Nach dem Attentat von Mannheim

Neue Debatte um Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien

Wer nach Kabul abschieben will, muss mit den Taliban ins Gespräch kommen. Die Regierung wird aber von Berlin nicht anerkannt.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sucht nach Wegen, Abschiebungen von Gefährdern nach Kabul möglich zu machen.

© dpa/Axel Heimken

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sucht nach Wegen, Abschiebungen von Gefährdern nach Kabul möglich zu machen.

Von Norbert Wallet

Nach der von einem abgelehnten afghanischen Asylbewerber mit Abschiebeverbot begangenen Tötung des Polizisten Rouven L. hat eine neue Debatte darüber begonnen, wie Gefährder und Straftäter leichter in Länder wie Syrien oder Afghanistan abgeschoben werden können. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie verläuft die aktuelle Debatte?

Interessant ist, dass nun neue Impulse von der SPD kommen. Bislang wurden Debatten über das Thema eher von der CDU angestoßen. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) legt der in zwei Wochen wieder tagenden Konferenz der Innenminister der Länder einen Antrag vor, nach dem Personen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben werden können.

Abschiebungen in diese Länder sind derzeit ausgesetzt. Grote argumentiert aber: „Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er aus Afghanistan kommt. Hier wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.“ Der Fraktionsvize der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, sieht es ebenso: „Wenn jemand, wie der wahrscheinliche Täter, hier schwerste Straftaten begeht, dann hat er hier sein Bleiberecht verloren und muss nach Afghanistan abgeschoben werden können.“

Wie ist die rechtliche Lage?

Das Aufenthaltsgesetz stellt im ersten Absatz des Paragrafen 60 fest, dass ein Ausländer „nicht in einen Staat abgeschoben werden“ darf, „in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist“. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde.

Absatz 5 stellt zudem klar, dass ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf, „soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist“, wenn ihm also zum Beispiel im Aufnahmeland Todesstrafe, Folter oder Sklaverei drohen. Absatz 7 legt fest, dass ein Mensch außerdem bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, nicht abgeschoben werden darf.

Wo liegen die Grenzen des Abschiebeverbots?

Das Aufenthaltsgesetz legt allerdings in seinem achten Absatz auch fest, dass vom Abschiebeverbot des ersten Absatzes abgewichen werden kann, „wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist“.

Grundsätzlich muss jeder Fall einzeln geprüft werden. Dazu steht jedem Betroffenen der Rechtsweg offen.

Praktische Hindernisse

Neben den rechtlichen Grenzen sind bei Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan ganz praktische Probleme zu berücksichtigen. Die sind sowohl logistischer als auch politischer Art. So wird der Flughafen in Damaskus offenbar nur noch von türkischen und irakischen Airlines angeflogen. Im Falle Afghanistans müsste mit der pakistanischen Regierung ein Abkommen über den Transport abgeschobener Afghanen auf dem Landweg bis zur afghanischen Grenze geschlossen werden.

Das politische Problem ist noch heikler. Für die Aufnahme der Abzuschiebenden braucht es eine aufnahmewillige Regierung. Die Bundesregierung erkennt jedoch die Taliban-Regierung in Kabul nicht an und arbeitet mit ihr nicht zusammen. Dafür gibt es natürlich gute Gründe.

Für die Rück-Aufnahme abgeschobener Afghanen würde die Taliban sicher eine Gegenleistung verlangen, vermutlich einfach Geld. Das wären Summen, die womöglich in die Terrorfinanzierung, mindestens aber zur Stützung eines Unterdrückungsregimes gesteckt würden.

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Erstellt:
4. Juni 2024, 17:08 Uhr

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