Nabu und BUND
Naturschützer haben starken Zulauf
Der Verband Nabu verzeichnet 4,4 Prozent mehr Mitglieder. Die Naturschutztage in Radolfzell enden mit einem Appell an die Politik.
Von Christoph Link
Drangvolle Enge herrscht in der Tagungsstätte Milchwerk in Radolfzell. Rund 1000 Teilnehmer sind bei den 48. Naturschutztagen, die die Landesverbände des Nabu und des BUND gemeinsam veranstalten und die am Montag endeten. Für die erkrankte Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) hält Andre Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium und früher selbst Nabu-Landesvorsitzender, die Hauptrede vor der „lieben Naturschutzfamilie“.
Baumann zieht eine positive Bilanz: Die grün geführte Regierung habe seit 2011 die Mittel für den Naturschutz vervierfacht und das Personal in den unteren Naturschutzbehörden massiv gestärkt. Auch im nächsten Doppelhaushalt würden die Mittel nicht gekürzt. Schaffung eines Nationalparks, Ausweitung von Biosphären, das Gesetz zur Stärkung der Biodiversität oder der Strategiedialog mit der Landwirtschaft – auf vielen Gebieten sei Baden-Württemberg ein positives Beispiel. Rückenwind spürt Baumann von der EU, die mit der Verordnung zur Wiederherstellung der Natur ein „wunderbares“ Instrument geschaffen habe, Ökosysteme wieder herzustellen.
EU als Schlüssel für starken Naturschutz
Überhaupt sieht Baumann in der EU den Schlüssel für einen starken Naturschutz. Das Land könne sich bei der Vermarktung regionaler Agrarprodukte noch so anstrengen, entscheidend sei, was in Brüssel geschehe: „Wir brauchen eine andere EU-Agrarpolitik, die die ökologischen Leistungen der Bauern honoriert.“ Für ehrenamtliche Naturschützer hat Baumann einen Hinweis: „Angesichts der Debatten über Migration und Wohlstandsverluste ist der Naturschutz in der Politik nicht gerade das Topthema. Es liegt an der Zivilgesellschaft, ihn nach oben zu bringen.“
Von einer Flaute bei den Naturschützern kann indes keine Rede sein, im Gegenteil. Beim BUND-Landesverband stagniert die Mitgliederzahl zwar bei rund 51 500, beim Nabu aber steigen die Zahlen deutlich: Ende September 2024 hatte der Nabu Baden-Württemberg fast 131 500 Mitglieder und ist damit bundesweit Nummer eins. Im Vergleich zum Vorjahr sei das ein Plus von 4,4 Prozent, sagt Nabu-Chef Johannes Enssle. Er vermutet, dass Naturkatastrophen und Krisen die Leute zum Nabu treiben: „Wir vermitteln den Menschen etwas Hoffnung und Zuversicht, weil wir uns um die zerbrechliche Natur kümmern.“
Wnn positive Naturerlebnisse fehlen
In einem der Seminare in Radolfzell betonen Teilnehmer, dass sie die Schönheit der Natur für ihre Arbeit motiviere. „Aber viele Menschen haben gar keine positiven Naturerlebnisse mehr. Denen kann ich gar nichts von der Schönheit eines Schmetterlings erzählen“, sagt eine Teilnehmerin. „Die gehen zum Joggen ins Gym und bestellen sich den Burger beim Lieferdienst.“ Aber dort, wo Natur erlebt werden kann, da fasziniert sie offenbar. Fledermaus-Camps oder Vogel-Camps auf der Alb oder am Bodensee seien rasch ausgebucht, heißt es.
„Die Leute sind am praktischen Naturschutz interessiert“, berichtet die BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch, sei es nun die Amphibienpflege oder die Renaturierung eines Baches. Aus der Kleinstadt Gundelfingen wird berichtet, dass sich dort rasch eine BUND-Gruppe von 35 Helfern gegründet hat die auf Aktionen setzt, bei der Krötenwanderung hilft, aus Verkehrsinseln „Blühinseln“ macht und rund um Stromtrassen artenreiche Magerwiesen anlegt.
Abbau umweltschädlicher Subventionen
Die Naturschutztage endeten mit einem politischen Appell der beiden Verbände: Die neu zu wählende Bundesregierung sollte das Geld für „umweltschädliche Subventionen“ einsparen und etwa die steuerlichen Vorteile für Diesel oder die private Nutzung von Dienstwagen streichen. Laut einer Untersuchung des Bundesamtes für Umweltschutz könnten so 65 Milliarden Euro zusammen kommen.
Es sei „absurd“, mit Steuergeld die Schäden an der Natur zu reparieren und gleichzeitig milliardenfach Subventionen in umweltschädliche Technologien zu stecken, meint Johannes Enssle. Er zeigte sich zufrieden mit der Bilanz von Grün-Schwarz in Stuttgart und blickt mit Spannung auf die nächste Landtagswahl. Auf die Frage, ob eine möglicherweise CDU-geführte Landesregierung die Gesetze für den Naturschutz rückgängig machen werde, sagte Enssle: Das komme darauf an, ob sich in der CDU Leute wie Agrarminister Peter Hauk durchsetzten oder nicht: „Ich sehe in der CDU auch viele, die offen sind für den Naturschutz.“