festhalten will.