Nachtschwärmer nutzen neue Buslinien
Premiere für Nachtbusse am Wochenende: Bessere Verbindungen in Backnang und Umgebung – Neuer Betreiber, rote Fahrzeuge
„Möglich, dass Sie bei der ersten Fahrt mutterseelenalleine unterwegs sind“, warnte der Backnanger Betriebsmanager Albrecht Dünkel die Redakteurin vor. Er sollte nicht recht behalten. Die DB Regio Bus, Region Baden-Württemberg, startete am Wochenende mit den neuen Nachtbuslinien. Und siehe da: Einige Nachtschwärmer nutzten und lobten sogleich das Angebot.

© Tobias Sellmaier
Busfahrer Dimitry Suslikov schaut noch mal auf seinen Einsatzplan: Nachdem er die erste Backnang-Runde hinter sich hat, konzentriert er sich auf seine zweite Nachttour, die ihn nach Kleinaspach führt. Fotos: T. Sellmaier
Von Yvonne Weirauch
BACKNANG. Es ist mitten in der Nacht. Es regnet. Es ist ungemütlich. Zwei Männer stehen am Bahnhof Backnang. Werner Bauer war in Fellbach einkaufen: „Ich gehe da gerne zum Kaufland. Außerdem wollte ich da bestimmte Blumen holen, die sie aber leider nicht mehr hatten.“ Jetzt möchte er nach Hause und hat vor, an der Haltestelle Berliner Ring auszusteigen. „Mensch, ist das toll, dass jetzt der Nachtbus fährt“, lobt Uwe Krautter. Er war in Stuttgart und möchte nach Steinbach. Die Fahrt beginnt.
Sonntag, 1.55 Uhr, Bahnhof Backnang: Am Bussteig 1B startet er, der Bus mit der Kennzeichnung N36. Zeitgleich fahren Busse nach Althütte und Kleinaspach: Premiere des Nachtbusangebots in Backnang. Busfahrer Dimitry Suslikov sitzt am Steuer des Busses N36 und lächelt: „Na da gucken wir mal, was uns erwartet.“ Am Tag hat es geschneit, zum Teil waren die Fahrbahnen vereist. Abends und in der Nacht hatte sich die Wetterlage beruhigt und die Schneeflocken verwandelten sich in Regen. „Zum Glück“, sagt Suslikov, denn wenn es „schlimmer gekommen wäre, hätte ich die Bereitschaft verständigt, dass wir nicht fahren können“, sagt der 42-Jährige. Für seine erste Fahrt hätte sich der Busfahrer dennoch bessere Bedingungen gewünscht. „Vor allem das Straßenstück zwischen Steinbach und Sachsenweiler ist eine Herausforderung – die Straße ist eng und jetzt kommt auch noch der Schnee dazu.“
1.58 Uhr, Haltestelle Biegel: Es ist mollig warm im Bus. Vier Jugendliche steigen ein. Zeigen ihre Monatskarte vor und nehmen die hinteren Plätze in Beschlag. Der Duft von Gewürzen asiatischer Gerichte erfüllt den Bus. Die Jungen haben verpackte Mahlzeiten dabei. Uwe Krautter und Werner Bauer haben vorne im Bus Platz genommen. „Das ist wirklich eine tolle Sache. Ich bin oft am Wochenende in Stuttgart, manchmal sind wir auch eine Gruppe“, erzählt Uwe Krautter. Bei der Rückkehr nach Backnang habe er oft ein Taxi nach Steinbach nehmen müssen. Jetzt, mit dem Nachtbus, „und mit der Fahrkarte auf dem Handy ist das eine günstige und angenehme Sache“.
Kurz nach 2 Uhr, Haltestelle Berliner Ring: Werner Bauer steigt aus und wünscht allen eine gute Nacht. Die vier Jugendlichen sind schon vorher ausgestiegen – Haltestelle Christophstraße. Auf der Straße ist es ruhig. Nur vereinzelt kommen dem Bus Fahrzeuge entgegen. Freie Fahrt – manche Ampeln sind kein Hindernis, sie sind ausgeschaltet. Der Schnee macht keine Probleme, nur hin und wieder knirscht es unter den Rädern. Schlaflose Stille mit Müdigkeit vermischt ist spürbar. Der Busfahrer ist hoch konzentriert. An der Haltestelle Plaisirschule steigen zwei 18-Jährige ein. Sie grüßen freundlich. „Wir waren bei einem Kumpel. Echt gut, dass es jetzt diese Buslinie gibt.“
2.11 Uhr, Haltestelle Steinbach Lindenplatz: Uwe Krautter und die 18-Jährigen steigen aus. Die Fahrt geht weiter – ohne Fahrgäste. Die Nachtschicht bringt den Schlafrhythmus durcheinander. Dimitry Suslikov erzählt, dass es die erste Nachtfahrt für ihn sei: „Ein bisschen ungewohnt ist es schon. Ich bin sonst in Marbach gefahren, in Backnang musste ich üben.“ Wie sich Dimitry Suslikov auf die erste Nacht vorbereitet hat? „Ich habe bis Mitternacht geschlafen und dann zwei Tassen Kaffee getrunken“, sagt er lachend. Tatsächlich mussten die rund 50 Busfahrer, die für die neuen Linien eingesetzt werden, Streckenkunde pauken – und das etwa seit November, so Betriebsmanager Albrecht Dünkel. Die Fahrgäste werden vielleicht nicht einmal bemerken, dass sie im Raum Backnang in Fahrzeugen eines anderen Anbieters unterwegs sein werden. Die blau-weißen Linienbusse des Waiblinger Unternehmens Omnibus-Verkehr Ruoff GmbH (OVR), die seit Jahren in und um Backnang herum pendelten, sind nämlich verschwunden. Seit Anfang Januar sehen die Backnanger nur noch rot. Das ist die Farbe der Busse des Busunternehmens Friedrich Müller Omnibusunternehmen GmbH (FMO) aus Schwäbisch Hall, das den Auftrag zur Personenbeförderung erhalten hat.
2.14 Uhr: Es ruckelt. Mühsam schwenkt der Bus um den Kreisel und biegt in Richtung Sachsenweiler ab. Es folgt diese enge, etwa ein Kilometer lange Strecke. Am Fahrbahnrand sind Schneeberge aufgetürmt. Dimitry Suslikov schaltet das Fernlicht ein. Als er das Wohngebiet erreicht, blendet er ab. Er möchte rechts abbiegen, schlägt ein und stoppt: „Das ist jetzt ein gefährliches Eck. Vorne die Hecke und an der Seite parkende Autos.“ Der 42-Jährige setzt zurück und lenkt den Bus vorsichtig weiter. Millimeterarbeit. Auf den folgenden Kilometern geht es wieder Richtung Backnang, unter anderem an den Haltestellen Burgplatz, Blumenstraße, Gesundheitszentrum, Industriestraße, Abzweigung Ungeheuerhof vorbei, Richtung Heiningen.
2.27 Uhr: In Waldrems steigen wieder Jugendliche ein. Alkoholgeruch macht sich breit. Die Jungen unterhalten sich lautstark, aber gemäßigt. Von einem Kumpel ist die Rede, der sich „beinahe seinen Kopf am Waschbecken im Bad aufgeschlagen hätte“. Der Bus hält kurz darauf am Bahnhof Maubach. Einer der Jungen hatte den Halteknopf gedrückt: „Wir steigen nicht aus. Aber mein Freund hier muss kotzen.“ Der blasse Kumpel hält sich fest, wagt einen Schritt aus der Tür, übergibt sich und steigt wieder ein. „Geht‘s?“, fragt ihn der besorgte Freund. Der Kumpel nickt und setzt sich. Das Ziel, der Backnanger Bahnhof, wird sehnlichst erwartet.
2.47 Uhr, Bahnhof Backnang: Dimitry Suslikov fährt einen anderen Bahnsteig an. Die Fahrgäste steigen aus. Der Busfahrer blickt auf seinen Plan. Seine zweite Tour in dieser Nacht wird ihn nach Kleinaspach führen. Jetzt fährt er zunächst ohne einen Passagier an Bord los. Dass sich das Nachtbus-Angebot rechnet und auch lohnen wird, dessen ist sich der Betriebsmanager Albrecht Dünkel sicher: „Das Angebot muss sich rumsprechen, bis es richtig in Fahrt kommt.“

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Einige Nachtschwärmer nutzen die Buslinie, und freuen sich über das neue Angebot.

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„Das Stück zwischen Steinbach und Sachsenweiler ist eine Herausforderung“ Busfahrer Dimitry Suslikov