Nachgefragt: „Notaufnahmen waren am Limit“
Nachgefragt: „Notaufnahmen waren am Limit“
Von Bettina Hartmann
Stuttgart - In seiner langjährigen Laufbahn habe er noch nie einen derartigen Ansturm auf die Notaufnahme erlebt wie am Mittwoch, sagt Mark Dominik Alscher, der Medizinische Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart. Umso wichtiger sei die Vielfalt der Kliniken in der Stadt.
Professor Alscher, was war und ist in der Notaufnahme des RBK los?
Wie haben ja immer mal wieder mit starken Überbelegungen in unserer Notaufnahme zu tun. Aber ohne zu übertreiben, so etwas wie nach dem aktuellen Glatteis-Chaos habe ich noch nie erlebt. Die Lage ist beispiellos, das kann man guten Gewissens sagen. Und so sieht es in sämtlichen Krankenhäusern in Stuttgart und der Region aus. Schon morgens wurden die Patienten quasi im Minutentakt eingeliefert – und es hat sich den Tag über kaum entspannt. In der Regel haben wir etwa 150 Patienten pro Tag in der Notaufnahme. Nun ist es weit über das übliche Maß hinaus gegangen. Daher mussten wir uns am Robert-Bosch-Krankenhaus auch von der sogenannten Aufnahmebereitschaft nach außen abmelden. Dennoch kamen die Notfälle natürlich weiter zu uns. Durch den Massenanfall an Verletzten mussten wir jedes Bett nutzen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Abtransport von Patienten, die wir eigentlich entlassen wollten, nahezu zum Erliegen kam. Zudem müssen sich die Patienten derzeit auf lange Wartezeiten einstellen. Wir schieben eine Bugwelle vor uns her.
Welche Verletzungen haben die Patientinnen und Patienten?
Die meisten sind mit Knochenbrüchen eingeliefert worden, hauptsächlich Fußgänger nach Stürzen, aber auch einige Verletzte nach Autounfällen. Die meisten Fälle liegen dabei im Bereich der Unfallchirurgie. Bei den älteren Patienten gibt es viele Oberschenkelhalsverletzungen. Am schlimmsten sind die offenen Knochenbrüche. Die Kolleginnen und Kollegen in der Notaufnahme sind darauf aber trainiert.
Haben Sie das Personal aufgestockt?
Ja, wegen des für Mittwoch von der Gewerkschaft Marburger Bund angekündigten Ärztestreiks an den kommunalen Krankenhäusern hatten wir bereits eine doppelte Besetzung in der Notaufnahme geplant und diese auch, trotz Absage des Streiks, beibehalten. Eine glückliche Fügung! Dennoch war es schwierig – die aktuelle Situation erforderte viel Organisation und eine enorme Leistung der Mitarbeitenden. Wir haben alle Betten reaktiviert, planbare Operationen verschoben, damit die Notfallversorgung gewährleistet war.
Hat auch geholfen, dass es in Stuttgart immer noch mehrere leistungsstarke Krankenhäuser gibt?
Unbedingt. Aber es zeigt, dass wir froh sein können, aktuell noch so viele Krankenhäuser in der Stadt zu haben. Hätten wir in Stuttgart weniger Kliniken und somit weniger Kapazitäten, wäre es desaströs gewesen. Viele Patientinnen und Patienten hätten dann vermutlich nicht angemessen behandelt werden können. In diesem Fall hat es sich zwar um eine Ausnahmesituation gehandelt. Und Reformen im Gesundheitswesen sind notwendig, aber die Versorgungssicherheit muss immer gewährleistet sein. Die aktuelle Situation ist somit auch ein wichtiges Signal zur geplanten Krankenhausreform.