Nadelstiche gegen den Koalitionspartner

CDU hadert mit Dieselfahrverbot und erneuert Schuldzuweisung an Grüne – Spitzenrunde berät am Dienstag erneut

Von wegen „reinigendes Gewitter“! Gerade hat CDU-Landeschef Thomas Strobl den Koalitionsstreit über Fahrverbote für beendet erklärt, da legt sein Fraktionschef Wolfgang Reinhart nach und schießt gegen die Grünen.

Stuttgart /LSW - In der koalitionsinternen Auseinandersetzung über Dieselfahrverbote liegen sich die Fraktionschefs von CDU und Grünen weiter in den Haaren. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart kritisierte das Verhalten von Grünen-Politikern. Am Wochenende sagte er: „Hätten der grüne Verkehrsminister, der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister und der grüne Stuttgarter Regierungspräsident all das schnellstmöglich umgesetzt, was der Koalitionsausschuss im vergangenen Juli beschlossen hatte, wären wir heute schon weiter.“ Damit griff er Minister Winfried Hermann, Stadtoberhaupt Fritz Kuhn und Regierungspräsident Wolfgang Reimer an.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz konterte: „Die Schuldzuweisungen der CDU sind aus der Luft gegriffen und helfen nicht weiter.“ Die Menschen hätten ein Recht auf gesunde Luft, und die Gerichte forderten sie ein. Den Grünen in der Regierung seien höhere Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr zu verdanken. Mit einem im vergangenen Sommer beschlossenen 450-Millionen-Euro-Paket zur Luftreinhaltung würden weitere Voraussetzungen für einen Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen geschaffen. Die von der CDU geführte Bundesregierung hingegen habe die dringend notwendige Hardware-Nachrüstung über Jahre verschleppt und die Blaue Plakette verhindert, betonte Schwarz.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch warf Reinhart und seiner Fraktion Verdrängung vor. „Wer hat denn den von Verkehrsminister Winfried Hermann geschlossenen Vergleich mitgetragen, wonach am Neckartor 20 Prozent weniger Verkehr fließen soll?“, fragte er rhetorisch. Auch die CDU habe die Umsetzung des beschlossenen Maßnahmenpakets verschlafen. „Reinhart und die CDU können sich hier nicht zum Opfer stilisieren. Sie haben die Fahrverbote mitbeschlossen und sind damit Täter.“

Weil der CDU die Umsetzung der Schritte für saubere Luft in Stuttgart zu langsam ging, krachte es in den vergangenen Wochen in dem Bündnis von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Die Koalition zurrte schließlich einen Fahrplan zur Umsetzung von Maßnahmen fest, womit auch das Koalitionsklima besser wurde. Am Dienstag soll der grün-schwarze Koalitionsausschuss wieder zusammenkommen, um auch die Standorte der von der CDU geforderten neuen Messstationen für Stickoxide in Stuttgart zu beschließen. Geplant ist eine Aufstockung von derzeit 14 auf dann 52 Stationen in der Landeshauptstadt. Grünen-Fraktionschef Schwarz sprach hingegen von einer konsequenten Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Schritte. Noch ausstehenden Maßnahmen, etwa einem speziellen Fahrbahnbelag, müsse erst die gesundheitliche Unbedenklichkeit attestiert werden. „Wir Grüne werden den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben.“

In Stuttgart gelten seit dem Jahresbeginn grundsätzlich Fahrverbote für Diesel der Abgasnorm 4 und schlechter zur Luftreinhaltung. Es drohen auch Fahrverbote für Diesel der Abgasnorm 5, wenn die Luft nicht kurzfristig deutlich sauberer wird. Die CDU hatte mehrfach betont, dass es mit ihr flächendeckende Fahrverbote für Euro-5-Diesel nicht geben werde. Die Grünen mit Kretsch­mann betonten aber, dass die Regierung Recht und Gesetz beachten müsse.

Die „Verzögerungen“ der Maßnahmen hätten das Koalitionsklima deutlich belastet, sagte Reinhart. „Aber man lässt nicht gleich eine Koalition platzen“, sagte er zu Vermutungen, dass die CDU wegen der Fahrverbote die gemeinsame Regierung verlassen könnte. Reinhart ist der Meinung, dass auch die grün-rote Vorgängerregierung (2011 bis 2016) mehr zur Luftreinhaltung hätte tun können. Wäre dies geschehen, wäre man jetzt nicht in dieser Situation.

Nach wie vor hadert Reinhart auch schwer mit der Entscheidung, dass das Land Baden-Württemberg im vergangenen Jahr die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht wählte, um das Thema Fahrverbote klären zu lassen – und nicht die Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. „In der Sprungrevision konnten wir keine neuen Tatsachen vorbringen“, erklärte er. „Bei einer Berufung hätten wir zwischenzeitlich bereits angestoßene Luftverbesserungen vortragen können.“

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Erstellt:
11. März 2019, 03:04 Uhr

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