Problem oder Plage?
Nager-Alarm: So viele Ratten gibt es in Deutschland
In Großstädten haben es Ratten so richtig gut. Reste von Dönern oder Pommes finden sich oft. Besonders störend sind die Tiere auf Kinderspielplätzen, wo Gift als Gegenmittel eingesetzt werden muss.
Von Markus Brauer/dpa
Ratten leben in den dunkelsten Winkeln unserer Städte und lösen bei vielen Menschen Unbehagen, Ekel oder Angst aus. Auch weil sie als Überträger von gefährlichen Krankheiten gelten. Ratten schwimmen problemlos durch kommunale Abwassersysteme und moderne Rohrleitungen.
Mit ihren kräftigen Kiefern und scharfen Schneidezähnen bearbeiten sie härteste Materialien. Trotz ihrer hohen Anpassungsfähigkeit hat sich aber auch herausgestellt, dass der Abenteuerlust der Ratte Grenzen gesetzt sind. Sie sind standorttreu.
Rattenpopulationen: Statistiken gibt es nicht
In US-Metropole New York leben inzwischen schätzungsweise drei Millionen Ratten. Wie viele es wohl in Deutschland sind? Das weiß eigentlich niemand. Verlässliche, bundesweite Statistiken gibt es nicht.
Schätzungsweise gibt es weltweit etwa zehn Milliarden Ratten. In Deutschland könnten etwa 150 bis 200 Millionen dieser Tiere leben. Der Schädlingsbekämpfer-Verband geht von rund 300 Millionen Ratten aus. Das wären drei bis vier Tiere pro Einwohner. Aber auch das ist nur eine Schätzung.
Der Mensch nährt mit seinem Müll die Ratten
„Menschen und ihr Umgang mit Müll sind der Kern des Problems“, sagt Nagetierforscher Bobby Corrigan über die weite Verbreitung der Nager in Städten. Wenn Müllkörbe nicht regelmäßig geleert würden, sei das für Ratten wie ein gedeckter Tisch, erklärt Corrigan. Ratten kommen nämlich überall dort vor, wo sich Menschen ansiedeln und Müll hinterlassen.
Die Kanalisation als Wegenetz, herumliegende Abfälle, teils ungepflegte Grünanlagen: Vor allem Großstädte bieten allerbeste Lebensbedingungen für die vermehrungsfreudigen Nager. Schädlingsbekämpfer kritisieren, dass immer mehr Essensreste durch die Toilette in die Kanalisation gespült werden und den Ratten damit als Nahrungsquelle dienen.
Auch die zunehmende Zahl von Komposthaufen in Gärten böten den Ratten einen perfekten Unterschlupf. Hinzu kämen Vogelliebhaber, die Unmengen Brot auslegten, was schon zu massiven Rattenplagen geführt habe.
Überträger von gefährlichen Krankheiten
- Wanderratten können laut Umweltbundesamt und des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin mehr als 100 verschiedene Erreger auf den Menschen übertragen, darunter etwa Salmonellen, das Hanta-Virus und Fleckfieber. Allerdings sind letztere beiden Krankheiten in Deutschland keine allzu häufige Infektion.
- Da sie sich im Abwassersystem bewegen, wo die Keimdichte hoch ist, besteht die erhebliche Gefahr einer Verschleppung in die oberirdische Welt.
- Öfter kommt die Leptospirose vor. Sie verursacht hohes Fieber und in schlimmen Fällen auch Gelbsucht. Bei Kanalarbeitern gilt die Leptospirose als Berufskrankheit. Sie kann unter anderem die Leber, die Niere und die Hirnhaut betreffen und wird durch Bakterien der Gattung Leptospira verursacht. Es handelt sich dabei um eine meldepflichtige Zoonose, deren natürliche Wirte vor allem Ratten und Mäuse sind.
- Die Pest spielt in Europa hingegen keine Rolle mehr.
- Ansteckungen passieren in der Regel unbemerkt über die Ausscheidungen der Tiere. Etwa im Sandkasten, wo Kinder in Kontakt mit Rattenkot und -urin kommen können. Treten später Erbrechen und Durchfall auf. An eine Verbindung zu Ratten denke kaum jemand.
Zoonosen könnten zu gefährlichen Pandemien führen
Auch hinsichtlich Corona sehen Fachleute eine Gefahr: Forscher berichteten über Ratten aus New York, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. Die Befürchtung ist, dass sich ähnlich wie in der Pandemie auf dänischen Nerzfarmen durch Ansteckungen unter den Tieren möglicherweise eine neue Variante entwickeln und auf den Menschen zurückspringen könnte. Unter Umständen in wieder gefährlicherer Form.
Kaylee Byers, Biologin für Wildtiergesundheit, versucht den Ratten in Vancouver Grenzen zu setzen. Sie hat eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Die Rattenpopulation der kanadischen Metropoles ist kein Gebilde wie ein Staat, sondern über die gesamte Stadt verteilt in verschiedenen Clans organisiert.
Die Mitglieder dieser Clans entfernen sich selten mehr als 100 Meter von ihrem Zuhause. Ein Verhalten, das nicht zuletzt dazu beitragen kann, die Übertragung von Krankheiten zu verhindern.