Nahwärmenetz für ein klimaneutrales IBA-Quartier
Eine Machbarkeitsstudie soll zeigen, welche Energiequellen in dem neuen Backnanger Stadtteil künftig genutzt werden können.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Für die Internationale Bauausstellung (IBA) im Jahr 2027 soll im Backnanger Westen ein Vorzeigequartier entstehen – sowohl architektonisch als auch in puncto Nachhaltigkeit. Von einem „klimaneutralen Quartier mit Leuchtturmcharakter“ träumt Tobias Großmann, Leiter des Stadtplanungsamtes. Wie das funktionieren soll präsentierte er nun zusammen mit Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Steffen im Ausschuss für Technik und Umwelt des Gemeinderates.
„Unser Ziel ist es, die vorhandenen Energiequellen im Quartier zu nutzen und möglichst wenig Energie von außen zuzuführen“, erklärte Steffen. Neben Sonnenenergie und Wärmepumpen kommen dafür noch einige andere Möglichkeiten in Betracht. Als „vielversprechende Option“ bewertet die Stadt zum Beispiel die Idee, Wärme aus Abwasser, Grundwasser oder dem Flusswasser der Murr zu gewinnen. Auch die Nutzung von Erdwärme (Geothermie) könnte infrage kommen, wobei noch zu klären ist, ob die geologischen Verhältnisse das an dieser Stelle zulassen.
Abwärme aus der Biovergärungsanlage nutzen
In jedem Fall möchte die Stadt gerne die Abwärme aus der Biovergärungsanlage Neuschöntal auf dem IBA-Gelände nutzen. Die Wärme, die dort in zwei Blockheizkraftwerken bei der Verstromung von Biomethan anfällt, war früher für die Trocknung des Klärschlamms aus der Kläranlage verwendet worden. Ende 2021 wurde die Klärschlammtrocknung aber aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt, seitdem bleibt die Abwärme größtenteils ungenutzt. Um mit dieser Wärme künftig Gebäude auf dem IBA-Gelände zu heizen, müsste allerdings zuerst eine rund zwei Kilometer lange Wärmeleitung verlegt werden.
Welche dieser Energiequellen sowohl technisch als auch wirtschaftlich sinnvoll nutzbar sind, will die Stadt nun in einer Machbarkeitsstudie prüfen lassen. Thomas Steffen ist aber zuversichtlich, dass sich die Vision eines weitgehend energieautarken Quartiers auf dem IBA-Gelände realisieren lässt: „Wir haben hier viele Optionen und damit eine sehr gute Ausgangslage“, sagte der Stadtwerke-Chef im Ausschuss.
Ziel der Stadt ist es, die Energieversorgung auf den ehemaligen Industrieflächen künftig über ein zentrales Nahwärmenetz zu organisieren. Weil der Aufbau eines solchen Netzes die Stadtwerke alleine aber überfordern würde – Steffen rechnet mit Investitionen im zweistelligen Millionenbereich – haben sie sich die EnBW als Partner ins Boot geholt. Der Energieversorger habe sowohl das Know-how als auch die finanziellen Mittel dafür, erklärte Steffen. Stadtwerke und EnBW wollen dafür eine gemeinsame Projektgesellschaft gründen.
Hohe Fördermittel stehen zur Verfügung
Interessant wird das Projekt für die Energieversorger auch dadurch, dass es für nachhaltige Energiekonzepte hohe Fördermittel gibt. Schon die Machbarkeitsstudie wird zu 50 Prozent vom Bund finanziert, bei den Investitionskosten sind bis zu 40 Prozent Zuschuss möglich und für Solarthermieanlagen und Großwärmepumpen gibt es sogar im Betrieb noch zehn Jahre eine Förderung. „Da sind offenbar enorme Gelder vorhanden“, stellt Tobias Großmann fest.
Allerdings sind diese auch an Bedingungen geknüpft: Weil nur maximal 20 Prozent der Wärme aus Gas stammen darf, wozu auch Biogas zählt, kann etwa die Abwärme aus der Biogasvergärung gar nicht komplett für das IBA-Gelände genutzt werden. Stattdessen soll der Rest künftig durch weitere Leitungen zum Landratsamt und zum Kreisberufsschulzentrum gepumpt werden.
Die Eigentümer müssten mitziehen
Klar ist allerdings auch, dass das ganze Konzept nur funktionieren wird, wenn die Eigentümer mitziehen. Die Flächen auf dem IBA-Areal sind nämlich zum größten Teil im Privatbesitz, Haupteigentümer sind die Familien Püttmer, Räuchle und Kaess. Bevor man in ein Nahwärmenetz investiere, brauche man von diesen verbindliche Zusagen, dass sie die Energie hinterher auch abnehmen, erklärte Thomas Steffen. Erste Gespräche mit den Eigentümern stimmen ihn aber zuversichtlich, dass diese mitziehen werden. „Wir wollen ein Energiekonzept präsentieren, bei dem die Eigentümer gerne mit dabei sind“, kündigte Steffen an.
Im Gemeinderat fanden die Pläne breite Unterstützung, wobei es im Detail auch kritische Nachfragen gab. So äußerte etwa Gerhard Ketterer (CDU) Zweifel, ob die Stadtwerke ein solches Großprojekt personell überhaupt stemmen können. Er warnte davor, dass andere Quartiere „hinten runterfallen“ könnten. Thomas Steffen traut den Stadtwerken den Betrieb weiterer Nahwärmenetze zu, sagte aber auch: „Wir werden personell noch aufstocken müssen.“
Auch Baubürgermeister Stefan Setzer ist davon überzeugt, dass Nahwärmenetze das Modell der Zukunft sind. Backnang sei bei diesem Thema zwar „nicht die Spitze der Bewegung, aber wir holen mit großen Schritten auf.“ Allerdings dürfe man auch nicht zu viele Projekte gleichzeitig angehen: „Denn wir wollen nicht, dass die ganze Stadt zu einer Mammutbaustelle wird.“